Merkwürdige ­Zusammenhänge – Körperbau, Konstitution und Verhalten

Eine Reihe von auf den ersten Blick sehr merk­würdig erscheinenden Zusammenhängen ­zwischen Körperbau, Gestalt und Verhalten verschiedener Hunde­rassen wurden in den letzten ­Jahren durch systematische wissenschaftliche Unter­suchungen teilweise erklärlich. Dabei geht es beispielsweise um den „eingebauten Größenwahn“ mancher Kleinhunde, um übersteigertes aufmerksamkeits­forderndes Verhalten, um die Trainierbarkeit, um die Problem­lösungsfähigkeit und andere Verhaltensaspekte.

Kleine sind anders     
Sehr viele Studien haben sich in den letzten Jahren mit den Zusammenhängen zwischen Körpergröße und Verhalten bei Hunden beschäftigt. In mehreren molekulargenetischen ­Studien wurde nachgewiesen, dass ein pleiotroper Geneffekt (siehe Hintergrund) das Verhalten kleiner Hunde zwangsläufig in bestimmte Richtungen steuert. Verantwortlich für die Wachstumsbremse bei Kleinhunden ist eine bestimmte ­Genvariante des Wachstumsfaktors IGF1. Der Wachstumsfaktor IGF1 hat eine Vielzahl verschiedener Bedeutungen, und diese wurden nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Schafen, Labormäusen und einer ganzen Reihe anderer Tierarten untersucht. Neben medizinischen Zusammenhängen (die gleiche Genvariante des IGF1-Gens, die die Kleinheit von Kleinhunden bewirkt, ist auch z.B. für die erhöhte Anfälligkeit für Bauchspeicheldrüsenentzündungen und Kniescheibenluxationen verantwortlich) interessieren uns hier vor allem die Verhaltensaspekte. So ist das IGF1-Gen nachweislich gekoppelt mit dem Verhaltensmerkmal Kühnheit und Wagemut (man könnte es auch als den „eingebauten Größenwahn“ der Kleinhunde bezeichnen) und höchstwahrscheinlich auch mit dem Persönlichkeitsmerkmal Erregbarkeit.

Eine Untersuchung von ­Goodwin und Mitarbeitern hat gezeigt, dass kleine Hunde mit besonders starkem Kindchenschema auch ein besonders eingeschränktes Kommunikations­verhalten aufweisen. Hier geht es nicht um die vielfach ­weggezüchtete Fähigkeit, Mimik und Schnauzenbewegungen auszuführen, was ohne Schnauze in der Tat ­schwierig ist, sondern die ­genannte Studie bezieht sich auf Körperpositionen, die theoretisch jeder Hund ausführen könnte. Je ­stärker das Kindchenschema bei einer Hunderasse durchschlägt, ­desto weniger Signale in ­diesem Bereich des Dominanz- und Unterwerfungs­verhaltens treten noch auf. Besonders schnell fallen die Signale des Unterwerfungsverhaltens, des submissiven Verhaltens weg. Der Grund dafür ist, dass gerade diese Verhaltensweisen des Konflikt­managements, der Deeskalation und damit der Konfliktregelung erst sehr viel später in der Welpen-Entwicklung auftreten, die offensiv-aggressiven Verhaltensweisen, die beispielsweise auch zum Ausdrücken von Dominanz­ansprüchen verwendet werden, treten bereits sehr viel früher in der Welpen-Entwicklung auf. Die Wachstumsbremse schlägt offensichtlich hier bereits zu, bevor die Welpen die Chance hatten, in ihrer Verhaltens­reifung auch die submissiven Ver­haltensweisen zu entwickeln.

Aufmerksamkeitsforderndes ­Verhalten
Eine Untersuchung aus der Arbeitsgruppe des aus­tralischen Hunde­forschers Paul McGreevy im Jahre 2013 zeigt, dass von einer ganzen Reihe unerwünschter Verhaltensweisen, beispielsweise aufmerksamkeitsforderndes Verhalten, ein negativer Zusammenhang mit Körpergröße (sprich Schulterhöhe und Körper­gewicht) bestand. Je kleiner der Hund, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er solches problematisches Verhalten im Übermaß zeigt. Lediglich der Persönlichkeitsfaktor Trainierbarkeit nahm bei den kleinen Hunden deutlich zu. Auch im Zusammenhang mit dem Körpergewicht standen die ­Ver­haltenseigenschaften Erregbarkeit und Hyperaktivität. Kleine Hunde sind also leichter erregbar und häufiger hyperaktiv. Gerade der Zusammenhang mit der Erregbarkeit wurde ja auch in den molekulargenetischen Untersuchungen bereits an­diskutiert.

Ein Teil der von McGreevy und seiner Arbeitsgruppe gefundenen, bei kleinen Hunden häufiger auftretenden Verhaltensweisen, mag auch überdauerndes Welpenverhalten darstellen. Möglicherweise ist also die Wachstumsbremse auch dafür verantwortlich, dass diese Hunde sich eben wie Welpen besonders aufmerksamkeitsfordernd, trennungsängstlich und allgemein furchtsam zeigen. Möglicherweise sind aber gerade diese Effekte auch besonders stark durch mangelnde Erziehung beeinflusst, denn das Vorurteil, kleine Hunde müsse man nicht erziehen, ist offenbar leider nicht auszurotten.

Im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsfaktor Kühnheit/Wagemut, der ebenfalls bereits angesprochen wurde, zeigen einige molekular­biologische Untersuchungen auch, dass gerade die Hormone des ­Adrenalin-Noradrenalin-Systems, also des Kampf- und Fluchtsystems, durch Genveränderungen bei Kleinhunden beeinflusst sind. Die Bindungsstellen für diese Hormone sind bei Klein­hunden von einem anderen Typ als bei großen Rassen, und auch das kann ein Teil der von ihnen regelmäßig ge­zeigten besonderen Erregbarkeit sein. Kühnheit und Erregbarkeit müssen nicht zusammenfallen, treffen jedoch bei kleinen Hunden oft zusammen.

Schädelform und Schädelbreite – Zusammenhänge mit Sehfähigkeit und Gehirnbau
Eine zweite Gruppe von ebenfalls sehr erstaunlichen Zusammen­hängen besteht zwischen der Kopfform, genauer gesagt, dem Verhältnis von Schädellänge zu Schädelbreite, und verschiedenen Verhaltens­weisen. So wurde bereits vor längerer Zeit untersucht, dass die Fähigkeit, menschliche Zeigegesten und auch menschliche Blickrichtungen zu verstehen und richtig zu interpretieren, bei kurzschnauzigen Hunden anders aus­gebildet ist als bei langschnauzigen. Je länger die Schnauze, desto größer das Problem des Hundes, diese ­menschlichen Zeigegesten und Blickrichtungen sofort intuitiv richtig zu verstehen.

Auch die Trainierbarkeit einer Hunde­rasse hängt deutlich mit der Schädel­gestalt zusammen. Dies wurde in zwei verschiedenen Versuchsansätzen überprüft. Einerseits zeigte die bereits zitierte Arbeit von McGreevy und seiner Arbeitsgruppe, dass Hunde mit längerem Schädel häufiger Jagdverhalten, Furcht vor Fremden, dauerndes Bellen und Futterstehlen beim Menschen zeigen. Viele andere Verhaltensprobleme, wie das Besteigen von Menschen und Objekten, Furcht vor Hunden, Trennungsprobleme, nicht-soziale Furcht, Aggression gegen den Halter, Futter-Betteln und Urinmarkieren dagegen korrelierten mit der zunehmenden Schädelbreite. Das heißt, kurzköpfige Hunde zeigen diese Verhalten häufiger in problematischem Umfang.

Basis für die Untersuchungen der Arbeitsgruppe von McGreevy war eine groß angelegte, anonyme Datenbank, in der viele Menschen ihren Hund mit seinen Verhaltenseigenschaften selbst eintragen konnten. Dies, sowie der an der Monarch University in Australien entwickelte Persönlichkeitstest, waren dann die Grundlage für die von McGreevy und seiner Gruppe regelmäßig verwendeten Statistiken.

Ein anderer Ansatz wurde von ­Wilhelm Helton von der Universität in Christchurch, Neuseeland angegangen. Auch er verglich den Faktor Trainierbarkeit verschiedener Hunderassen mit dem Längen- zu Breitenverhältnis des Schädels. Allerdings bezog er sich nicht auf individuelle Eintragungen von Hundehaltern in große Datenbanken, sondern auf die Einschätzung der Trainierbarkeit von Rassen durch einschlägig aktive Richter bei Obedience-Turnieren, Hundetrainer und andere Spezialisten. Hier wurden also Rassen insgesamt eingeschätzt, durch Expertenmeinungen, und nicht individuelle Hunde durch ihre Halter in die Datenbank eingetragen. Bei ­dieser Vorgehensweise zeigte sich aber ebenfalls, dass Unterschiede in der Trainierbarkeit mit der Schädellänge beziehungsweise dem Längen- und Breitenverhältnis korrelieren.

Besonders hoch trainierbar eingeschätzte Rassen sind solche, die ein moderates, also noch einigermaßen wolfsähnliches Längen-/ Breitenverhältnis aufweisen. Sowohl die ganz besonders schmalschnauzigen, für einseitiges Rennen und ­Jagdverhalten selektierten Rassen, als auch die besonders kurzschnauzigen und breitschädeligen Rassen schnitten hier im Vergleich schlechter ab.

Worauf beruhen diese Zusammenhänge?
Wiederum sind Untersuchungen aus der Arbeitsgruppe von Paul ­McGreevy hier aufschlussreich. Dort konnte nämlich schon im Jahr 2004 gezeigt werden, dass der Bau der Netzhaut, der für die Aufnahme von Lichtreizen empfindlichen Region des Augapfels, bei kurzschnauzigen und langschnauzigen Rassen grundsätzlich unterschiedlich ist. Während langschnauzige Rassen einen breiten Streifen über die gesamte Netzhaut aufweisen, der überall gleich scharfes Sehen ermöglicht, ist bei kurzschnauzigen Rassen die Anatomie des Augenhintergrundes ähnlich der des Menschen. Es gibt auch dort eine unserem menschlichen gelben Fleck vergleichbare Stelle schärfsten Sehens. Dadurch ist es diesen kurzschnauzigen Rassen viel eher möglich, Gegenstände direkt vor der Schnauzenspitze zu fixieren und somit scharf und auch räumlich korrekt zu sehen. Hunde, die langschnauzige Jägertypen sind, dagegen können zwar den ganzen Horizont abscannen und dort sofort selbst im Augenwinkel noch einen sich bewegenden Hasen erkennen, haben aber größere Schwierigkeiten, einen direkt vor der Schnauzenspitze stehenden Gegenstand räumlich exakt einzuordnen. Das kann zweifellos bereits ein Grund für die Problematik der unterschiedlichen Reaktion auf Zeigegesten und Blickkontaktverfolgung sein.

Das ist aber noch nicht alles. Auch die Größenverhältnisse der Hirnregionen stehen eindeutig mit der Schädelform im Zusammenhang. Untersuchungen an Gehirngrößen und an der relativen Größe verschiedener Hirnabschnitte können heute ja auch in vergleichsweise wenig belastender Form an lebenden Hunden durch Magnetresonanz-Bildgebungsverfahren erfolgen. Dabei zeigte sich, dass gerade die für die Verarbeitung optischer Reize verantwortliche Region des ­Mittelhirns, das ist ungefähr genau die Gegend zwischen den Augäpfeln beim Hund, bei lang- und schmalschnauzigen Hunden sehr viel schlechter ausgebildet ist als bei kurz- und breitschnauzigen. Möglicherweise ist also nicht nur der optische Apparat, sondern auch die dahinter stehende „Rechnerkapazität“ bei verschiedenen Schädel­formen unterschiedlich gut ausgebildet.

Diese Region des Mittelhirns hat aber noch ganz andere Verhaltensauswirkungen. So sitzt beispielsweise ein Teil des für die aktive Stressbewältigung verantwortlichen Gehirnabschnitts im Dach des Mittelhirns. Gerade dieses vom Noradrenalinsystem gesteuerte Zentrum wächst im positiven Sinne mit seinen Aufgaben. Labortierversuche haben gezeigt, dass gerade dann, wenn ein Tier besonders häufig durch aktive Problemlösung Schwierigkeiten umgehen und Stress abbauen konnte, auch die Kapazität der Nervenzellen und Nervenfasern in dieser Hirnregion zunimmt. Wenn diese Region jedoch nun, wie es beispielsweise bei kurz- oder langschnauzigen Hunden der Fall ist, ohnehin schon einen unterschiedlichen Bau aufweist, kann dies auch wiederum eine Ursache für unterschiedliches Stressbewältigungsverhalten, unterschiedliche Furchtsamkeit etc. sein.       

Und schließlich sitzt auch das Jagdverhalten zum Teil in seiner ­Steuerung im Bereich des Mittelhirns. Kein Wunder also, dass langschnauzige Hunde ein besonders gut entwickeltes Jagdverhalten zeigen, möglicherweise eben auch deshalb, weil die dafür notwendige „Rechnerkapazität“ anders ausgestaltet ist.

Diese letztgenannten Vermutungen sind noch nicht im Einzelfall durch wissenschaftliche ­Untersuchungen belegbar, sie stellen sozusagen ­anatomisches und biochemisches Reißbrettdenken dar, zeigen jedoch auf, an welchen Stellen die zukünftigen Untersuchungen wohl ansetzen werden.

Skelettrobustheit und Verhalten
Ein ebenfalls von allgemein ­biologischen Gesichtspunkten beeinflusster Zusammenhang besteht zwischen der früheren Rassetätigkeit und der Robustheit von Skelett und Gelenken. Vergleicht man zwei Extrem-Typen, beispielsweise einen Windhund und einen Bullterrier, so findet man in ihrem Skelett jeweils viele biomechanische Gegebenheiten, wie sie auch bei anderen Säugetieren ähnlicher Bewegungsart gefunden werden. Der Windhund entspricht in seinem Skelettbau durchaus einer Gazelle oder einem Rennpferd, der Bullterrier eher einem Nashorn oder Elefanten. In der biologischen Mechanik und Bewegungslehre nennt man die beiden zugrundeliegenden Anpassungstypen Schnelligkeit und Kraftanpassung (englisch „stride“ für Schrittlänge und „strength“ für Kraftanpassung), und diese wirken sich auf das Verhältnis von der Länge zum Durchmesser der Knochen, auf die Länge von Muskelansätzen im Sinne des Hebelgesetzes, und so im Verlauf von Knochenbälkchen und anderen Feinstrukturen in der Feinanatomie der Knochen aus. Die Knochenbälkchen beispielsweise verlaufen immer in Richtung der Hauptbewegungsrichtung, und die sperrholzartige Struktur der einzelnen Schichten, der Lamellen in der Knochenrindensubstanz ist ebenfalls so ausgerichtet, dass die Bruchgefahr entlang der Hauptbelastungsrichtung am geringsten ist.

Von besonderer Wichtigkeit für die Haltung dieser Hunde im heutigen Alltag jedoch ist die Frage der Offenheit oder Bewegungsfähigkeit in den Gelenkgruppen. Die je nach rassebedingten Funktionsanforderungen unterschiedliche Beweglichkeit der großen Gelenke wiederum hat deutliche Auswirkungen auf den Bau und den Verlauf von Muskeln, Bändern und den gesamten Bewegungs- und Halteapparat. Wer seine Gelenke in viele Richtungen drehen und dann auch noch kraftvoll Druck ausüben will, braucht starke Haltemuskeln und kräftiges Bindegewebe. Wer die Beine überwiegend in eine Richtung vor und zurück schlenkert wie bspw. Windhunde, braucht eben auch die Muskulatur nur in dieser Richtung, und der Halteapparat kann entsprechend anders ausfallen.

Umso schlimmer ist es nun gerade für diejenigen Hunderassen, die auf kräftige Bemuskelung und starkes Binde­gewebe angewiesen sind, wenn sie durch Stress und/oder Kastration diesen Halteapparat teilweise einbüßen. Das sogenannte männliche Hormon Testosteron ist eben auch für die Elastizität des Bindegewebes, für dessen Haltbarkeit und für die Ausbildung der Muskeln an den großen Körpergelenken verantwortlich. Kastrierte Rüden haben viel weniger Haltemuskulatur und ein schlafferes Bindegewebe. Das wiederum ist eben gerade bei den Rassen von besonderer Schädlichkeit, die auf starke und belastungsfähige Muskulatur und Bindegewebsapparate angewiesen sind, also beispielsweise die molossoiden Hunde.

Ebenso schädlich wirkt sich ­gerade für diese Hunderassen dann der ­Leinenzwang aus. Die Gelenkflächen sind mit Gelenkknorpel ausgekleidet, und dieser kann nur dann ­vernünftig ernährt werden, wenn er durch regelmäßige Belastung immer wieder schwammartig zusammengepresst und bei der nachfolgenden Entlastung entspannt wird. Nur dann saugt er Nährstoffe aus der umgebenden Gewebsflüssigkeit auf. Der größte Teil des Gelenkknorpels im Hüft- und auch wohl im Schultergelenk dagegen wird nicht allein durch geradlinige gleichförmige Bewegungen ­belastet. Selbst beim Galopp sind mehr als ein Drittel der Gelenkfläche nicht beteiligt. Nur durch unregelmäßige Bewegungen, plötzliche Brems- und Wendemanöver, Springen, den Stopp- and-Go-Betrieb (beispielsweise beim freien Bewegungspiel oder beim Spiel mit Artgenossen) wird die gesamte Gelenkoberfläche in der Hüfte oder auch im Schultergelenk benutzt. Gerade Hunde, die sehr große und offene Gelenkflächen haben, sind also umso mehr auf diese Bewegungen in alle Raumrichtungen angewiesen und leiden besonders stark darunter, wenn sie nur im Schritt oder vielleicht auch im Trab bewegt werden. Und das ist ja das Schicksal der Hunde, die an der Leine geführt werden müssen. Selbst das Ausführen mit dem Fahrrad hilft hier nicht weiter, die reine Geschwindigkeitserhöhung bewirkt keine Vergrößerung der dafür benötigten Gelenkoberfläche. Nicht benutzte Gelenkknorpel dagegen degenerieren, können sich entzünden, absterben und dadurch oftmals die Ursache für Gelenkveränderungen wie Arthritis oder Arthrose sein.

Aus diesen Zusammenhängen ist zwangsläufig zu fordern, dass gerade für diese Hunde mit der besonders großen Gelenksbeweglichkeit, die in besonders vielen Regionen dem ­Leinenzwang unterliegen, dieser in geradezu tierschutzwidriger Weise einen Risikofaktor für Gelenkent­zündungen und andere Erkrankungen bedeutet. Kommt dann noch die, ebenfalls oftmals behördlich geforderte Kastrationspflicht dazu, sind die Risikofaktoren nochmals erhöht.

Fazit
Diese Zusammenstellung nur weniger Befunde zeigt bereits, wie wichtig es wäre, die Zusammenhänge zwischen Körperbau, Verhalten und ­tiergerechter Haltung eines Hundes viel stärker zu berücksichtigen als dies bisher geschieht. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftigen Forschungs­ergebnisse noch mehr als bisher schon die Augen für solche Zusammen­hänge öffnen und dann vielleicht auch im Sinne unserer Hunde zu einem ­besseren Verständnis ihrer biolo­gischen Gegebenheiten und Anforderungen führen.

HINTERGRUND

Zwischen Genen und Erziehung
Zum besseren Verständnis des ­Artikels sind einige Begriffserklärungen er­forderlich.

Ein Teil der hierin zu besprechenden Effekte sind sogenannte pleiotrope Effekte. Das bedeutet, dass ein Gen, genauer, ein Genort auf dem Chromosom, mehrere verschiedene, in ganz verschiedenen Regionen des Körpers angesiedelte Wirkungen entfaltet. Wir werden dies beispielsweise im Zusammenhang mit der Wachstumsbremse bei Kleinhunden kennenlernen.

Ein weiterer Teil dieser Effekte ist einfach nur ein Nebenprodukt einer geänderten Körperform, geänderter Skelettformen und anderer anatomischer Gegebenheiten als Anpassung an bestimmte, früher rassetypische Beschäftigungen und Arbeitsweisen. Dies werden wir gerade im Zusammenhang mit der Kurzschnauzigkeit und den robusten Knochen einiger, früher bspw. im Einsatz gegen Rinder genutzter ­Rassen wiederfinden.

Ein Teil ist schlichtweg Zufall, und ein Teil beruht sicherlich auch auf der unterschiedlichen Erziehung für unterschiedliche Rassen. Wenn Menschen Rassen, die ein besonders starkes Kindchenschema aufweisen, eben besonders stark infantilisieren und ganz anders erziehen als das bei typischen Arbeitshunderassen der Fall ist, dann wird sich das im Laufe der Zeit zweifellos auch auf das rasse­typische Verhaltensprofil auswirken.

Auch die Autoren der im Artikel zitierten Studien geben immer wieder an, dass nicht in jedem Einzelfall schon entschieden werden kann, welche der oben genannten oder vielleicht auch ganz andere Erklärungen für die von ihnen gefundenen statistischen Zusammenhänge im Einzelfall zutreffen. Gerade deshalb aber betonen alle, wie wichtig es sei, mehr über die Zusammenhänge zwischen Körperbau und Verhalten von Hunderassen zu erfahren. Die Rasse­standards müssen eben auch unter diesem Gesichtspunkt viel kritischer beleuchtet werden als dies bisher geschieht.

Im Text zitierte Literatur:

■  Helton, WS: Cephalic index and perceived dog trainability. Behav Proc 82, 355 – 358. 2009

■  Kemp, TJ, KN Bacchus, JA Nairn, DR Carrier: Functional trade-offs in the limb bones of dogs selected for running versus fighting. J Exp Biol 208, 3475 – 3482. 2005

■  McGreevy, P , TD Grassi, AM ­Harman: A strong correlation exists between the distribution of retinal ganglion cells and nose length in the dog. Brain Behav. Evol. 63, 13 – 22. 2004

■  Roberts, T, P McGreevy, M Valenzuela: Human induced rotation and reorganization of the brain of Domestic dogs. PLoS One 5(7), e 11946. 2010

■  Mc Greevy, PD, D Georgevsky, J Carasco, M Valenzuela, DL Duffy, J Serpell: Dog behavior co-varies with height, bodyweight and skull shape. PLoS One, 8(12), e 80 529. 2013

■  Strodtbeck, S, Kleiner Hund ganz groß. Müller Rüschlikon, Stuttgart 2013

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