Mensch und Hund: Erfolgreiche "artüber­greifende Kommunikation"

Von Dr. Barbara Wardeck-Mohr

Erster von zwei Teilen

Wohl jeder von uns weiß aus eigener Erfahrung,
wie schwierig und missverständlich Kommunikation selbst unter uns Menschen sein kann! Selbst da, wo man es überhaupt nicht erwartet, geschehen immer wieder „Kommunikationsunfälle“! Die Kommunikationsexpertin Dr. Barbara Wardeck-Mohr über die artübergreifende Kommunikation zwischen Mensch und Hund, eine Expertise in zwei Teilen.

Im aktuellen Beitrag geht es um die „Artübergreifende Kommunika­tion“ zwischen dem „Homo Sa­piens“ – sprich „Zweibeiner“ –
und unserem Haushund, dem „Canis ­familiaris“. Wohl niemand, der in China, Brasilien oder in der Mongolei seinen diplomatischen Dienst antritt, käme auf die Idee, dies gänzlich ohne jede Sprachkenntnisse der betreffenden Nation zu tun. Erstaunlicherweise tritt dieser Grundsatz aber in vielen Fällen außer Kraft, wenn es um den erfolgreichen, fachlich qualifizierten Dialog mit unseren Hunden geht. “Hündisch“ lernen und sprechen ist für viele ­Menschen leider keine Selbst­verständlichkeit!
Die Ignoranz geht sogar noch weiter: So werden z. B. Vorträge und Seminare mit dem Arbeitstitel: „Wenn Wölfe oder Hunde sprechen könnten“ angeboten! Wird hiermit nicht sogleich unterstellt, dass Hunde und Wölfe kein hochdifferenziertes ­Sprachvermögen, z. B. über ihre Vokalisation oder ihr Ausdrucksverhalten haben? Nach dieser Logik müssten wir dann auch Vorträge anbieten mit dem Arbeitstitel: „Wenn Kyrillisch oder Chinesisch Schriftsprache wäre bzw. wenn Russen und Chinesen schreiben könnten!“
Wir begreifen den Widersinn! Was uns zu der Frage führt: „Unter ­welchen Voraussetzungen treten wir als ­Menschen in den Dialog mit unseren Hunden – und umgekehrt, unsere Hunde mit uns?“

Dieser Frage nachzugehen ist ins­besondere bei der ­„artübergreifenden Kommunikation“ unabdingbar. Dabei spielt auch die Frage eine Rolle: ­„Woran scheitert Kommunikation ­zwischen Mensch und Hund häufig?“
Hat es „nur“ mit mangelhaftem Sprachverstehen“ der anderen Art zu tun, oder spielt hierbei vielleicht auch ein völlig anderes Dominanzverständnis unter  Hunden und Menschen  eine Rolle? Ebenso: „Wie werden Hunde und Wölfe innerhalb ihres Rudels sozialisiert“, und „Wie steht es um das soziale Lernen bei uns Menschen?“

Allerdings, zum Verständnis unserer Hunde  benötigen wir weitere Detailkenntnisse.

Zum Ausdrucksverhalten von Hunden
Die wesentliche Kommunikation bei Hunden verläuft über ihre Körpersprache, das Ausdrucksverhalten, als ihre erste Sprache, dies neben der nicht zu vernachlässigenden Vokali­sation. Die Kommunikation von ­Hunden  und Wölfen ist äußerst ­differenziert und wechselt oft in Bruchteilen von Sekunden. So hat der Wolf z, B. im Schädelbereich auf 11 Ebenen 60 Ausdruckszeichen ­(vergl. Dorit Feddersen-Petersen), die er zu Hunderten von Signaleinheiten – je nach Abfolge – zusammen mit anderen körpersprachlichen Zeichen und der Vokalisation bündeln kann.

Auch wenn unsere Haushunde nicht mehr gänzlich über das Gesamt­repertoire der Wölfe verfügen, so stellt die hochdifferenzierte ­„Sprache“ der Hunde höchste Ansprüche an uns, hinsichtlich Beobachtung und Kommunikation. Dies bedeutet für uns auch: Wir sollten viel stärker mit ihnen über Körper- und Zeichensprache, wie Gestik, Mimik kommunizieren als nur über unsere Stimme. Hunde begreifen sogar, wenn wir selbst Signale aus dem „hundlichen“ Ausdrucksver­halten einsetzen (natürlich mit unseren sehr eingeschränkten Möglichkeiten!) und reagieren darauf prompt!
Aber wie häufig läuft es doch genau um­gekehrt? Mit lautem, oft unge­haltenem Stimmeinsatz wird auf Hunde „eingewirkt“. Was mögen die Hunde in diesen Momenten nur von uns halten? Vielleicht etwa so: „Diese Leute – Zweibeiner – haben weder Sprachkenntnisse noch Manieren, und auch noch pädagogische Defizite!“
 
Von der Übersetzungsleistung von uns Menschen hängt es in hohem Maße ab, ob Hunde uns verstehen können. Für jeden von uns ist nachvollziehbar: Wenn wir uns mit einem Chinesen in dessen Sprache unterhalten wollen, müssen wir zunächst „Chinesisch“ bzw. chinesische Schriftzeichen erlernen.

Wie aber steht es mit unserem Sprach- und ­Übersetzungsvermögen ins „Hundische“? Hier geht es zudem um die Übersetzungsleistung ­zwischen zwei verschiedenen Arten, um das Erreichen eines anderen Lebewesens mit anderer biologischer Ausstattung, mit unterschiedlicher Prägung und Sinnesphysiologie! Und: Selbst wenn Menschen untereinander kommu­nizieren, so haben doch alle indivi­duelle Wahrnehmungskanäle! Wir hören und sehen ­unterschiedlich im Detail. Und was verbinden wir mit einer Aussage, mit einzelnen Infor­mationen? Wie stehen diese zu ­unseren Vorkenntnissen, zu ­unseren Vorerfahrungen, Erwartungen, ­Normen und Werten? Hierdurch erkennen wir, um wie viel genauer wir mit ­unseren Hunden kommunizieren müssen, um schwerwiegende „Übersetzungsfehler“ zu vermeiden. Übersetzungsfehler geschehen ohnehin. Aber unser Einsatz wird sich ganz sicher lohnen. Denn unsere Hunde werden es uns danken, wenn sie sich von uns verstanden fühlen!

Im nächsten WUFF geht es um die Sinnesphysiologie des ­Hundes, um wesentliche Ursachen und Zusammen­hänge für Beiß-Vorfälle und um die Frage „Wie qualifizieren wir uns als Dialogpartner für ­unseren Hund?“ Zudem finden Sie dort auch die An­gaben zu den im Beitrag ­zitierten Quellen.

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