Leinenführigkeit – Kein Ziehen an der langen Leine mehr

Von Yvonne Adler

Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und  Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe möchte eine WUFF-Leserin ­wissen, wie sie ihrem jagdlich orientierten Hund das Ziehen an einer 10-Meter-Leine abgewöhnen kann.

Hallo Frau Adler!
Ich bin mit meinem Hund Findus (Rasse Hovawart, 2 Jahre alt) schon bei einigen Trainings gewesen. Eigentlich habe ich mich für diese Rasse entschieden, weil mir gesagt wurde, dass diese Hunde nicht jagen. Doch leider ist es bei uns anders: Findus ist nur noch auf der Suche nach Wild & Wildfährten, die er verfolgen kann. Nun folge ich schon dem Rat eines Trainers und führe ihn ausschließlich an einer 10-Meter-Leine spazieren, so dass er mir nicht auskommen kann. Leider ist er aber mit seinen über 40 kg so stark, dass er mich als Frau leicht umreißt.
Gibt es hier vielleicht einen Rat, dass er sich innerhalb des Leinenradius
bewegt?
Liebe Grüße. Frau Erber

Antwort von Yvonne Adler:

Liebe Frau Erber!
Ich finde es immer wieder spannend zu hören, dass bestimmte Rassen angeblich keine Jagdmotivation haben. Jede Hunderasse und jedes Individuum hat angeborene jagdliche Verhaltensweisen, welche im entsprechenden Zeitfenster der Entwicklung abgerufen werden können. Zudem kommt hinzu, dass es natürlich in verschiedensten Rassen (einzelne) mehr oder weniger jagdlich ambitionierte Hunde gibt. Es kommt jedoch nicht nur die ange­borene Komponente zum Tragen, sondern auch, ob der Hund das Verhalten erlernt hat. So kann zum Beispiel ein am Wild desinteressierter Hund durch Nachahmung von Artgenossen lernen.
Eine der größten Problemstellungen für ein Antijagdtraining ist am Jagdverhalten die selbstbelohnende Komponente. D.h. sobald der Hund zu hetzen beginnt, werden u.a. Endorphine im Körper ausgeschüttet und der Hund bekommt so bereits seine Bestätigung.

Daraus resultiert, dass ein gutes, erfolgreiches und strukturiertes Antijagdtraining aus mehreren aufeinander aufbauenden Faktoren und Übungen besteht, um nachhaltigen Erfolg bringen zu können. Die Sicherung durch die Leine ist zwar als erste Managementmaßnahme ein gutes Mittel, um den Hund zu sichern und ihm dabei die nötige Bewegung zu geben, wird aber langfristig als einziges Mittel das Jagd-Problem nicht lösen.

Zur Leinenführigkeit an der langen Leine: Die lange Leine sollte an einem gut sitzenden Brustgeschirr befestigt werden, sodass sich der Hund nicht verletzen kann, wenn sich die Leine unbeabsichtigt bspw. um einen Baum wickelt. Wichtig ist, dass Sie die Leine immer in der Hand haben, also nicht von Findus nachziehen lassen. Hunde lernen nämlich sehr schnell, ob sie gehalten werden (weniger Widerstand) oder ob sie die Leine nur nachziehen. Um nun zu erreichen, dass Findus an lockerer Leine läuft, muss dies mit positiven Assoziationen verknüpft werden.

Leinentraining
Damit sind wir gleich beim Training: Findus soll sich also im 10-Meter-­Radius der Leine entspannt bewegen und keinesfalls ziehen. Dabei sollte er aber während des Spaziergangs eigentlich auch keine Jagdambitionen zeigen – ein Punkt, wo Antijagdtraining notwendig wird. Dazu müssen Sie beginnen, den Spaziergang mit Ihrem Hund kommunikativer zu gestalten!
Zu Beginn ist es wichtig, eine ablenkungsarme Umgebung fürs Training zu wählen – das kann ruhig auch der eigene Garten sein. Außerdem sollten Sie sich mit ausreichend guten Leckerchen ausstatten. Sie trainieren nun Findus ein Kommando an, das ihm sagen soll, dass er locker an der Leine gehen soll. Welches Kommando Sie dazu wählen, können Sie frei wählen, ich schlage zum Beispiel „langsam Leine“, „langsam“, „locker Leine“ oder nur „Leine“ vor.

Kommandoaufbau
Der Kommandoaufbau funktioniert so: Ihr Hund geht entspannt mit Ihnen den Garten entlang und Sie achten darauf, die ­Leine locker bis schlaff in der Hand zu halten (Sie haben ja einen angenehmen Spielraum von ca. 10 Metern). Immer, wenn die Leine locker ist, loben Sie Ihren Hund (z.B.: „fein“) und sagen dazu „langsam Leine“. Wenn Findus dies gut macht, soll er zwischendurch auch ein Leckerchen bekommen.

Darüber hinaus sind Sie selbst ein entscheidender Faktor. Auch Sie dürfen nicht an der Leine ziehen! Also selbst wenn Sie es eilig haben und Findus stehen bleibt, sollten Sie mit einem Hör­zeichen wie „komm weiter“ arbeiten und den Hund mit Ihrer Körperhaltung und einer einladenden Handbewegung zum Weitergehen auffordern (auch dazu können im Trainingszeitraum Leckerchen gegeben werden).

Ein weiterer wichtiger Faktor des Trainings ist, dass Sie jedes selbstständige „Rückorientieren zu Ihnen“ von Findus auf alle Fälle belohnen sollten. Dies kann sich zeigen, indem er den Kopf zu Ihnen dreht, Sie ansieht, sich mit dem kompletten Körper zu Ihnen wendet oder sogar freiwillig zu Ihnen kommt. Daher müssen Sie sehr wachsam sein, um jede dieser Situationen belohnen zu können. So wird Findus motiviert, dies zukünftig öfter zu zeigen. Dadurch lernt ­Findus mehr auf Sie zu achten, statt auf ­andere Dinge in der Umgebung.

Wenn dies gut funktioniert und ­Findus das Kommando verstanden hat, können Sie in eine andere (ruhige & wildarme) Umgebung wechseln. Sollte Ihr Hund durch die Ablenkung gleich das Ende des 10-Meter-Spielraumes erreichen, sollten Sie zusätzlich ein „Ende-Kommando“ antrainieren, das kommt, BEVOR die Leine sich spannt. Auch dieses Kommando können Sie frei wählen, es kann etwas sein wie „Ende“ oder „Vorsicht“. Dies sagen Sie immer, wenn ca. 9 Meter der Leine verbraucht sind. Anfangs wird Findus hier noch in die gespannte Leine gehen und ziehen wollen, dann bleiben Sie einfach stehen. Erst wenn Findus sich zu Ihnen „korrigiert“, gehen Sie mit dem Kommando „langsam Leine“ weiter. Leckerchen und ausgiebiges Lob gibt es nur für das Laufen an lockerer Leine. Findus wird zusätzlich über das „Ende“-Kommando schnell lernen, dass es mehr Sinn macht, sich zurück zu orientieren, da es nach dem Kommando nicht mehr ­weiter geht.

Zusammenfassung
Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass das Leinen-Training aus drei Komponenten besteht:
1. dem Kommando für langsames Gehen an der Leine, 2. der Belohnung jeder selbstständigen Rückorientierung und 3. dem Kommando, wenn die Leine bald aus ist. Nehmen Sie sich für das Training genug Zeit und versuchen Sie dabei entspannt zu bleiben. Denn für einen entspannten Gehorsam des Hundes ist es notwendig, dass auch der Hundehalter nicht unter hohem Stress steht, selbst wenn Sie Wild ­erblicken sollten. Nur so kann der Hund die Hörzeichen mit einem positiven Gefühl ­verbinden.

Zusätzlich sollten Sie in jeden Spazier­gang Dinge einbauen, die Findus auch geistig auslasten. Dies können Leckerli-Suchen oder andere Suchspiele ­(Menschen, Gegenstand) sein.

Ich wünsche Ihnen und Ihrem Hund ein tolles Leinen-Training!
Ihre Yvonne Adler

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