Labrador Retriever – Der Hund, der gefallen will …

Von dogodu-Redaktion

Der Labrador Retriever ­gehört schon seit ­Jahren zu den beliebtesten Hunde­rassen der Welt. Mit ­intensiven ­Recherchen bei Hundeexperten, ­Trainern, Züchtern, Haltern ­sowie durch ein extensives Literatur­studium wird ­versucht abseits gängiger Klischees den Ursachen für die große Popularität ­dieser Rasse auf die Spur zu ­kommen …

Oft ist die Antwort auf die Frage, für wen denn nun eine bestimmte Hunderasse gerade geeignet ist, aufschlussreicher als auf die Frage nach den geeigneten ­Haltern. Und die aufschlussreichste Information über das, was wir von ­Hunden einer bestimmten Rasse und diese von uns erwarten können, finden wir in der Geschichte, im Ursprung einer Rasse. Wer die Entstehung einer Rasse kennt und weiß, wo sie herkommt und für welchen Zweck sie ­gezüchtet wurde, der weiß nämlich bereits das Wichtigste über sie, nämlich ihre prinzipiellen, die sog. „rassetypischen" Eigenschaften und ihre Anforderungen an den Halter.

Ursprung der Rasse
Als „offizielle" Rasse, wie wir sie heute kennen, gibt es den Labrador Retriever seit 1903, als er vom British Kennel Club als Rasse anerkannt wurde. Daher gilt Großbritannien als Mutterland des Labrador Retrievers. Dennoch – der Labrador stammt ursprünglich nicht aus Großbritannien, sondern aus Neufundland-Labrador an der Ostküste Kanadas. Während Neufundland den Inselteil der Region darstellt – mit einem rauen ­atlantischen Klima –, so ist der nördlich davon gelegene Festlandteil Labrador auch heute noch eine fast ­unberührte Wildnis. Der Name des Labrador ­Retrievers soll nach Ansicht einiger Experten nicht auf das zu Neufundland gehörende Labrador zurückzuführen sein, sondern auf das portugiesische ­„lavradores" bzw. spanische „labradores" (für Arbeiter). Es wird vermutet, dass die Seefahrer aus diesen Ländern diese Hunde möglicherweise mitgebracht hatten, um sie zur Unterstützung ihrer Arbeit einzusetzen. Auch unterstützt die Existenz einer portugiesischen Ortschaft namens Castro Laboreiro, wo es Hunde mit auffallender Ähnlichkeit zu den Labradoren gab, diese Ansicht.

Über Neufundland zurück nach ­Europa
Ursprünglich habe es in Neufundland zwei Arten von Hunden gegeben, wie der Forscher W.E. Cormach berichtet, der 1822 die Region zu Fuß durchquerte. Einerseits einen größeren langhaarigen Typ, aus dem sich der heutige Neufundländer entwickelte, und andererseits einen kompakteren kleineren „Water Dog", den Vorläufer des Labrador ­Retrievers, der damals noch nicht so hieß. ­Diesen Typ bezeichnete ­Colonel Hawker, ein Seemann, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seinem Schiff regelmäßig zwischen England und Neufundland verkehrte, als „St. John´s Dog". St. John’s war damals ein an der Südostküste Neufundlands gelegener wichtiger Fischerei­hafen und ist heute die Hauptstadt der kanadischen Provinz Neufundland-­Labrador. Colonel Hawker war es auch, der Hunde von dort in größerem Maße nach England brachte. Sie seien eindeutig die Vorläufer der heutigen ­Labradore, sagen Rassehistoriker in Bezug auf ein Buch von Colonel Hawker aus dem Jahre 1814 („Instructions to Young ­Sportsmen"), in welchem Hawker diese Hunde so beschrieb: „Der Hund ist in der Regel schwarz und nicht größer als ein Pointer. Er hat feine Knochen, kurzes glattes Haar und ist extrem lebhaft, läuft, springt und ist kämpferisch."

In der Gegend von St. John´s sollen diese Hunde den Fischern geholfen haben, Fangnetze aus dem Meer zu ­apportieren, indem sie die Enden der Netze, an denen Korken befestigt waren, ins Maul nahmen und sie an Land zogen. Außer­dem seien sie auch als Jagdge­hilfen eingesetzt worden, um geschossenes Flugwild aus dem Wasser zu holen. Darauf bezieht sich auch der Begriff ­Retriever, wobei das englische retrieve für zurückholen bzw. in jagdlicher Terminologie für apportieren steht. Ganz offensichtlich ist ein Labrador Retriever also ein Arbeitshund, der den harten (und offensichtlich nass-kalten) Umweltbedingungen an der kanadischen Ostküste trotzen musste und konnte.

„Will to please"
Anzunehmen ist auch, dass die Hunde eine starke Beziehung zu Menschen aufbauen können mussten. Schließlich sollte das, was sie apportierten, dem Menschen gebracht und dort ­abgeliefert werden, anstatt sich mit der Beute aus dem Staub zu machen. Typisch für den Labrador sei daher auch sein „will to please", also sein Wille, dem Menschen zu gefallen, wie es überall in der Labradorliteratur heißt. Natürlich – bei entsprechender Welpenaufzucht ist die Bindungsfähigkeit des Hundes zum Menschen eine allgemein canide Eigenschaft, welche die im Tierreich ungewöhnliche Mensch-Hund-Beziehung erst eigentlich ermöglicht. Doch diese spezielle Neigung, seinem Frauchen oder Herrchen zu Diensten sein zu wollen, sei eine charakteristische Eigenschaft des Labradors, wird einhellig auch von Haltern und Züchtern dieser Rasse berichtet.

Auf dem Weg nach England
Von Colonel Hawker nach England ­gebracht, erregten die jagdlichen Fähigkeiten dieser Hunde bald das Interesse der britischen Aristokratie, die sich ­daher der weiteren Zucht dieser ­Rasse annahm. Der erste und der zweite Earl of Malmesbury setzten Labrador ­Retriever zum Apportieren bei der ­Entenjagd ein. Da in Bezug auf den Namen dieser Rasse damals noch ein gewisses Durcheinander bestand und neben der Bezeichung „St. John’s Water Dog" und Labrador manchmal auch von dem kleineren ­Neufundländer ­gesprochen wurde, legte der Earl of Malmesbury etwa um 1870 die Rasse­bezeichnung fest, wie wir sie heute kennen.

Um 1880 war die Population der ­Labradore in England allerdings wieder sehr reduziert, es gab kaum noch welche. In der britischen Jagdszene dominierte der Flatcoated Retriever die damals aufkommende Treibjagd mit Hinterladern, bei der Helfer das Wild in Richtung der Schützen trieben. Nur die Begeisterung, die der damals 75-jährige dritte Earl of Malmesbury bei der ­Entenjagd mit seinen Labrador Retrievern beim Duke of Buccleuch und dem Earl of Home für seine Hunde wecken konnte, bewahrte die Rasse vor dem endgültigen Aussterben. Der alte Aristo­krat gab den beiden jüngeren einige seiner Hunde, mit denen sie schließlich ein Zuchtprogramm begannen. Über­wiegend schwarze, aber auch gelbe Tiere entsprangen dieser Linie.

Labrador offiziell
Etwa 20 Jahre nach den Bemühungen des dritten Earls of Malmesbury um die Weiterzucht des Labrador Retrievers hatte der alte Aristokrat „posthum" ­Erfolg: Die Rasse wurde 1903 vom British Kennel Club als offizielle Rasse Großbritanniens aufgenommen. Hunde­ausstellungen einerseits und Field Trials (Jagdprüfungen mit frisch geschossenem Wild) andererseits bestimmten die nun folgende „offizielle" Zeit der Rasse. Über lange Zeit wurden die schwarzen Labradore bevorzugt und die gelben und braunen Welpen oft getötet. Allmählich aber fanden gelbe Hunde größeren Anklang, sodass in Großbritannien 1925 sogar ein eigener Klub für den gelben Labrador gegründet wurde, der darauf drängte, einen eigenen gelben Rassestandard einzuführen. Dies verweigerte ihm der Kennel Club jedoch, sodass die unterschiedlichen Farben weiterhin als Varianten derselben Rasse miteinander verpaart werden dürfen.

Während auf den ab 1875 durchgeführten Field Trials stets die Flatcoated und Curly Coated Retriever dominierten, ­änderte sich das ab 1906, als mit ­„Munden Single" der erste Labrador Retriever auftauchte. Ab dieser Zeit begannen Hunde dieser Rasse die Field Trials zu beherrschen, was bis heute der Fall ist.

Zwei Zuchtlinien: Arbeit und Show
Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Popularität der Rasse sprunghaft an, die mittlerweile zu den am weitesten verbreiteten Rassen der Welt gehört. Seit damals entwickelten sich auch zwei grundsätzliche Linien in der Zucht. Einerseits die sog. „Show-­Linie", bei der es mehr um das äußere Erscheinungsbild geht, wie es auf Hunde­schauen bzw. Hundeausstellungen präsentiert wird, und andererseits die Arbeits- oder „Field Trial"-Linie. ­Während die einen in der Zucht die Hunde auf Arbeitsleistung, Arbeits­willen und Temperament, in ­erster Linie also für den jagdlichen ­Einsatz selektierten, ging es den anderen darum, ein „imposantes" äußeres Erscheinungsbild zu erreichen. ­Labradore aus Field Trial Linien sind leichter gebaut, wendiger und beweg­licher als ihre Show-Brüder. Außerdem seien sie stärker auf den Hundeführer bezogen und würden sich weniger für andere Menschen interessieren, heißt es.

Die beiden Linien haben sich nach Ansicht vieler Experten bereits zu sehr auseinander entwickelt, als dass ein Labrador Retriever heute noch die ­Anforderungen beider Zuchtlinien erfüllen könnte – was früher einmal noch möglich war. Da konnte ein Hund an ­einem Tag noch Bester bei der ­jagdlichen Prüfung werden und am nächsten Tag auf dem Siegerpodest einer Hundeausstellung stehen. „Dual Purpose" nannte man solche ­Labradore. Dennoch – der Labrador Retriever wird heute von der überwiegenden Zahl seiner Besitzer nicht jagdlich geführt. Es können daher nicht seine jagdlichen ­Eigenschaften sein, die seine große Popularität begründen. Egal ob als Filmheld wie in dem Disney-Streifen „Old Yeller" (Regie: Robert Stevenson), in dem ein kleiner Junge gemeinsam mit seinem Labrador die Farm der Familie bewacht und viele Abenteuer erlebt, oder als wahre Helden, wie die Labradorhündin Roselle, die ihren Besitzer, Michael Hingson, aus den Trümmern des World Trade Centers gerettet hat, Labrador Retriever sind überall präsent. Als vierbeinige Partner behinderter Menschen oder der Polizei beweisen sie das, was der 1993 gestorbene amerikanische Hundeexperte Richard Wolters, Autor des wohl berühmtesten Labradorbuches, über den Labrador gesagt hat: „Man kann ihm alles beibringen, was ein Hund zu lernen imstande ist. Er begreift die Trainingslektionen so leicht wie keine andere Hunderasse, ja, er überschlägt sich förmlich vor Lerneifer".

Über die Gesundheit des Labradors
Diese große Popularität des Labrador ­Retrievers hat sich allerdings nicht immer zum Vorteil der Rasse herausgestellt. Wie auch bei anderen ­Hunden, ­deren Popularität in kürzester Zeit sprunghaft ansteigt und für die ­daher ein großer Markt besteht, werden ­Labrador Retriever von unseriösen Hundevermehrern im In- und Ausland „produziert". In Massenzuchtanstalten wird miteinander verpaart, was auch nur einem Labrador ähnlich sieht, und die Welpen finden erstaunlicherweise guten Absatz, obwohl gesundheitliche und Verhaltensprobleme vorprogrammiert sind. Zum Nachteil der Hunde – wie auch ihrer unglücklichen Besitzer – hat dies die Entwicklung von rasse­spezifischen Krankheiten gefördert.

Auch wenn die Rasse grundsätzlich robust und gesund ist und ihre Vertreter durchschnittlich 12-13 Jahre alt werden, kann auch der beste Züchter nicht eine hundertprozentige Gesundheit garantieren. Ein Hund ist nun einmal kein Gegenstand, sondern ein Lebewesen. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit, einen gesunden und charaktervollen Labrador Retriever mit den erwünschten rassetypischen Eigenschaften zu bekommen, bei einem seriösen Züchter größer als anderswo. Meist gehören diese einem der großen nationalen Rassedachverbände an. Seriöse Züchter sind leicht daran zu erkennen, dass die Welpen zusammen mit dem Muttertier aufge­zogen werden und der Welpeninteressent auch eingeladen wird, die Zuchtstätte zu besuchen. Außerdem solle auch ­darauf geachtet werden, dass die Chemie zwischen Züchter und ­Welpenkäufer stimmt. Seriöse Züchter der Rasse lassen ihre Zuchthunde nicht nur in Bezug auf das Wesen (Wesenstests) überprüfen, sondern auch auf Hüft- und Ellbogendysplasie unter­suchen. Auch eine genetische Unter­suchung auf die erbliche Augenkrankheit Progessive Retina ­Atrophie (PRA), die beim Labrador häufiger vorkommen kann, wird bei in der Zucht eingesetzten Hunden gefordert.

Zur Popularität des Labradors
Der Labrador scheint ein Hund zu sein, der nach Aussagen seiner Halter relativ unkompliziert ist. Das würde seine Erziehung und Ausbildung betreffen und vor allem seine Vielseitigkeit, heißt es. Charakteristisch für die Rasse ist der schon erwähnte „will to please", der ihn sich seinem Menschen sehr stark anpassen lässt, weil er ihm gefallen will. Das heißt, wie ein Labrador dann schließlich wird, hängt in hohem Maße von seinem Halter ab. Und so findet man Labradore häufig sowohl in Familien wie auch als Diensthund bspw. bei Zollbehörden. ­Gerade auch unter den Blindenführ­hunden findet man viele Labradore. Zudem habe ein Labrador aus ­seriöser Zucht eine besonders hohe Reiz­schwelle, wodurch er auch für Hunde­anfänger empfohlen wird. Dennoch gilt es, gerade auch für diese Rasse, nicht ihre ursprüngliche Zuchtbestimmung als Jagdhund zu vergessen. Was bedeutet das nun?

Auch wenn der Labrador heute überwiegend nicht jagdlich geführt wird, braucht er aktive Beschäftigung. Erhält er diese nicht, sucht er sie sich selbst, was dann oft nicht im Interesse seines Halters ist. Denn ein unausgeglichener Hund – und das gilt für die meisten Hunderassen, wenngleich in besonderem Ausmaß für sehr aktive – wird anfällig für sog. un­erwünschtes oder problematisches Verhalten.

Auf die eingangs erwähnte Frage zurückkommend, für wen der Labrador nun gerade geeignet ist, gilt daher grundsätzlich: Menschen, die ihre Freizeit nur auf dem Sofa vor dem Fernseher verbringen und regelmäßige Bewegung in der Natur eher scheuen, sollten sich keinen Labrador nehmen! Dass der Labrador in seinen Genen eine starke Neigung zu allem, was nass ist, hat, und dazu gehören auch schmutzige oder schlammige Wasserpfützen, das sollte man ebenfalls vor der Anschaffung eines Hundes dieser Rasse wissen.

Resümee
Vieles spricht dafür, dass der Labrador Retriever – bzw. sein direkter Vorfahr – mit europäischen Seefahrern im 16. Jahrhundert nach Neufundland gekommen ist, als vierbeiniger Partner und Gehilfe der Fischer bei ihrer Arbeit und bei der Jagd. Von dort gelangte der Hund im 19. Jahrhundert wieder zurück nach Europa, nach Großbritannien, wo man ihn vor allem für das ­Apportieren von Wassergeflügel eingesetzt hat. Heute scheinen andere Eigenschaften des Labrador Retrievers ihn für viele Hundefreunde interessant zu machen, wie seine große Popularität zeigt. Dazu gehören Charaktereigenschaften wie große Lernfähigkeit und Ausgeglichenheit, die er aber nur bei der richtigen Beschäftigung und dem entsprechenden Grad an Auslastung aufweisen kann. Vorausgesetzt, dass sein Besitzer sich dieser Anforderungen bewusst und in der Lage ist, ihnen zu entsprechen, wird der Labrador Retriever seinen Ruf, der ihn derzeit zu einem der populärsten Hunde der Welt gemacht hat, nicht zu Unrecht haben.

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