Konrad Lorenz und die Hunde …

Von Sabine Fischer

Bei meinem ersten Besuch im Haus von Konrad Lorenz empfingen mich etliche Hunde. Es sind schon mehr als 25 Jahre her, darum weiß ich nicht mehr: Waren es sechs, sieben, acht? Es waren struppige, mittelgroße Geschöpfe, sie wirkten unerzogen im guten Sinne – also nicht „abgerichtet“, etwas wild belassen, laut, hechelnd, wild herumspringend. Ich entdeckte ein paar Flöhe, und einer der Hunde hatte Zecken. „Lassen´s nur“, brummte Konrad Lorenz, „sind ja auch Viecher.“

Hunde auf der Couch
Die Hunde durften auf die Couch, manche sprangen mich an und lachten, sie schleckten mich ab, stöberten in meiner Handtasche, und in wenigen Minuten war ich voller Hundehaare. Als ich aber plötzlich ein tiefes Knurren hörte, erschrak ich schon ein bisschen: Sehr bedrohlich hatte das Knurren geklungen. Die Hunde zogen geschlossen ab in den Garten, und ich sah sie längere Zeit nicht wieder. Aber warum hatte da einer so geknurrt, und was war jetzt geschehen? Konrad Lorenz grinste und erklärte mir dann, dass er geknurrt habe. Er spräche mit den Hunden in ihrer Sprache, dann hätten sie keine Ausrede, dass sie ihn nicht verstünden. Er mache das mit allen Tieren so, mit denen er zu tun habe.

So redete Lorenz mit Hunden
„Daran“ dozierte er „liegen die größten Fehler in der Hundeerziehung. Zum Beispiel: Der Mensch nennt seinen Hund, na sagen wir ‚Bello’. Bello wird er von klein an gerufen, wenn er Futter bekommt, Bello wird er gerufen, wenn er eine Belohnung bekommt. Er wird so gerufen, wenn er kommen soll, um sich dann, wenn er gefolgt hat, ein Lob zu holen. ‚Bello’ wird er – und das ist ja das Falsche – aber auch genannt, wenn er etwas anstellt: ‚BELLOOOO !!!’ Wenn  der Hund dann kommt, so wie er es gelernt hat, wird er womöglich gestraft für das, was er vorher angestellt hat. Woher soll ein kleiner Hund wissen, was er jetzt falsch gemacht hat? Er ist ja gekommen, er hat ja gefolgt ! Ich mach’ es so, dass meine Hunde zwar alle einen Namen haben, mit denen rede ich sie an. So wie in einer Gesellschaft von Menschen, wenn ich jemanden bestimmten meine, dann sage ich ‚Herr Novak’, damit der Novak weiß, ich meine ihn. Aber reden tue ich mit den Hunden in Lauten, die unterschiedlich gefärbt sind: Ich knurre, um sie zu warnen, ich brumme, wenn ich meine Ruhe haben will, ich hechle, wenn ich ihnen meine Freude zeigen will.“ Dabei streckt Konrad Lorenz die Zunge ein bisschen heraus und hechelt mir wirklich etwas vor! „Und weil ich der Chefhund bin, folgen sie – alle, von klein an“.

Der Biss ins Hundeohr
„Ich strafe meine Hunde nicht mit einem Schlag. Wie soll ein Hund denn das verstehen, er kann ja nicht schlagen, er kennt das ja gar nicht. Junge Hunde beutle ich am Genick, bei erwachsenen greife ich von oben her fest über die Schnauze, und wenn’s sehr arg wird, knurre ich dazu, schaue ihm so lange in die Augen, bis er wegschaut, und warte, bis das Tier eine Demutsgeste macht. Das merkt sich der, glauben Sie mir. Ich habe einen Hund sogar schon einmal ins Ohr gebissen, das hat der verstanden, er hat mich drei Tage lang verfolgt, bis ich wieder gut auf ihn zu sprechen war. Ich hab ihn halt dann angehechelt und mich auf den Boden gelegt, mein Gott, war der glücklich. Ich habe ihn regelrecht glücklich gemacht!“
Konrad Lorenz war ganz in seinem Element, er wirkte lebhaft wie ein Kind und konnte gar nicht mehr aufhören. Dazwischen war Tee serviert worden, Konrad Lorenz schüttete Milch in seine Tasse und sagte dabei: „Ich mag überhaupt keine Milch im Tee, aber ich bin so ungeduldig, und er ist so heiß.“ Ich lachte und er sagte „Ja, das bin ich leider auch oft mit den Hunden. Aber das verstehen sie: Schauen Sie einem Hund zu, wenn er auf etwas warten muss, das kann ein Hund auch nur schlecht.“

„Auch ich bin ein Säugetier“
Ich erzählte ihm von meinen Hunden, dass ich sie auf ganz konventionelle Art erzogen und trotzdem Erfolg damit gehabt hatte. „Ja, natürlich“, sagte er lebhaft, „es geht schon, nur mit welcher Mühe! Meine Hunde haben mich als Leithund akzeptiert, sie haben mich von Anfang an verstanden, denen musste ich nicht beibringen ‚Fuß’ zu gehen, die gehen automatisch, von sich aus knapp hinter mir, eben, weil ich das Leittier bin. Die Betonung liegt bei ‚Tier’. Weil auch ich bin ein Säugetier, genauso wie der Hund. Wenn einer ohne Erlaubnis vorprescht, brauche ich nur zu brummen.“
„Und was“ (ich war höchst interessiert) „machen Sie, wenn Sie es erlauben wollen?“ Er: „Ich huste dreimal hintereinander, wenn Leute dabei sind. Das hat sich so ergeben, klingt ähnlich wie Bellen, und mache eine bestimmte Handbewegung. Wenn ich halbwegs ohne menschliche Gesellschaft bin, dann hechle und belle ich ganz hoch – ich fordere sie quasi zum Spielen auf. Manchmal rede ich schon mit ihnen in der menschlichen Sprache, sie sind ja nicht abgekapselt und lernen, viel zu verstehen. Sie wachsen quasi mehrsprachig auf. Aber was die Erziehung betrifft, da bin ich mit meiner gut gefahren.“
„Aber“, ich gab nicht auf, „das Wort ‚Pfui’ zum Beispiel kann doch ein Hund erlernen, ich meine ich muss ja nicht unbedingt knurren !“ „Ich sag ja auch nichts anderes als ‚pfui’, nur halt in der Hundesprache. Das lernt er schneller. Und Worte werden oft geschrieen, ich hab schon Leute gesehen, die stampfen mit den Füßen auf wie ein Pferd, wenn sie ‚pfui’ sagen. Was soll denn so ein kleiner Welpe damit anfangen, außer sich fürchten?“

Hunde verstehen die Körpersprache
„Und wenn Sie einen erwachsenen Hund bekommen und ihn erziehen müssen?“  „Das“ sagte Konrad Lorenz „ist schwieriger. Aber die Hundesprache versteht jeder Hund, ob alt oder jung. Und glauben Sie mir, ein erwachsener Hund versteht Sie, wenn Sie sich in seiner Sprache mit ihm unterhalten, viel eher, als wenn er erst die Ihre erlernen muss. Und die Körpersprache – die versteht ein Tier, ohne dass es etwas lernen muss!“
Ich habe mir dieses Gespräch eingeprägt. Zwar bin ich nicht ganz so konsequent, wie es Konrad Lorenz war, aber die Elementarfehler bei der Hundeerziehung mache ich sicher nicht. Und das verdanke ich zu einem großen Teil den Gesprächen mit Konrad Lorenz.

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