Kommunikation über die Leine – Worauf man achten sollte

Von Kristina Ziemer-Falke

Im Alltag und beim Training mit dem eigenen Hund kann es zu zahlreichen Missverständnissen und Widersprüchen kommen. Angefangen bei einer unklaren Körpersprache, über die Annahme, der Hund müsse etwas können, was nie bewusst trainiert wurde, bis hin zum Handling der Leine. Besonders die Leine verleitet den Halter dazu sie unbewusst und bewusst relativ viel in der Interaktion mit seinem Hund einzusetzen. Doch wozu ist die Leine eigentlich da? Und sollen bzw. dürfen Halter darüber mit ihrem Hund kommunizieren?

Die Leine am Hund – Zierwerk, Lebensversicherung oder Erziehungsmittel?
Fragt man Hundehalter, so haben die meisten das Ziel, dass die Leine der reinen Absicherung des Hundes dient, an Orten und in Zeiten, wo dies eben nötig oder vorgeschrieben ist. Dabei ist die Wunschvorstellung, dass die Leine in allen Situationen schön locker durchhängt und der Hund brav neben seinem Menschen läuft. Die Leine soll im Grunde also niemals gespannt sein, sondern nur für den Fall der Fälle dienen und gerne auch das eine oder andere Mal passend zu Geschirr und Halsband die Attraktivität des eigenen Hundes unterstreichen. Der Weg zu dieser Idealvorstellung ist jedoch meist lang und steinig. Schnell gerät der Mensch in die Lage die Leine tatsächlich benutzen zu müssen: um den Hund irgendwohin oder von irgendetwas weg zu ziehen, daran zu zuppeln oder ­rucken, wenn der Hund nicht hört, den Hund zu sich heran zu ziehen usw. Da kaum jemand in der Lage ist außerhalb gut geplanter Trainingseinheiten, in denen immer alles klappt, auf die Leine zu verzichten, ist es wichtig sich über die Botschaften, die über die Leine an den Hund gesendet werden, bewusst zu werden. So können Fehlverknüpfungen vermieden werden und Unarten sich gar nicht erst verfestigen.

Die Botschaften über die Leine – Wie kommt es beim Hund an?
Leinenführigkeit
Oft sieht man Halter mit ihrem Hund an der Leine, die diesen zurückziehen, wenn die Leinenspannung nicht mehr tolerierbar ist. Sie laufen mit ihrem Hund und meist ist die Leine zumindest ein wenig auf Spannung. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo der Hund so stark zieht, dass es dem Menschen reicht und dieser seinen Hund zurückzieht. Der Halter möchte damit die Botschaft senden: „Hör auf mit dem blöden Ziehen!“ Betrachten wir das Ganze aber mal aus Hundesicht: Der Hund läuft, wie immer, an der mehr oder weniger stark gespannten Leine. Er nimmt auch wahr, dass die Leine spannt, aber da es ja trotzdem weiter geht, ist das für ihn nebensächlich bzw. gehört für ihn zur Leinenführigkeit dazu. Nun riecht er vielleicht etwas Spannendes und zieht daraufhin stärker an der Leine, um schneller dort hinzukommen. In dem Moment reagiert sein Mensch, indem er ihn zurückzieht. Der Hund lernt, dass er irgendwann an der gespannten Leine zu seinem Menschen zurückgezogen wird, bevorzugt, wenn er gerade etwas Interessantes entdeckt hat. Mit der Leinenspannung wird er dies jedoch nicht in Verbindung bringen, da die Leine ja auch schon die ganze Zeit davor gespannt war und wahrscheinlich auch kurz danach wieder spannt. Die Leine hat hier für den Hund also nur die Botschaft: „Ziehen heißt wir gehen weiter und bei spannenden Dingen zieht mein Mensch mich zu sich heran, bevor es weiter geht.“ An dieser Stelle macht der bewusste Einsatz der Leine als Erziehungsmittel in der Form keinen Sinn und sendet eine unklare und missverständliche Botschaft. Der Hund lernt nicht das was der Mensch geplant hat, sondern nur, dass sein Mensch irgendwie manchmal seltsam ist.

Hundebegegnungen
Eines der größten Missverständnisse der Kommunikation über die Leine kann man bei Hundebegegnungen sehen. An der Leine an anderen Mensch-Hund-Teams vorbei zu kommen stellt für viele Hundehalter eine große Herausforderung dar. Um den eigenen Hund sicher halten zu können, sieht man häufig, wie schon bei Sichtung des fremden Hundes der Halter beginnt die Leine kürzer zu nehmen, sie mit beiden Händen zu halten oder sogar um die Hand oder den Körper zu wickeln. Ziel des Menschen ist es dabei seinen eigenen Hund auch dann führen zu können, wenn er plötzlich in die Leine springen sollte. Er hat also das verständliche Bedürfnis sich abzusichern, um Zwischenfälle zu verhindern. Ein kleiner Perspektivwechsel zeigt, wie die Situation vom Hund bewertet wird. Auch für die meisten Hunde bedeutet eine Hundebegegnung erstmal Stress, d.h. sie stehen unter einer gewissen Anspannung. Schließlich weiß man ja nie, wie der andere so drauf ist, oder hat selber schon ein zwei ungünstige Erfahrungen gemacht. Merkt der Hund nun, wie auch sein Halter angespannt wird und die Leinenführung sich plötzlich verändert, die Leine gespannt und kürzer genommen wird usw, sieht er sich in seiner Anspannung bestätigt, dass die Situation in der Tat gleich kippt und etwas Unangenehmes passiert, der andere Hund Gefahr bedeutet und vertrieben werden muss usw. Die Veränderung des Leinenhandlings wird für den Hund so zum Signal für: „Gleich geht’s los! Attacke!“ Und die Befürchtungen des Halters erfüllen sich einmal mehr. Dabei sind viele Hunde sehr sensibel, wenn es um die Wahrnehmung der Leinenführung geht. Auch kleinste Veränderungen werden bemerkt und können ungewollte Botschaften senden. Selbst, wenn der Hund ganz entspannt in die Begegnungssituation hineingeht, dann aber bemerkt wie sein Mensch die Leinenhand vielleicht einfach nur von Höhe des Oberschenkels zur Hüfte bringt, kann das für den Hund schon ein Zeichen sein, dass irgendetwas nicht stimmt. Es lohnt sich, sich selbst zu ­beobachten oder sogar filmen zu lassen, was alles unbewusst mit der Leine in verschiedenen Situationen gemacht wird und wie der Hund reagiert. Wie nun aber schwierige Hundebegegnungen meistern ohne ungewollt die Situation zu verschlimmern? Hier sind geeignete Managementmaßnahmen eine große Unterstützung. Dazu kann es gehören die Distanz zum fremden Hund so groß zu halten wie möglich und zumindest einen kleinen Bogen um ihn zu laufen. Außerdem sollten der Blick und der Körper dorthin ausgerichtet sein, wo der Mensch hinlaufen möchte – das ist selten zum fremden Hund. So signalisiert man dem eigenen Hund von vorneherein, dass man kein Interesse an dem anderen Mensch-Hund-Team hat und entspannt die Situation. Die Leine sollte möglichst locker gehalten werden. Es darf auch Futter verwendet werden, um den Hund in die gewünschte Position, z.B. ins Fuß zu bringen und dort zu halten. Ist das Kräfteverhältnis sehr ungünstig verteilt, d.h. kann der Hund den Menschen wegziehen, helfen Geschirre, die zusätzlich zum normalen Rückenring einen Ring vorne an der Brust haben. Dort angeleint hat der Hund nicht mehr so viel Kraft, der Mensch kann dafür aber sehr leicht den Hund halten und bewegen ohne diesem weh zu tun. Allerdings sollte parallel dazu ein Training stattfinden, aber so ein Geschirr erleichtert das Handling schon einmal übergangsweise.

Korrekturen im Training
Weitere Situationen, bei denen eine ungünstige Kommunikation über die Leine stattfindet, gibt es beim Training von Signalen. Die zwei häufigsten Fehler:

1. Dem Hund soll ein neues Signal beigebracht werden, z.B. Sitz. Damit er dabei nicht wegläuft, sichert der Halter ihn über die Leine ab. Weil der Mensch Bedenken hat sein Hund könnte plötzlich losspringen, hält er die Leine während des Trainings ein wenig auf Spannung. Jedes Mal, wenn sein Hund das Sitz-Signal hört und ausführt, ist die Leine ganz leicht auf Zug. Da der Hund es dennoch gut umsetzt, denkt sich der Halter, dass es prima läuft. So übt er mehrere Tage und es klappt scheinbar zuverlässig, dass sein Hund sich setzt. Eines Tages traut er sich und beschließt ohne Leine zu üben. Er gibt sein Sitz-Signal, aber sein Hund schaut ihn nur fragend an ohne sich zu setzen. Was ist passiert? Vielen ist nicht klar, dass Hunde kontextabhängig lernen, d.h. dass umgebende Dinge, Personen, Geräusche, Düfte usw. in die Lernsituation einbezogen werden und Signalcharakter bekommen können. Werden Signale also immer an der gespannten Leine geübt, wird diese mit eingebaut. Für den Hund besteht das Signal zum Hinsetzen dann aus dem Hörzeichen „Sitz“ plus der gespannten Leine. Fehlt eins der beiden, ist das Signal unvollständig und der Hund weiß nicht was gemeint ist. Darum ist es sehr wichtig darauf zu achten, dass die Leine nicht aus Versehen in die Signale eingearbeitet wird.
2. Ein weiteres Problem besteht darin den Hund über die Leine zu strafen. Sehr häufig lässt sich beobachten, wie Signale gegeben werden und dabei Zug auf die Leine gegeben wird oder sogar geruckelt wird. Meist möchte der Halter damit sein gegebenes Signal durchsetzen. Im Grunde ist es richtig, dass ein Signal immer umgesetzt werden sollte, damit der Hund nicht lernt, dass er es einfach ignorieren und etwas anderes machen kann. Die Signale sollten allerdings immer positiv, d.h. mit einem guten Gefühl verbunden sein. Ein Strafreiz (Ruckeln, Ziehen, usw.) zusammen mit dem positiven Signal oder kurz danach zu geben führt dazu, dass die Signale mit einer negativen Emotion belegt werden. Dadurch wird der Hund langfristig immer weniger geneigt sein die Signale seines Halters gerne auszuführen, weil sie etwas Unangenehmes ankündigen: eine Hemmung entsteht. Alles, was der Hund zuverlässig und gerne machen soll, sollte daher auch frei von Impulsen über die Leine trainiert werden.

Leine oder nicht Leine – wann macht der bewusste Einsatz Sinn?
In der Leinenführigkeit kann der Einsatz der Leine als Hilfsmittel Sinn machen, wenn es darum geht an der richtigen Leinenspannung zu arbeiten. Damit der Hund lernen kann an lockerer Leine zu laufen ist es nötig, dass er die Botschaft erhält: „Jetzt ist die Leinenspannung falsch, korrigiere dich!“ Dazu kann der Mensch immer, wenn die Leine spannt, dem Hund das Ziehen madig machen. Er kann stehenbleiben, damit der Hund lernt, dass immer nur an lockerer Leine gelaufen wird. Das reine Stehenbleiben führt aber oft nicht zur gewünschten Entspannung der Leine. Eine Assoziation mit der Leine als schmerzauslösender Reiz, wie etwa durch Ruckbewegung, sind nicht hilfreich für entspannte Spaziergänge. Ziel ist es, dass der Hund sich selber korrigiert. Entspannt der Hund die Leine von sich aus wieder, wird der Spaziergang fortgesetzt. Nur so kann der Hund verstehen, worum es überhaupt geht. Das klingt recht simpel, aber die Fehlerquote ist recht hoch. Beachten Sie, dass Ihr Hund max. 1 Sek. lang Ihre Handlung verknüpfen kann. Sie sollten daher sehr schnell reagieren, wenn er zieht (stehenbleiben), und auch schnell losgehen, wenn Ihr Hund die Leine entspannt und sich an Ihnen orientiert. Da daraus ein ständiges Stop&Go resultieren kann, kommt es dazu, dass dies Training nicht über die gesamte Spaziergangsdauer durchgeführt werden kann. Signalisieren Sie Ihrem Hund, wann Sie konsequent trainieren, indem Sie ihm ein Trainingsgeschirr für diesen Zweck anziehen. Lässt die Konzentration nach, wechseln Sie wieder auf das bisherige Geschirr oder Halsband. So kann Ihr Hund leicht Alltag und Training unterscheiden.

Fazit
Um in der Kommunikation mit dem Hund eindeutiger und auch aus Hundesicht verständlicher zu werden lohnt es sich sehr, sich einmal mit dem Handling der Leine auseinander zu setzen. Beobachten Sie sich ein paar Tage lang im Training und im Alltag, wie oft die Leine tatsächlich zum Einsatz kommt und ob der Einsatz an dieser Stelle für den Hund bzw. in der Situation vorteilhaft ist. Hier können Videoaufnahmen helfen, an denen Sie sehen, wie Sie die Leine ­einsetzen.

Pdf zu diesem Artikel: leinenkommunikation

 

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