Misteltherapie – sinnvolle Ergänzung beim krebskranken Hund

Von Ulrike Biegel

Die Grundlagen und die Bedeutung der Misteltherapie als sinnvolle Ergänzung beim krebskranken Hund ­wurden bereits in der letzten Ausgabe (WUFF 12/2011-1/2012) beschrieben. Im Folgenden stellt Tierärztin Ulrike Biegel nun einige ­vierbeinige „Mistel-Patienten" vor.

Cherry war eine sehr muntere, damals neunjährige Mittelschnauzerhündin. Ihre Besitzerin entdeckte beim Streicheln einen kleinen Knoten am Gesäuge. Bösartige Tumore am Gesäuge sind beim Hund eine weit verbreitete Erkrankung, die vor allem bei älteren Tieren beobachtet wird. Der Tierarzt empfahl Cherrys Besitzern daher dringend, den Knoten entfernen zu lassen, obwohl dieser noch recht klein war (ca. 0,5 cm im Durchmesser), da auch sehr ­kleine Tumore sich als sehr bösartig heraus­stellen und früh Metastasen ent­wickeln können. Daher entschlossen sich die Besitzer von Cherry, sie sofort operieren zu lassen. Der Knoten ­wurde wegen seiner geringen Größe in einer schonenden Operations­methode einzeln entfernt (statt der Entfernung der gesamten Gesäuge­leiste), doch mit dem bleibenden Risiko, dass der Tumor an der gleichen Stelle wieder auftaucht (Rezidiv).

Wie erwartet, erholte sich ­Cherry nach dem Eingriff rasch. Bei der anschließenden Laboruntersuchung stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um ein Karzinom, also einen bösartigen Tumor gehandelt hatte. Leider zeigte sich im Verlauf zwei Monate später am Operationsort erneut ein Knoten, der sehr schnell auf die doppelte Größe des ursprünglichen Tumors anwuchs. Die Tier­besitzer waren geschockt und suchten nach einer anderen geeigneten Behandlungsmethode und entschieden sich für die Misteltherapie.

Tumorkontrolle und Lebens­qualität

Erwartungsgemäß blieb es nicht bei diesem erfreulichen Verlauf – nach einem Jahr wuchs der Knoten allmählich auf 2 cm im Durchmesser an. Das Wachstum des Tumors war vor allem in den Mistelinjektionspausen sehr deutlich, daher wurde im Weiteren auf jegliche Pause innerhalb der Therapie verzichtet. Der Tumor wuchs nun nur mehr langsam und vergrößerte sich nach fast 2 Jahren schließlich auf 4cm im Durchmesser.

Cherry hatte inzwischen ein Alter von 12 Jahren erreicht, und zur Freude ihrer Besitzer blieb sie eine fröhliche und muntere Kameradin. Irgendwann konnte dem Tumorwachstum nicht mehr entgegengewirkt werden und die Hündin musste in ihrem 13. Lebensjahr eingeschläfert werden. Sie war bis kurz vor ihrem Tod ­munter, hatte guten Appetit und dank Misteltherapie sehr viel Lebensfreude – trotz der bereits seit vier Jahren bestehenden Krebserkrankung. Je nach Prognose bei Karzinomen ­(entsprechend der Abstufungen) liegt die durchschnittliche Überlebenszeit bei Gesäugetumoren normalerweise bei etwa zwei Jahren.

Bei der Misteltherapie bekam Cherry in mehrmaligen Kuren pro Jahr jeweils dreimal pro Woche eine (schmerzlose) Spritze unter die Haut. Innerhalb des ersten Jahres der Therapie verkleinerte sich das Rezidiv um die Hälfte auf ca. 0,5 cm Durchmesser – eine sehr erfreuliche und zudem für ­diese Art und Lokalisation des Tumors recht ungewöhnliche Entwicklung der Erkrankung. Cherry ging es hervorragend und ihre Besitzer waren sehr zufrieden.

Nach Operation und Misteltherapie trotz hohen Alters tumorfrei

Auch Ayla war an einem Karzinom des Gesäuges erkrankt. Die Zwergschnauzerhündin war allerdings schon 13 Jahre alt, als der Tumor entdeckt und operativ entfernt worden war. Einige Tage nach der Operation wurde eine Misteltherapie begonnen, um das Risiko eines Rezidivs bzw. einer ­Metastase zu vermindern. Über nahezu drei Jahre wurde die ­Misteltherapie bei Ayla ganz unproblematisch angewendet, ohne dass sich wieder Tumore gezeigt hatten. Außer einer Arthrose und einer Herzproblematik von Ayla, die medikamentös gut behandelt waren, erfreuten sich die Tierbesitzer an dem ausgezeichneten Allgemeinbefinden ihrer inzwischen sechzehnjährigen Hündin. Mit einem stolzen Lebensalter von 17 Jahren musste Ayla schließlich aufgrund der nicht mehr regulierbaren Altersbeschwerden eingeschläfert werden. Ein Tumor war bis dahin nicht mehr aufgetreten.

Trotz inoperablem Tumor gute Lebensqualität

Aufgrund des Befundes und des fortgeschrittenen Alters des Hundes wurde in diesem Fall auf einen Operationsversuch verzichtet und wenige Tage nach der Diagnose mit der ­Misteltherapie begonnen.

Während der Therapie war Barny stets munter und fraß leidenschaftlich gerne. Der Tumor blutete nicht mehr und wuchs nur langsam. Nach über einem Jahr Misteltherapie ging es Barny immer noch sehr gut, was entsprechend dem normalen (also rasch fortschreitenden) Verlauf solcher Melanome eigentlich sehr erstaunlich war. Nach weiteren drei Monaten zeigte der Tumor allerdings wieder eine stärkere Blutungsneigung, daher roch Barny auch stärker aus dem Maul, sein gutes Allgemeinbefinden und sein ungebremster Appetit blieben noch fast bis zum Schluss erhalten. Schließlich mussten sich die Besitzer nach 17 Monaten Mistel­therapie von ihrem Hund verabschieden, da die Tumorerkrankung nun nicht mehr zu kontrollieren war. Bis einige Wochen vor seinem Tod konnte Barny ohne Schmerzmittel auskommen.

Unser Patient Barny war ein 12-jähriger Appenzeller-Mix-Rüde. Er wurde vorgestellt, weil er wiederholt auffällig speichelte und seinem Speichel ge­legentlich etwas Blut beigemengt war. Bei der genauen Inspektion der Maulhöhle fiel ein etwa gut haselnussgroßer Knoten am Unterkiefer rechts direkt neben den Backenzähnen auf. Eine Biopsie bestätigte den Verdacht auf ein orales Melanom – eine konventionell sehr schlecht therapierbare Tumorform. Bei der weiteren Untersuchung zeigte sich, dass nicht nur der nahegelegene Lymphknoten vom Tumor betroffen war, sondern auch auf der Lunge ein sehr verdächtiger Schatten von eineinhalb Zentimetern Durchmesser nachzuweisen war, der für eine Lungenmetastase sprach.

Paradebeispiel Una

Una zeigte gut zwei Monate nach dem Therapiestart eine Beule am Oberschenkel, die umgehend entfernt wurde. Die Pathologie stellte einen Mastzelltumor fest. Von dieser Tumorart sind vor allem Boxer, aber auch andere kurzschädelige Hunderassen betroffen. Diese Tumorart ist grundsätzlich maligne (= bösartig) und zeichnet sich durch unberechenbares Wachstum aus. Die Prognose für Una war nun ungleich ­schlechter, da sich in so kurzer Zeit bereits ­wieder ein Tumor entwickelt hatte. Es blieb nun abzuwarten, wie sich der ­weitere Krankheitsverlauf entwickeln sollte. Würde Una kurzfristig wieder weitere Tumore bzw. Rezidive oder ­Metastasen entwickeln?

Nach einem Jahr der Misteltherapie war Una noch tumorfrei, was nicht nur die Tierbesitzer hoch erfreute. Die Therapieintervalle waren in­zwischen auf eine einmalige Injektion pro Woche gesenkt worden. Nach dem zweiten tumorfreien Jahr Mistel­therapie wurde überlegt, ob man nun längere Therapiepausen wagen könnte. Bei dieser Vorgehensweise stellte sich jedoch heraus, dass Una in den Therapiepausen reduziert wirkte und sich zurückzog. Sie überließ anderen Hunden im Rudel die Führung, die sie bis dahin innegehabt hatte. Sobald sie aber wieder „ihre" Mistelinjektionen bekommen hatte, war sie wieder ganz „die Alte". Somit war klar, dass für ­dieses Tier Therapiepausen keinen Sinn machten, und die Injektionen wurden konsequent einmal pro Woche verabreicht.

Una blieb daraufhin für weitere fünf Jahre tumorfrei und war zeitlebens die Chefin des Rudels. Zwölfjährig musste sie schließlich eingeschläfert werden, da sie plötzlich zentral­nervöse Erscheinungen gezeigt hatte (Kopfschiefhaltung und Koordinations­schwierigkeiten). Ob es sich hierbei um ein Vestibularsyndrom oder eventuell um neuerliche Tumore bzw. eine Metastase gehandelt haben könnte, kann nicht mit Sicherheit gesagt ­werden.

Zum Schluss soll noch Una vorgestellt werden, die sozusagen ein Paradebeispiel ist für den Nutzen, den eine Misteltherapie bringen kann. Die Französische Bulldogge wurde fünfjährig an einem Milzknoten operiert, bei dem sich die Pathologen nicht ganz schlüssig waren, um was es sich genau handelte. Da der Knoten aber bösartig erschien, wurde eine Chemotherapie vorgeschlagen, die von den Tierbesitzern jedoch aus verschiedenen Gründen abgelehnt wurde – statt dessen entschieden sie sich für eine Misteltherapie.

Resümee

Die Misteltherapie bietet immer eine Chance auf verbesserte Lebensqua­lität und manchmal sogar die Aussicht auf vollständige Heilung. Alle hier vorgestellten Hunde hatten durch die Misteltherapie trotz ihrer schweren Erkrankungen noch eine längere gute Zeit mit ihren Besitzern ­verbunden mit sehr guter Lebensqualität. Es kann immer eine Chance sein, ­diese ­Therapie bei krebserkrankten ­Tieren ein­zusetzen. Sobald sich aber offensichtlich Leiden bei den schwer erkrankten Tieren zeigt, sollte man nicht zögern, zum Wohle des Tieres rechtzeitig Abschied zu nehmen. Für Ayla und Una kann vermutet werden, dass durch die Misteltherapie die Krankheit weitestgehend überwunden worden war.

Immer mehr wird nicht nur in der hu­man-, sondern auch in der ve­terinär-­medizinischen Onkologie (Krebsthera­pie) eine sehr individuelle Therapie­zusammenstellung für jeden einzelnen Patienten und angepasst an die verschiedenen Tumorarten eingesetzt. Bei diesen sogenannten „Multi Target"-Therapien sollte die Mistel einen festen Platz einnehmen.  

Hintergrund

Misteltherapie – sinnvolle Krebsbehandlung für Mensch und Tier

Auf die Idee des Gründers der ­Anthroposophie – Dr. Rudolf Steiner (1861-1925) – zurückgehend werden Mistelpräparate schon seit über 80 Jahren in der Krebstherapie beim Menschen verwendet. Die Wirksamkeit ist mittlerweile durch entsprechende Forschungsergebnisse belegt, was nicht zuletzt dazu geführt hat, dass die gesetzlichen Krankenver­sicherungsträger die Behandlungskosten übernehmen.

In Kooperation mit dem Verein für Krebsforschung ist eine Gruppe von Tierärzten am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) seit mehr als zehn Jahren damit beschäftigt, die Wirkung und Wirksamkeit der Misteltherapie bei Tieren (v.a. Hund, Katze und Pferd) zu ­erforschen. Es konnten unter bestimmten Bedingungen sowohl Wachstumsstillstand als auch Verlangsamung des Tumorwachstums beobachtet werden. Als Therapieziele eignen sich sowohl Behandlungen von Tumorerkrankungen und der damit einhergehenden Beschwerden als auch ein komplementärer Einsatz – als begleitende Therapie zur ­Bestrahlungs- und Chemotherapie – zur Verringerung der Nebenwir­kungen und Steigerung der Vitalität.
Info: www.viscumvet.org

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