Kommunikation Mensch-Hund

Von José Arce

Kein technischer, sondern ein innerer Weg

Hunde haben sich über Jahrtausende den Menschen immer mehr angepasst, doch gerade in den letzten Jahrhunderten hat sich unsere Welt extrem verändert. Wenn wir ehrlich sind, selbst für uns kam die moderne Entwicklung sehr schnell. Unseren Vierbeinern geht es nicht viel anders. Den Großteil der gemeinsamen Geschichte begleitete der Hund den Menschen bei der Jagd, und als unsere Ahnen sesshaft wurden, hat der Hund Haus und Hof bewacht. Später wurden seine Aufgaben noch weiter spezialisiert und jeder Hund wusste, was er zu tun hatte. Natürlich gibt es auch heute noch echte Arbeitshunde, aber die meisten Hunde sollen uns nur noch als vierbeinige Freunde zur Seite stehen.

Um Hunde wirklich zu verstehen, müssen wir erst einmal lernen, ihre ›Sprache‹ zu sprechen.

Es ist ein großer Fehler, wenn wir Menschen denken, dass unsere Hunde uns nicht verstehen. Es ist mittlerweile erwiesen, dass Hunde uns besser verstehen als wir denken und sie uns sehr gut lesen können. Hunde haben gelernt, unsere Stimmlage, unsere Körpersprache, unsere Ausstrahlung und Berührungen zu verstehen. Selbst unsere Mimik im Gesicht können sie lesen. Ein großer Teil der Unterhaltung zwischen Mensch und Hund verläuft meist von uns völlig unbemerkt, denn wir senden ununterbrochen Signale und der Hund ist aufgrund seiner Fähigkeiten in der Lage, unsere Emotionen und Stimmungen zu verstehen.

Hunde sind uns Menschen so ähnlich, dass ich oftmals schmunzeln muss, wenn ich höre, wir sollen unsere Hunde nicht vermenschlichen. Zwischen Mensch und Hund besteht eine natürlich gewachsene Beziehung. Diese hat sich innerhalb von vielen Tausenden Jahren entwickelt und so kommt es, dass wir uns so gut verstehen. Aber damit es nicht zu Missverständnissen kommt ist es wichtig, seinem Hund möglichst ruhig und sicher gegenüber zu treten. Eine sichere innere Haltung ist das wichtigste Kommunikationsmittel zwischen Mensch und Hund. Dazu kommen dann noch die Körpersprache und unsere Stimme. Kleine Berührungen verstehen Hunde oft besser als große Worte, auch das kann die Kommunikation zwischen Mensch und Hund erleichtern. Hunde und Menschen gehören einfach zusammen. Davon bin ich persönlich überzeugt. Das zeigen immer wieder wissenschaftliche Studien, die beispielsweise die Kommunikation zwischen Zwei- und Vierbeinern untersuchen.

Die meisten Probleme basieren auf beidseitigen Fehlinterpretationen. Keiner weiß, was der andere wirklich von ihm will. Hunde wollen sich bei uns in erster Linie sicher und geborgen fühlen.

Viele Probleme, die wir heute in der Kommunikation mit unseren Hunden haben, entstehen, weil das natürliche Gefüge in der Mensch-Hund-Beziehung verloren gegangen ist. Wenn wir einen Hund bei uns aufnehmen, müssen wir dazu bereit sein, die Verantwortung für ihn zu übernehmen. Nur dann kann der Hund die Rolle einnehmen, die seine Natur für ihn vorsieht und die er braucht, um ausgeglichen zu sein. Dann kann er die Rolle des Hundes einnehmen, die wir uns wünschen. Nur dann fühlt er sich wohl in seiner Haut.

Wir kommunizieren hauptsächlich in einer Art mit unseren Hunden, die sie nicht verstehen, nämlich über Worte. Es mag einfach klingen und es ist im Prinzip auch genauso einfach: die Lösung vieler Probleme in der Mensch-Hund-Kommunikation mag darin liegen, wieder eine Struktur zu schaffen und klare Worte zu finden, damit Ihr Hund Sie versteht und sich bei Ihnen sicher fühlt. Hunde leben im »Hier und Jetzt«, das wird einem bewusst, wenn man beobachtet, wie sehr sich ein Hund freut, wenn man nach Hause kommt, und dabei ist es egal, ob man eine Woche oder nur 10 Minuten von zu Hause weg war.

Hunde haben ein schier unglaubliches Gespür dafür, was in unserem Inneren vorgeht. Sie verfügen über eine für uns unvorstellbar große Sinnesleistung. Damit können sie unsere Emotionen ganz einfach erschnuppern, egal, was wir fühlen und denken. Zu diesem Geruchssinn kommt, dass Hunde ein Gesichtsfeld haben, das um fast dreiviertel größer ist als das unsere. Sie nehmen winzige Bewegungen wahr, die uns gar nicht bewusst sind oder von denen wir annehmen, dass sie diese nicht sehen. Angesichts dieser Voraussetzung ist verständlich, dass man Hunden nicht viel vormachen kann.

Wenn wir mit klarer Stimme sprechen, innerlich aber an unseren eigenen Worten zweifeln, aufgeregt oder ängstlich sind, weil wir nicht daran glauben, dass unser Anliegen Erfolg hat, spürt der Hund das. Hunde lassen sich nicht durch Äußerlichkeiten täuschen. Wir können nur Sicherheit vermitteln, wenn wir auch wirklich ganz sicher sind und der Hund dies auch spürt. Ich gebe zu, dass es nicht immer leicht ist, ruhig und sicher zu sein, aber man kann es, wie vieles im Leben, üben.

Der Weg zum Hund ist ein innerer Weg, kein technischer.

Hundehalter lieben ihre Hunde oft über alles und wünschen sich nichts sehnlicher als dass es ihrem Hund gut geht. Dabei vergessen sie oft, dass es genauso wichtig ist wie Liebe, für den Hund ein verantwortungsvoller und sicherer Mensch zu sein. Dem Hund Sicherheit und Struktur zu geben, damit er glücklich an unserer Seite leben kann. Wenn ich meinen Kunden das erkläre, reagieren sie meist tief bestürzt, denn bei ihnen kommt die Botschaft an: ich darf nicht mehr mit meinem Hund kuscheln! Zum Glück kann ich die Menschen aber schnell beruhigen. Das bedeutet nämlich keinesfalls, dass sie ihn nicht mehr streicheln und nicht mehr mit ihm kuscheln dürfen. Jeder Hundebesitzer, den ich kenne, will das tun und zwar am liebsten mehrmals am Tag, ich selbst eingeschlossen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass unser Körper, wenn wir einen Hund streicheln, vermehrt Glückshormone ausschüttet. Und die Hormonproduktion wird nicht nur bei uns selbst angekurbelt, wenn wir mit unserem Hund kuscheln, sondern auch bei ihm. Wir tauchen sozusagen gemeinsam in eine Wolke von ­Glückshormonen.

Kein Wunder, dass wir dieses Gefühl immer wieder erleben wollen. Ich selbst brauche, ehrlich gesagt, keine Wissenschaftler, um zu wissen, dass Hunde gut tun. Jeder Hundehalter sollte sich aber bemühen im Umgang mit dem Hund immer ruhig und sicher zu sein. Auch ich erlebe so wie jeder Mensch Dinge, die mich innerlich aufregen. Aber wenn ich bei meinen Hunden bin, versuche ich mich zusammen zu nehmen und meine innere Kraft zu bündeln, damit ich für meine Hunde ein sicherer Mensch bin, an dem sie sich orientieren können. Im Gegenzug geben mir meine Hunde ihre Liebe und ihr Vertrauen.

Die innere Haltung ist eines der mächtigsten Kommunikationsmittel zwischen Mensch und Hund. Indem wir dem Hund gegenüber ruhig und sicher sind, signalisieren wir ihm fortwährend, dass er sich entspannen und uns einfach folgen kann. Zahlreiche Probleme, die Hund und Mensch das Leben schwer machen, lösen sich dadurch ganz von allein. Denn wenn der Hund sich sicher fühlt, kann er die Position einnehmen, die zu ihm passt und die ihn nicht überfordert. Sicher haben auch Sie oft das Gefühl, dass Ihr Hund Sie ganz genau versteht. Freuen Sie sich! Schließlich ist das ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Sie ihm in diesem Moment die Ruhe und Sicherheit gegeben haben, die er braucht.

Eine Übung
Eine gute Möglichkeit für Mensch und Hund, Ruhe und Sicherheit zu kommunizieren, ist folgendes Beispiel für zu Hause: Setzen Sie sich auf den Boden und beschäftigen Sie sich ruhig. Lesen Sie, denken Sie an etwas Schönes, meditieren Sie. Sie können sich auch zu zweit oder zu dritt hinsetzen und sich leise unterhalten. Meine einzige Bedingung, denken Sie nicht an Ihren Hund und beachten Sie ihn auch nicht. Sie werden sehen, dass er ziemlich schnell zu Ihnen kommt, um nachzuschauen, was da vor sich geht. Jetzt kommt der schwierige Teil der Übung, denn Sie dürfen ihm nach wie vor keinerlei Aufmerksamkeit schenken, schauen Sie ihn nicht an, berühren Sie ihn nicht, sprechen Sie nicht mit ihm. Dann warten Sie einfach ab, was passiert. Bei dem einen Hund wird sich schon bald Entspanntheit zeigen und er wird sich dazu legen. Ein anderer Hund braucht vielleicht etwas länger, bis er innerlich zur Ruhe kommen kann und er wird erst um Sie herum kreisen und aufgeregt schnuppern und sich schließlich auch neben Sie setzen. Warten Sie ab, bis er spannungsfrei alle Viere von sich streckt und bei Ihnen Ruhe und Sicherheit gefunden hat, weil Sie selbst in diesem Moment völlig ruhig und sicher sind. Jetzt dürfen Sie ihn streicheln, kraulen und schmusen und mit ihm reden. Ganz entspannt, Sie werden merken, wie gut es dem Hund tut, und Sie selbst werden natürlich auch belohnt mit dem größten Geschenk, das Ihr Hund Ihnen geben kann: Sein Vertrauen.

Genau so funktioniert die Sprache zwischen Mensch und Hund. Genau das macht unsere Beziehung so besonders.

Ganz ohne Worte geht es nicht
Ganz ohne verbale Kommunikation wird die Beziehung zum Hund vermutlich trotzdem nie ablaufen. Wir sind Menschen und die verbale Sprache ist unser gebräuchlichstes Mittel, um uns zu verständigen. Eines dürfen Sie jedoch nie vergessen: Die verbale Kommunikation kann der inneren Ausstrahlung und Körperhaltung komplett widersprechen. Der Hund versteht in so einem Fall nie die Worte und reagiert daher nur auf alle anderen Signale. Schimpfen wir mit ihm beispielsweise, wenn er aufgeregt ist, wird ihn das nur noch anfeuern. Denn er nimmt unsere Aufregung als Schwäche wahr. Auf den Punkt gebracht heißt das: Sie können verbale Befehle geben, weil Sie als Mensch die verbale Sprache benutzen. Aber wichtig ist, dass Sie Ihrem Hund signalisieren, was er tun soll. Und diese Zeichen kommen nur bei ihm an, wenn Sie ruhig und sicher sind. Ich gebe zu, dass es viel Zeit und Übung bedarf, die Körpersprache und Mimik von Hunden zu studieren. Der erste Schritt dazu gelingt über das Bewusstsein, dass Hunde einzigartige Individuen sind, die ununterbrochen mit uns kommunizieren. Wenn wir Respekt gegenüber unseren Vierbeinern zeigen, öffnet sich eine Welt, deren Pforten sich für viele von uns schon geschlossen zu haben schienen. Wir sind wieder offen für die Wahrhaftigkeit der Natur. Wir können uns eins fühlen mit unserem Hund. Weil wir auf einer Wellenlänge miteinander kommunizieren. Wir können uns einlassen auf das Wunder Hund.

Kommunikation unter Streunerhunden

Ich finde es sehr wichtig, dass man das Verhalten von Straßenhunden nicht mit dem Verhalten von Wölfen vergleicht. Auch ein verwilderter Hund ist und bleibt immer noch ein vom Menschen erschaffener Hund. Daher kommunizieren diese Hunde auch nicht anders als unsere Hunde zu Hause untereinander. Straßenhunde haben gelernt, dass sie sich auf ihren Partner Mensch nicht mehr verlassen können und haben das Vertrauen zum Menschen verloren. Obwohl der Mensch diese Hunde ausgesetzt hat, suchen die Straßenhunde instinktiv noch immer die Nähe des Menschen. Diese Hunde wissen, nur in der Nähe von Menschen können sie überleben und Futter finden. So kommt es dann auch aus überlebenswichtigen Gründen dazu, dass Verhaltensweisen dieser Hunde ausgeprägter als bei unseren Haushunden sind und in diesem Überlebenskampf alte Instinkte wiederkehren.
Anders als eine Herde ist eine Gruppe Straßenhunde kein willkürlicher Zusammenschluss mehrerer Tiere. Es ist ein Zusammenschluss von Hunden, in der eine soziale Ordnung und Respekt herrscht und deren Mitglieder feste Rollen und Aufgaben übernehmen. Die einen sorgen für Sicherheit in der Gruppe, die anderen erschließen neue Futterquellen und wieder andere sichern das Terrain. All dies sorgt für eine Struktur, in der sich jedes einzelne Gruppenmitglied sicher und aufgehoben fühlen kann.

Wenn sich zwei Straßenhunde auf der Straße begegnen, steht der eine mit gestrecktem Hals und aufgerichteter Rute da, während der andere den Schwanz hängen lässt und den Kopf gesenkt hält. Zwei typische Positionen, die wahrscheinlich jeder schon einmal an (s)einem Hund bemerkt hat. Aber was bedeuten sie? Freude und Aufregung oder Angst? Denn ein und dieselbe Haltung kann beim Hund ganz unterschiedliche Dinge ausdrücken. Und eine ganz wichtige Sache vergessen die meisten: Die Körperhaltung signalisiert auch, welche Position die Tiere für sich beanspruchen. Kopf und Rute nach oben bedeutet: »Ich bin hier der Chef dieser Straße«, gesenkter Kopf und herabhängende oder auch zwischen die Hinterbeine geklemmte Rute: »Ich mach dir diese Position nicht streitig.« Ein Hund, der vor dem anderen »buckelt«, hat also keinesfalls unbedingt Angst vor ihm. Er signalisiert damit vielmehr, dass er keinerlei Ambitionen hegt, auf das Recht des Stärkeren zu pochen. Er folgt damit einer natürlichen Intuition. Denn Hunde können sich nur verstehen und ein gutes Team bilden, wenn die Rollen klar verteilt sind. Wenn das eine Tier für Ordnung sorgt und das andere sich einordnet. Oder auch wenn eines die Verantwortung übernimmt und das andere sich in seine Verantwortung übergibt.

Erst der soziale Gruppeninstinkt schafft die Voraussetzung dafür, dass die Gruppenmitglieder untereinander kommunizieren und alle zusammen als Gruppe von den jeweiligen Fähigkeiten des Einzelnen profitieren. Und der soziale Rudelinstinkt ist auch der Grund, warum es so schön ist, einen Hund zu haben. Wir sind uns in vielem sehr ähnlich, und das macht die Beziehung zum Hund gegenüber anderen Haustieren auch so einzigartig und besonders. Ein Hund ohne seinen Menschen ist ein verlorener Hund, und ein Mensch ohne seinen Hund ist ein verlorener Mensch.

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