Meier vor Ort – ein Schnüffeljournalist auf Urlaub

Von Sophie Strodtbeck

Urlaub mit vier Hunden? In einem Hotel? Kann das gut gehen?
Dieser Herausforderung hat sich WUFF–Autorin Sophie Strodtbeck gestellt, deren Hunde Herr Meier (der Canis saufratzus), Piccolo (der Canis etepetetus), Günes (der Canis autisticus) und Andra („Ich bin dann mal weg“) den WUFF – Lesern inzwischen bestens bekannt sind. Dass dieses Experiment mit den oben genannten „Studien(fahrt)teilnehmern“ unerwartet harmonisch verlief und einen überraschend positiven Ausgang fand, erfahren Sie in diesem Bericht.

Ich hätte stutzig werden müssen, als mein Freund mich irgendwann auffällig unauffällig fragte, ob unsere Hunde einen aktuell aus­gefüllten Impfpass haben (geimpft sind sie immer, mit dem Eintragen in den Ausweis bin ich nachlässiger), und sich nach dem Leishmaniose-/Babesiose-Risiko in Südtirol erkundigte. Wurde ich aber nicht, sondern kam völlig ahnungslos eines Tages fix und fertig von einer einwöchigen Vortragstour nach Hause, um dort schon wieder von gepackten Koffern und der Aussage „Stell dein Gepäck weg, wir fahren in den Urlaub“ begrüßt zu werden. Urlaub? Und die Hunde?

In den letzten Jahren mit den Vieren ist Urlaub eine Seltenheit geworden – entweder wir machen einfach Urlaub zuhause oder aber wir müssen unsere Ferien langfristig mit einer Freundin koordinieren, die selber drei Hunde, aber im Gegensatz zu uns keinen Garten hat, und die dann bei uns im Urlaub Haus, Garten und insgesamt sieben Hunde hütet. Ich weiß aber, dass diese Freundin zurzeit selber viel unterwegs ist und man niemand anderem mit ruhigem Gewissen meine Monster-Meute zumuten kann. Also nochmal: Urlaub? Und dann sah ich etwas, was mich noch mehr beun­ruhigte: zwei kleine Koffer für uns und daneben einen großen mit allerhand Hundeutensilien. Dazu die Erklärung „wir fahren mit den Hunden für vier Tage ins Hotel nach Südtirol“. Entspannung ade – der Plan konnte ja eigentlich nur in die Hose gehen.

Gemischte Gefühle
Meier, mein Beaglerüde, hingegen fand den Plan toll und stand schon in den Startlöchern, für den ­typischen deutschen Touristen fehlten ihm eigentlich nur noch die Sandalen über den naturgegebenen weißen ­Söckchen und gegebenenfalls die Kamera um den Hals. Piccolo saß im gepackten Koffer und weigerte sich, diesen nochmal zu verlassen, aus Angst man könnte ihn vergessen. Andra kennt Urlaub schon aus den „nur-zwei-Hunde-Zeiten“ und Günes, das Dönertier und alles andere als eine begeisterte Motorsportlerin, fing bereits das Sabbern an, weil Urlaub ja Autofahren bedeutet.

Egal, nichts wie los! Nach einer langen Fahrt durch den Platzregen kamen wir mitten in der Nacht in Südtirol im Hundehotel an – ich mit leichten Bauchschmerzen, weil auch ein Hunde­hotel ein Hotel ist und ich mir einen entspannten Urlaub in einem solchen mit der Meute nur schwer vorstellen konnte. Aber man war offenbar sogar auf Beagles, die ja eher den Individualtourismus favorisieren, eingestellt, denn die erste Amtshandlung waren Plaketten fürs Halsband mit der Telefonnummer des Hotels. Um dem Vorwurf der Diskriminierung zu ent­gehen, bekamen auch Günes und Piccolo, die im Leben nicht auf die Idee kommen würden, stiften zu gehen, ordnungsgemäß ihre Plakette ans Halsband. Die Beagle-Urlauber-Fraktion war aber offenbar der Meinung, dass es sich dabei um eine all-inclusive-Plakette handelt, und fanden sich nach kurzer Suche interessiert an der Tür zur Küche wieder, mit dem Koch sollte man sich ja schließlich gut stellen.

Die nächste Hürde war der Aufzug in den dritten Stock – ein recht kleines Exemplar, um es nett zu umschreiben. Zumindest für zwei Menschen und vier (na ja, Piccolo zählt nicht wirklich, also  3 1/4) Hunde. Aber, oh ­Wunder, auch der Canis hystericus hatte ­keinerlei Probleme damit und nutzte dieses Angebot für Senioren gerne und stapfte ab da jedes Mal wacker hinein. Vielleicht war es die Urlaubsstimmung, denn eigentlich hätte ich alles verwettet, dass man sie da auch unter Androhung von lebenslangem Dönerentzug nicht hinein bekommt.

Wir fallen sogar in einem ­Hundehotel auf
Am nächsten Tag bestätigten sich erst mal meine Befürchtungen, dass man mit vier Hunden sogar in einem Hundehotel auffällt. Auf dem Weg zur ersten Pinkelrunde wurde ich ­nämlich noch im Hotel gefragt, ob ich die Dogwalkerin sei und ob ich den Pudel der alten Dame nicht gleich mit­nehmen könnte. Na ja, man gewöhnt sich mit der Zeit an alles. Vielleicht hätte ich mir damit den Urlaub finanzieren ­können?

Das erste Frühstück auf der Terrasse verlief dann überraschend entspannt, die Beagles hatten bis dahin offenbar kapiert, dass die Adressmarke doch kein all-inclusive-Halsband darstellt.
Terror gab es immer nur aus der Ecke hinten links, wo die Westie-Fraktion frühstückte, die kein Interesse daran hatte, das ihnen angehängte ­Klischee zu widerlegen und jedes Mal, wenn jemand bzw. jehund „ihrem Tisch“ zu nahe kam, in wütendes ­Gekläffe verfiel. Sie hatten bald bei den ­übrigen Hotelgästen den Namen „die Hells-Angels-Gruppe“ weg, und man machte um den Tisch der Rocker hinten links sicherheitshalber einen Bogen. Damit kann man auch im Urlaub leben. Dafür störte sich auch niemand daran, dass Herr Meier seine Auserkorene täglich mit freudigem Wiedersehensgeheul in höchsten Tönen begrüßte. Überhaupt war alles überraschend entspannt: besagte Oma mit Pudel hatte kein Problem mit der Analkontrolle des Labradors, wenn beim Schütteln von Berner Sennenhündin Edda das unmittelbare Umfeld eingeschlonzt wurde, fand man das lustig, und auch der Jack Russell, der an wirklich jedes Stuhlbein markierte, erregte kein besonderes Aufsehen. Sogar der kleine Shiba Inu, der beim Anblick von Artgenossen (im Hotel also ständig!) zur wilden Furie ­mutierte, wurde nur milde belächelt, und ich bin mir sicher, dass jeder bei sich dachte „eigentlich ist mein Hund ja gar nicht so schlimm“. Und meine natürlich sowieso nicht 😉

Im Urlaub jedem das Seine!
Für Günes, das Dönertier, war es ein Ausflug in die Vergangenheit. Sie konnte den ganzen Tag auf der Hotelterrasse herumstreunen und sich hinter irgendwelchen Blumentöpfen in der Sonne zusammenrollen. Wir hatten ihr einmal das Halsband abgemacht, und daraufhin wurde sie tatsächlich für einen Streuner ge­halten und mit Futter angelockt. Bei der Figur, dem struppigen Fell und der nach wie vor vorhandenen Skepsis und Unsicherheit auch nicht weiter verwunderlich. Sie ließ sich natürlich nicht anlocken.

Bei der gemeinsamen Hundewanderung mit den anderen zwei- und ­vierbeinigen Hotelgästen zeigte sie deutlich, dass sie von derartigen Animationsprogrammen nichts hält, und lief in typischer Canis autisticus-Manier die gewohnten 100 Meter hinterher. Aber sie hat bis zum Schluss tapfer durchgehalten. Die Beagles hingegen fanden die Animation toll und waren offenbar der Meinung, dass das Reh auch zum Programm gehört. Zum Glück konnte ich sie noch rechtzeitig vom Gegenteil über­zeugen, bevor sie ihren Ruf als die ersten „Offline-Beagles“ (Begriff für Beagles ohne Leine), die das Hotel erlebt hat, verspielen konnten.

Meier hatte es schon am ersten Tag geschafft, den seiner Meinung nach verdienten Star-Status zu erreichen. Wo immer er auftauchte, hörte man ein „da ist der Herr Meier“ raunen, er wurde freudig begrüßt und genoss sichtlich das Bad in der Menge. Unglaublich, was dieser Beagle jedes Mal für einen Erfolg hat, wenn er seinen unwiderstehlichen Augenaufschlag zeigt, seine Stirn in Denker­falten legt und seinen Charme sprühen lässt. Da habe ich gar keine Chance, denn alles, was er tut, ist irgendwie selbstbelohnend für solch einen Selbstdarsteller wie Herrn Meier. Vermutlich hätte er das Frühstücksbuffet abräumen können und alle Anwesenden hätten das wahrscheinlich noch „süß“ gefunden. Und ich bin sofort die Böse, wenn ich ihm Grenzen aufzeige, denn außer mir muss sich ja auch niemand täglich mit ihm rumschlagen.

Andra schaffte es einmal sich auf leisen Sohlen davon zu stehlen und fand sich nach kurzer Suche er­wartungsgemäß vor einem Metzger­laden mit Tiroler Speck wieder. Es wundert mich immer wieder, wie ein solcher Wonneproppen, ­kräftig gebaut, aber nicht dick (!), dafür ­normalerweise ein ziemlicher Trampel, es auf einmal schafft, auf leisen ­Sohlen grazil zwei Zentimeter über dem Boden lautlos davon zu schweben. Sie wollte wohl kulinarische Mitbringsel für zuhause besorgen …

Und Piccolo, der natural born Schoßhund, fand immer wieder einen fremden Schoß, auf dem er thronen durfte, und überzeugte trotzdem den Rest der Hundemenschen davon, dass auch ein kleiner Hund ein Hund ist, indem er sich einfach zu einem Training, das wegen Regens auf der Terrasse stattfand, dazugesellte und seine ­gesamten Tricks eigenständig vor der Menge zeigte, als er den ­Klicker der Trainerin hörte. Ich war etwas erstaunt, als ich dort nur mal schauen wollte, warum die Leute alle lachten und applaudierten und dann fest­stellte, dass mein Bonsai vorne „Hände hoch“ mit anschließendem „Peng!“ in Perfektion zeigte, um danach einen Purzelbaum nach dem anderen zu schlagen. Die alte Rampensau! Meier schaute sich das angewidert an und dachte wohl, dass Streber nach der Schule ­ver­prügelt gehören.

Entspannung ade?
Am dritten Tag war es dann schlagartig vorbei mit der Entspannung – zumindest für Teile unserer ­kleinen Reisegruppe. Andra erspähte bereits oben vom Balkon aus einen Schäfer­hund. Feindbild Nummer eins! Verständlich, nachdem sie unverträglichen Vertretern dieser Rasse vier mehrtägige Tierarzt-Sessions zu verdanken hatte, was für einen ehemaligen Laborbeagle die absolute Hölle ist, für die Nerven des dazugehörigen Frauchens auch. Aber das nur am Rande. Jedenfalls fährt sie seither die Angriff-ist-die-beste-Verteidigung-Taktik und stakselte nach Sichtung des vermeintlichen Feindes unten zur Türe hinaus, um draußen festzustellen, dass es immer noch schlimmer kommen kann: „Buy one, get one free!“ war das Motto, denn in der Zwischenzeit war auch Schäferhund Nummer zwei angereist. Positiv denken! Also nutzten wir die zwei sehr geduldigen Rassevertreter zu Übungszwecken und immerhin mit diesen beiden klappte es dann nach kurzer Zeit auch recht gut, zumindest war das Essen an benachbarten Tischen problemlos möglich. Wann hat man auch schon mal die Möglichkeit, gleich zwei Übungsopfer den ganzen Tag um sich herum zu haben?

Klischees? Nein, lustige Realität!
Sehr amüsant fand ich persönlich übrigens das Beobachten der verschiedenen Mensch-Hund-Gespanne. Klischees sind etwas Schönes, wenn sie zur Realität mutieren, umso mehr. Da war z.B. das Border Collie-Frauchen, das nur in der Jack Wolfskin-Komplett­ausstattung anzutreffen war. Pfoten, so weit das Auge reicht. Angefangen bei der Outdoor-Hose, die Hundeplätzen in allen Wetterlagen trotzt, über die Fleece-Jacke bis hin zur Profi-Leckerchen-Dummy-Spielzeug-und-sonst-noch-was-Gürteltasche, in der man problemlos die gesamte Ausstattung meiner vier Hunde inklusive Piccolo himself hätte unterbringen können. Meier meinte offenbar ein gutes Werk zu vollbringen, indem er mit seinen Matschepfoten noch ein paar persönliche Pfotenabdrücke auf der Hose hinterließ – was ob des unerzogenen Beagle-Saufratzes nur mitleidvolle Blicke seitens des Border-Collie-Frauchens zur Folge hatte.

Sehr lustig auch das Weimaraner-Frauchen im perfekten Outfit mit teuren Hunter-Gummistiefeln und Wachsjacke in Kombination mit ­karierter Bluse und Seidenhalstuch. Das Lustigste daran war aber, dass ich mich zwei Tage später wunderte, dass ich mich vertan hatte und die ­Weimaraner-Hündin ein Weimaraner-Rüde ist, bis mein Freund mich ­darüber aufklärte, dass Frau Weimaraner-Hündin  vor zwei Tagen abgereist war und eine andere Person ist als das Weimaraner-Rüde-Frauchen. Das Outfit und das Frauchen waren für mich und mein schlechtes Gesichter­gedächtnis absolut identisch.

Dann gab es natürlich die älteren Ehepaare (Kinder aus dem Haus?), die zur Westie-Rocker-Fraktion gehörten, und die nette Familie von nebenan mit der Berner Sennenhündin. Nicht zu vergessen der nette Herr mittleren Alters, der mich sehr an einen der Juroren von Germany’s next Top­model erinnerte, und der mit Mutter und Großpudel den Urlaub verbrachte.

Aus dieser Reihe von lebenden ­Klischees möchte ich mich natürlich nicht rausnehmen, rätsele aber noch, welchem meiner vier sehr unterschiedlichen Hunde ich wohl am ehesten zuzuordnen bin. Wenn ich nach der mir von Herrn Mosser, WUFF-Herausgeber , attestierten „typischen Strodtbeck’schen ­Schnauze“ gehe, wohl am ehesten dem Herrn Meier. Nur dass Denkerfalten auf meiner Stirn niemand charmant findet … ­Apropos Herr Meier: nachdem er beim Checkout aus dem Hotel per Urkunde (wie die drei anderen auch) „hervorragendes Betragen“ bescheinigt bekam, muss ich jetzt aufpassen, dass er dieses Blatt Papier nie zu Gesicht bekommt, denn er würde sicherlich noch ein bisschen größenwahnsin­niger werden! Und Piccolo, der Streber, würde sich diese „Eins Plus mit ­Sternchen“ wahrscheinlich für jeden sichtbar an sein Körbchen tackern.

Gerne wieder!
Das Tollste an der ganzen Sache: Trotz der 26 anwesenden Hunde (inklusive der zwei Schäferhunde und meiner vier, äh drei-einviertel Monster) samt dazugehöriger Klischees war es ein durch und durch harmonischer Aufenthalt für die Menschen und die Hunde. Hundehaltung und die damit leider oft verbundenen Probleme in der Öffentlichkeit verbinden. Die Feinde deines Feindes sind deine Freunde. Unter „Hundlern“ sieht man sich vieles nach und erwartet auch von den Hunden der anderen kein Knigge-Verhalten. Wenn mal einer bellt, dann tut er es halt. Wenn Meier unterm Tisch rülpst oder Andra in der Früh quer über die Terrasse und durch die Frühstücker hindurch mit Spurlaut die frische Fährte eines Regenwurms verfolgt, dann ist das lustig. Und wenn das Dönertier umständlich autistisch im Weg herumsteht, auch. Und Piccolo öffnet offenbar sowieso Herzen – die Beagles hingegen nur Türen, aber das ist ein anderes Thema … Unser Fazit: Gerne jederzeit wieder!

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