Ist die Pädagogik „auf den Hund“ gekommen? Antwort: ja – und das ist gut so! Unterm Strich war das die einhellige Meinung aller Teilnehmer der Podiumsdiskussion, mit der die Tagung „Pädagogen auf vier Pfoten“ (siehe auch WUFF 6/2003) im Emil-Fischer-Gymnasium in Euskirchen (NRW) ihren Abschluss fand. Die Debatte, moderiert von Dr. Konstanze Jablonowski, fand in einer sachlichen und entspannten, manchmal sogar heiteren Atmosphäre statt – waren hier doch größtenteils bekennende Hundefreunde versammelt. Was nicht heißen soll, dass Probleme unter den Teppich gekehrt wurden. Mögliche Risiken wurden beim Namen genannt, Defizite erkannt und diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass unreflektierte Tierliebe nicht ausreicht, dem „Schulhund“ zum Durchbruch zu verhelfen. Außerdem hatten schon die Referate gezeigt, dass die vorgestellten Projekte stark von ihren jeweiligen Rahmenbedingungen abhängig sind, sodass nicht jedes Konzept beliebig auf andere Orte, Umstände und Personen übertragbar ist.
Schulhund statt „verkopfter“ Betreuung
Mit Alexandra Dreiseidler und Rita Marx-Dettbarn saßen zwei Vertreterinnen dieser schulischen Praxis auf dem Podium. Frau Dreiseidler hatte als Schuldirektorin die Tagung nach Kräften unterstützt und überhaupt erst möglich gemacht. Die Hausherrin gab denn auch grundsätzlich Grünes Licht für „Pädagogen auf vier Pfoten“: „Selbstverständlich können Hunde in den Unterricht mitgebracht werden, wenn die hygienischen Voraussetzungen erfüllt sind.“ Mögliche Zukunftschancen für Schulhunde sah sie in der Förderung projektorientierter und vom Schüler selbstgesteuerter Arbeiten in ihrer Schule. Frau Marx-Dettbarn, am Emil-Fischer-Gymnasium unter anderem zuständig für fächerübergreifendes Arbeiten und Suchtprävention, konnte sich ebenfalls konkrete Einsatzmöglichkeiten vorstellen – etwa in der geplanten Schulsozialstation als Freizeitpartner für verhaltensauffällige Schüler. Dort könne den Kindern ein „Schonraum mit Hund“ bereit gestellt werden – ein praxisnahes Betreuungsangebot als Alternative zu der herkömmlichen „verkopften“ Betreuung.
Mögliche Gefahren
Hinsichtlich der erwähnten „hygienischen Voraussetzungen“ sah die Veterinärin Eva Pittendörfer keinen Anlass, Hunde aus der Schule auszusperren. Sie nannte zwei theoretische Gefahrenquellen: die Gefahr durch Bissverletzungen und die Gefahr durch ansteckende Krankheiten. Bei letzterem sei das Risiko minimal, weil die meisten Hundekrankheiten nicht auf Menschen übertragbar sind. Die Gefährdung durch Bisse könne und müsse durch die sorgfältige Auswahl und Ausbildung der Hunde ausgeschaltet werden. Insgesamt sei der Hund in der Schule aus Sicht der Tiermedizin ein „kalkulierbares Risiko“ – verglichen mit den anderen Gefahren, die den Kindern in der Schule und auf dem Schulweg drohen. Es sei immer noch „weit gefährlicher, über die Straße zu gehen, als mit einem Hund das Klassenzimmer zu teilen“.
Kinder verbessern Sprachkompetenz
Und lehrreicher ist der Hund im Klassenzimmer allemal. Die Therapiehund-Spezialistin Jana Kämpfer stellte ein ganz neues Schulfach vor: Hundesprache als „erste Fremdsprache“. Ihrer Erfahrung nach können nämlich Kinder beim aufmerksamen Beobachten tierischer Ausdrucksweisen abseits des schulischen Leistungsdrucks ihre Sprachkompetenz klar verbessern – nicht theoretisch und abstrakt, sondern in der praktischen Interaktion mit einem Lebewesen. Das Erlernte kann dann für den Schulalltag fruchtbar gemacht und auf den Umgang mit der menschlichen Sprache angewendet werden. So konnte Jana Kämpfer auf Erfolge bei Legasthenikern verweisen, die durch das „Zwiegespräch“ mit Hunden einen besseren Zugang zur Menschensprache gefunden haben. Außerdem sei generell die angstmindernde und stabilisierende Wirkung von Hunden auf Kinder inzwischen auch wissenschaftlich erwiesen. Heilpädagogin Stephanie Reuter von der Universität Köln konnte dies bestätigen. Allerdings: Die Erfolge der Hundepädagogik sind bisher in Deutschland noch zu wenig bekannt – anders als im englischsprachigen Raum, wo es mittlerweile mehrere Veröffentlichungen zum Thema gibt, von denen bisher leider nur ein Bruchteil in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Löst der „Schulhund“ alle Probleme?
Also muss man nur einen Hund mit in den Unterricht bringen, und alle Probleme sind gelöst? Klare Antwort: nein. Die Hundeerzieherin Susanne Kaufmann und die Heilpädagogin Corinna Möhrke warnten vor übertriebener Euphorie. Für beide ist eine fachkundige Ausbildung von Hund und Hundehalter unabdingbar. Der Einsatz von Hunden in Schulklassen sei nicht spontan und pauschal machbar, sondern nur auf professioneller Basis und nach langer und sorgfältiger Vorbereitung in Theorie und Praxis. Grundsätzlich sei das Funktionieren der tiergestützten Pädagogik von der fachlichen Qualifikation und der Berufserfahrung des Mensch-Hund-Gespanns abhängig. Die optimale Lösung wäre natürlich der „staatlich geprüfte“ Schulhund bzw. „Hundepädagoge“. Aber wer prüft den „schultauglichen“ Hund, und nach welchen Kriterien? Hierzu wären entsprechende Standards noch zu entwickeln – eine Aufgabe für die Zukunft, die von Hundepädagogen und ihren Partnern in Politik und Verwaltung dringend angegangen werden sollte!
Ein wichtiges Fazit nahmen die Teilnehmer also mit auf den Weg: Intensive Vorbereitung, Gespräche, Überzeugungsarbeit und Kooperation unter allen Beteiligten sind im Vorfeld unerlässlich. Denn nur so können berechtigte oder unberechtigte Bedenken ausgeräumt, Restrisiken ausgeschaltet und Berührungsängste überwunden werden – damit nun auch in der Schule die Pädagogik endlich „auf den Hund“ kommen kann!
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