Medizinische Sensation:

Von Dr. Hans Mosser

Allergien haben in den letzten Jahrzehnten, vor allem in der industrialisierten Welt, stark zugenommen. Es gibt viele wissenschaftliche Studien, die sich mit den Beziehungen zwischen verschiedenen Umweltexpositionen vor allem in früher Kindheit und dem Risiko einer allergischen Sensibilisierung im späteren Alter befassen. Diese Studien basieren auf der Annahme, dass die individuelle genetisch determinierte Allergieneigung eines Menschen durch eine frühzeitige Exposition gegenüber möglichen Allergieauslösern (Allergene) aktiviert bzw. gefördert wird. Das bedeutet, dass man annehmen könnte, dass die Exposition gegenüber Hundehaaren im Kindesalter eine spätere Allergie gegen Hunde begünstigen würde. Das Sensationelle an der neuen Studie ist nun, wie der Kinderarzt Professor Dr. Dennis Ownby von der medizinischen Fakultät der University of Georgia WUFF gegenüber sagt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Die Exposition von Kindern im ersten Lebensjahr gegenüber Hunden senkt nämlich in Wirklichkeit das Risiko späterer Allergien, und zwar nicht nur gegenüber Hunden, sondern auch gegenüber anderen Allergieauslösern, wie Gräser, Pollen und Milben.

Aufbau der Studie

In einer großen Allergiestudie, die vor 7 Jahren begonnen hat, wurden in einer vergleichbaren Population (Vororte von Detroit) von 474 Kindern von Geburt an bis zum derzeit 7. Lebensjahr die multiplen Beziehungen zwischen frühen Umweltexpositionen und allergischer Sensibilisierung bzw. späterer Entwicklung von Allergien untersucht. Die entsprechenden Variablen der Studie siehe Tabelle 1 (siehe oben). In diesen 7 Jahren wurden die Kinder zudem regelmäßigen Gesundheitsuntersuchungen unterzogen, wie beispielsweise Lungenfunktionstests und Blutuntersuchungen, sowie speziellen Tests gegenüber Allergien auf Hunde- und Katzenhaare, Gräser, Pollen und Hausstaubmilben.

Sensationelle Ergebnisse

In den 7 Jahren dieser Studie wurden 184 Kinder, die – zumindest im ersten Lebensjahr – mit einem Hund im Haushalt gelebt haben, verglichen mit 220 Kindern ohne Hund. Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tabelle 2 (siehe oben) zusammengefasst. Sie zeigen, dass das Zusammensein mit einem Hund im ersten Lebensjahr eines Kindes das Risiko, später eine Allergie zu entwickeln, reduziert. Beispielsweise hatten die Kinder der Gruppe ohne Hund in 8,6% eine spätere Hundeallergie, während dies bei Kindern mit einem Hund in nur mehr der Hälfte, nämlich 4,1% der Fall war und – ganz interessant – bei Kindern mit 2 Hunden überhaupt keine Allergieneigung bestand. Diese herabgesetzte Allergieneigung betraf aber nicht nur Hunde, sondern auch Allergien gegenüber Pollen und Gräsern, wo die hundelose Gruppe in 30,1% allergisch war, die „ein-hundlichen“ Kinder in nur 20,4% und die „zwei-hundlichen“ in nur 2,8%. Auch gegen Hausstaubmilben reduzierte sich die Allergieneigung von 27,3% bei den Hundelosen auf 25% bei Kindern mit einem und sagenhafte 5,6% mit zwei Hunden.

Dass also das Zusammenleben mit Hunden im frühen Kindesalter nicht nur die spätere Allergieneigung gegenüber Hunden, sondern auch gegenüber Katzen, sowie Gräser, Pollen und Hausstaubmilben senkt, ist eine wirkliche medizinische Sensation. Und dieser „allergieprotektive“ Effekt ist noch sehr viel wirksamer, wenn das Kind mit zwei oder mehr Hunden aufgewachsen ist.

Warum wirken Hunde allergieprotektiv?

Prof. Ownby erläutert WUFF gegenüber, dass die Ergebnisse sich durch so genannte Endotoxine erklären lassen, die im Speichel von Hunden vorkommen. Diese Endotoxine bewirken eine Umstimmung im Immunsystem des Kindes, das mit dem Hund im selben Haushalt lebt. Diese immunologische Umstimmung (durch sog. T1-Helferzellen) bewirkt eine reduzierte allergische Sensibilisierung bei Exposition gegenüber verschiedenen Allergieauslösern, seien es nun Hunde- oder Katzenallergene, aber interessanterweise eben auch gegenüber Pollen oder Hausstaubmilben.Zusammenfassend lässt sich also sagen: Wenn Kinder im ersten Lebensjahr mit einem Hund im Haushalt leben, haben sie später eine statistisch signifikant niedrigere Prävalenz, eine Allergie gegen zahlreiche Allergieauslöser zu entwickeln.

>>> TABELLE 1

Untersuchte Variablen

Analysiert wurden multiple Beziehungen zwischen frühen Umweltexpositionen und späterer Entwicklung von Allergien. Um den speziellen Einfluss der Hundehaltung zu beweisen, mussten natürlich verschiedenste weitere Variablen mit berücksichtigt und ausgewertet werden.

Allergie der ElternRaucheranamnese der ElternMessung der für Allergien „zuständigen“ Eiweißantikörper (Immunglobuline)Staubmilben-Konzentration im Schlafzimmer des KindesExposition gegenüber Hunden und/oder Katzen

 

>>> TABELLE 2

 

Die Ergebnisse

Das frühzeitige Zusammenleben mit einem Hund hat einen deutlich „allergieprotektiven“ Effekt auf den Menschen, der sich auch auf eine verminderte Allergieneigung gegenüber anderen Allergieauslösern, wie Katzen, Pollen, Gräser und Hausstaubmilben erstreckt. Dieser Effekt ist noch deutlich größer bei zwei und mehr Hunden. Weitere Erklärungen zu den Ergebnissen siehe Haupttext des Artikels.

Allergietest („Prick test“) reaktiv auf: Kein Hund 1 Hund 2 oder

mehr Hunde

Hunde

8,6%

4,1%

0%

Katzen

15,5%

10,8%

2,8%

Gräser, Pollen

30,1%

20,4%

7,4%

Hausstaubmilben

27,3%

25,0%

5,6%

>>> WUFF – INFORMATION

 

Eigentlich ist der Ausdruck „Tierhaarallergie“ nicht ganz korrekt, da der Körper nicht auf die Haare des Tieres allergisch reagiert, sondern auf Eiweißstoffe in den Hautschuppen oder im Speichel des Tieres. Insoferne ist also auch die Aussage von sog. „Nackthund“-Züchtern, die vielerorts bereits als Qualzucht angesehen werden, da die fehlenden Haare genetisch meist mit fehlenden Zähnen vergesellschaftet sind, nicht korrekt. Es sind eben nicht die Haare, auf die ein Allergiker reagiert. Diese Eiweißstoffe werden auch mit dem Hausstaub übertragen, gelangen auf die Schleimhäute des Menschen (Nasen-Rachenraum) bzw. werden eingeatmet und können bei entsprechend disponierten Menschen die Allergie auslösen (Schnupfen, Asthma, Bindehautentzündung). Am häufigsten sind Allergien gegen Katzen und Meerschweinchen, sowie andere Nagetiere. Allergien gegen Hunde kommen seltener vor. Tierallergie ist nicht gleich Tierallergie! Von großem Interesse sind nämlich die Unterschiede der Allergien gegen Katzen und gegen Hunde.

Hundeallergie

Interessanterweise sind Allergien gegen Hunde oft rassespezifisch, d.h. dass ein Mensch nur gegen Eiweißstoffe einer bestimmten Hunderasse allergisch reagiert. Tritt plötzlich eine Allergie auf, wird daher zumeist nur der eigene Hund als mögliche Ursache im Allergielabor getestet. Die Allergie tritt außerdem nur bei direktem Kontakt mit dem Tier auf.

Katzenallergie

Der Allergie auslösende Eiweißstoff bei der Katze wird überwiegend durch Speichel und Tränenflüssigkeit abgegeben. Die damit naturgemäß kontaminierte Raumluft bzw. der in ihr enthaltene Feinstaub überträgt dann das Allergen auf den Menschen. D.h. im Gegensatz zum Hund ist bei der Katzenallergie ein direkter Kontakt mit der Katze gar nicht nötig. Oft bleibt der Feinstaub über Wochen und Monate in der Luft und kann auch in Zimmern Allergien verursachen, in welchen die Katze niemals gewesen ist.

Allergienachweis

Die Diagnose der Allergie wird anhand der Symptome gestellt, die ein Patient schildert, wobei auch die Beantwortung der Frage, wo und wann diese Symptome erstmals aufgetreten sind, sehr wichtig ist. Anhand von Hauttests („Prick-Test“) und dem Nachweis von entsprechenden Antikörpern bei einer Blutuntersuchung wird die Verdachtsdiagnose gestellt. Ein „Provokationstest“ sichert meist die Diagnose: Dabei wird – nur unter ärztlicher Kontrolle (!) – der verdächtige Stoff in die Schleimhaut der Nase oder der Bronchien, oder in die Bindehaut des Auges aufgebracht. Eine entsprechende Reaktion bestätigt dann den Verdacht. Hinzuweisen ist, dass derartige Tests auf alle Fälle nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen dürfen, da – wenngleich nur selten – unter Umständen auch sehr heftige Reaktionen auftreten können, die eine sofortige ärztliche Intervention nötig machen. Zuständig für solche Allergietests sind ein Hautarzt oder entsprechende Allergielabors.

Therapie

Die meist empfohlene Maßnahme ist die Allergiekarenz, d.h. die Trennung vom Hund. Da aber – wie schon gesagt – das Allergiepotenzial des Hundes sehr viel schwächer ist als das von Katzen und anderen Haustieren, lohnt es sich häufig, vorher andere Maßnahmen zu probieren, die dann die Trennung von Ihrem Vierbeiner erst gar nicht nötig machen. Solche Maßnahmen sind vor allem Händewaschen nach jedem Streichelkontakt, regelmäßiges Kämmen des Tieres und das Abwischen des Fells mit einem feuchten Tuch, weiters häufiges Reinigen der Wohnung, v.a. auch feuchtes Abwischen von Fußböden, Möbel etc., sowie häufiges Staubsaugen. Wenn dann Ihr Vierbeiner nach einem schönen langen Leben bei Ihnen über die Regenbogenbrücke in den Hundehimmel geht, ist es zu empfehlen, sich nach einer anderen Hunderasse umzuschauen und am besten sich auf diese geplante Hunderasse dann auch in einem Allergielabor testen zu lassen. Eine Hundeallergie ist also in sehr vielen Fällen bei gutem Willen kein Grund, sich von seinem Hund zu trennen. Dass dieser Grund häufig zum Vorwand genommen wird, sich eines lästig gewordenen Tieres zu entledigen, ist eine andere Geschichte …

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