Mobbing unter Hunden

Von Clarissa von Reinhardt

Barbara Zarfl aus Niederwölz fragt: Familie Zarfl besitzt 3 Rottweiler, alle kastriert, die als harmonisches Rudel im Haus leben und 1-2 x wöchentlich auf dem Hundeplatz arbeiten: Frodo, 5 Jahre, Rudelboss, Antonia, 10 Jahre, vor 3 Jahren von ihren Vorbesitzer übernommen, und Ali, 23 Monate, aus dem Tierheim. Wie schon erwähnt, nimmt Familie Zarfl  gelegentlich einen von 3 verschiedenen Gasthunden von Bekannten für einige Tage auf. Während  es mit zweien von ihnen absolut keine Probleme gibt und sie sich harmonisch in das Rudel einfügen, trifft das für den dritten, einen kastrierten Terriermix-Rüden, der mit dem gleichaltrigen Ali zusammen die Welpen- und Junghundschule besuchte, absolut nicht zu. Frau Zarfl hat dabei beobachtet: „Spielen die beiden Youngster miteinander oder auch mit anderen Hunden, funktioniert alles tadellos. Kommt aber Rudelchef  Frodo dazu, wird unser Ali richtig grob, und Frodo unterstützt ihn dabei. Das geht so weit, dass das Spiel in eine Hetzjagd ausartet, wobei dann der Gasthund die Beute darstellt. Unsere beiden Rüden stürzen sich dann mit Gebrüll auf ihn und traktieren ihn so lange, bis er wild um sich in die Luft schnappt. Es wird ihm dabei zwar kein Härchen gekrümmt, aber er kommt dabei offensichtlich in Stress. Trenne ich sie, indem ich meinen zwei Hunden das entsprechende Kommando gebe, lassen sie von ihm ab, und wir können unseren Spaziergang fortsetzen. Es dauert aber keine fünf Minuten, dann werden meine zwei durch diesen Hund wieder zu Rennspielen aufgefordert, und das Ganze fängt von vorne an.

Meine derzeitige Lösung
Das Problem habe ich nun zur Zeit so gelöst, dass ich ihnen eine „Ersatzbeute“ anbiete. Diese wird dann zur Beute, indem sich einer der Hunde diese schnappt (egal wer), und die anderen jagen hinterher. Und wenn sie dann die Beute erwischen, wird um diese gerauft. „Beute“ ist somit interessanter als der Gasthund. Eine zweite Lösung besteht darin, dass Rudelchef Frodo an meiner Seite gehen muss, was er auch sehr gerne ausführt. Antonia ist an dem ganzen Spiel nicht interessiert, sie geht allem aus dem Weg und beteiligt sich auch nicht am Mobbing.

Meine Frage
Wann und wie greife ich korrekt am besten ein? Mir tut der Gasthund leid, aber er gibt ja auch keine Ruhe. Kaum habe ich ihn „gerettet“, fordert er die beiden anderen aufs Neue zum weiteren „Spiel“ auf. Nur artet dieses dann meistens wieder aus. Ansonsten läuft alles sehr harmonisch ab, auch gemeinsames Fressen und Schlafen stellt kein Problem dar. Wie stelle ich es an, dass es gar nicht erst so weit kommt, dass dieser eine Hund immer wieder gemobbt wird?“

Clarissa v. Reinhardt: Sehr geehrte Frau Zarfl, wie Sie selbst schon richtig erkannt haben, heizt sich die Spielsituation zwischen den drei Hunden offensichtlich zu sehr auf, so dass der Gasthund gemobbt wird. Bei dem von Ihnen geschilderten Problem gibt es gleich mehrere Punkte zu bedenken: Ich würde zunächst einmal darüber nachdenken, ob es wirklich gut für Ihre Hunde ist, wenn Sie einen Gasthund aufnehmen. Es gibt zwar einige wenige Hunde, denen es relativ egal ist, ob familienfremde Artgenossen immer mal wieder „zu Besuch“ kommen, aber für die meisten Hunde stellt dies eine Belastung dar – besonders wenn sich unter mehreren in einem Haushalt schon eine soziale Struktur gebildet hat, die nun gestört wird. Beobachten Sie Ihre Hunde genau und unterschätzen Sie dieses Problem nicht.

Unterschiedliches Temperament
Dann gilt zu bedenken, dass Sie drei Rottweiler führen, die in ihrem Spielverhalten durchaus grober veranlagt sind, als zum Beispiel Cocker Spaniel oder Pudel. Rottis spielen mit sehr viel Körpereinsatz, da wird schon mal gerempelt und geschubst, das alles ist gar nicht böse gemeint, kann aber auf einen anderen Hund ängstigend wirken, besonders, wenn er es gleich mit zweien zu tun hat. Der Gasthund ist ein Terriermischling – und Terrier heizen ein Spiel tendenziell viel schneller auf, als andere Rassen. Zusammengenommen also durchaus eine brisante Spielsituation. Besonders unter diesem Aspekt halte ich es für riskant, Ersatzbeute ins Spiel zu bringen. Die eh` schon wilden Rennspiele heizen sich noch zusätzlich auf, wenn es um eine begehrenswerte Beute geht. Wie Sie schreiben, raufen die Hunde dann auch um die Beute. Dieses Raufen (also sehr grobes Spielen) kann im Eifer des Gefechts ganz schnell in eine ernsthafte Auseinandersetzung kippen.

Eine Intention für das Spielverhalten unter Hunden ist die Bitte um soziale Integration. Dies könnte der Grund dafür sein, dass der Gasthund trotz vorherigem Mobben weiterhin zum Spiel auffordert. Wenn Sie also weiterhin Gasthunde aufnehmen, würde ich Ihnen raten, Spaziergänge hauptsächlich getrennt zu gehen. Im oben beschriebenen Fall würde ich zum Beispiel mit Frodo und Antonia und anschließend mit Ali und dem Gasthund gehen. Ab und zu können Sie die Konstellation auch verändern, zum Beispiel Frodo und Gasthund und Antonia mit Ali, damit sich die „Youngsters“ auch mal mit den älteren im Haushalt beschäftigen müssen. Beutespiele würde ich unbedingt vermeiden.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Hunden schöne winterliche Spaziergänge und alles Gute!
Clarissa v. Reinhardt, „Animal Learn“

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