Köpfchen statt Knöpfchen

Von Dr. Frank Woerner

Im modernen Haushalt findet sich heutzutage Elektronik zuhauf. Ein Teil davon – Video, TV, DVD und eine Menge modernes Spielzeug – ist komfortabel, einfach und bequem mit Fernbedienung vom Sessel aus zu bedienen. Warum denn eigentlich keine Fernbedienung für Hunde, die uns die lästige und zeitaufwändige Erziehung und Ausbildung erleichtert? Technisch machbar ist das doch! Das bekannte „Teletakt“ kommt dieser Idee schon recht nahe. Dieses umstrittene Gerät besteht aus zwei Teilen: Einem in das Hundehalsband integrierten Empfängerteil und einem leichten und tragbaren Sender mit einer Reichweite von mehreren Hundert Metern. Durch Knopfdruck wird ein Stromschlag über die am Halsband befindlichen Elektroden ausgelöst, dessen Stärke regulierbar ist.

Das große Schweigen
Auffallend ist, dass bei einer ganzen Reihe von Büchern über Hundeerziehung Elektroreizgeräte mit keiner Silbe erwähnt werden, obwohl sie in der Praxis – oft genug in der Abgeschirmtheit eines Hundeplatzes oder der Intimität des abgelegenen Jagdreviers – leider allzu häufig eingesetzt werden. Die Angebote in den einschlägigen Katalogen sind hierfür ein guter Indikator! Fragt man aber Hundeausbilder, Hundesportler oder Betreiber einer der wie Pilze aus dem Boden schießenden Hundeschulen, wird man meist eine – (vorgetäuschte?) – heftige Ablehnung des Einsatzes von Elektroreizgeräten bei der Hundeausbildung zu hören bekommen.

Standardwerk spricht von „Stromarbeit“
Ein auch heute noch im Handel erhältliches und weit verbreitetes Buch der beiden Autoren HABERHAUFFE & ALBRECHT, zu Zeiten der DDR das Standardwerk über Diensthundeabrichtung und -haltung, nennt die großen Vor-, aber auch Nachteile des „ … Arbeiten mit verschiedenen Stromeinwirkungsgeräten (Stromarbeit) zum besseren und schnelleren Abrichten …“ Ist ein schnelleres „Abrichten“ (ein gar garstig Wort) auch ein „effektiveres“, wie der Diplom-Pädagoge (!) HABERHAUFFE und der Tierarzt (!) ALBRECHT meinen, auch ein besseres – und vor allem – hundegerechteres? Neben mehreren Modellen zum Selberbasteln („… Zusatzgeräte können ohne viel Mühe und handwerkliches Können selbst angefertigt werden …“) wird auch das Teletaktgerät, verharmlosend als „Funkgerät“ bezeichnet, in seinen Vorteilen geschildert. Die Vorteile (drahtlos und grenzenloser Einsatz in allen Abrichtungsdisziplinen) sind natürlich da, wie zu erwarten war, aber nicht für den Hund.

Verharmlosende Ausdrücke
Geräte dieser Bauart werden – selbst in einigen Hundezeitschriften – als „Ferntrainer“ und als „Elektronik, die Ihr Hund versteht“ angepriesen! Dabei kann der Autor sich nicht vorstellen, dass der Hund die Elektronik versteht. Vielmehr verstehen Autor und Hund die Welt nicht mehr, wenn jeder Trottel und Sadist mit einem im öffentlichen Handel ganz legal erworbenen Gerät seinen Vierbeiner mit Elektroschocks traktieren und quälen darf, ohne dass ein Aufschrei der überwältigenden Mehrheit aller Hundebesitzer (die wahrscheinlich in den meisten Fällen von diesem Folterinstrument noch nie gehört haben) oder der großen kynologischen Interessenverbände über alle Hundeplätze hallt!

„Teletakt“ nichts für Laien!
Damit der Einsatz eines Elektroreizgerätes nicht tierschutzrelevant wird, ist als Grundbedingung jeder Anwendung eine gründliche Kenntniss des Benutzers in hundlichem Verhalten zu fordern, vor allem auch Kenntnisse über die Lernvorgänge, insbesondere die Konditionierung. Niemand wird ernsthaft verlangen, den Einsatz von Teletaktgeräten zu verbieten. Es muss aber der Handel mit diesen Geräten eingeschränkt und reglementiert werden! Es kann nicht angehen, dass solche Geräte über den Ladentisch oder über den Versandhandel mit der gleichen Leichtigkeit verkauft werden können, mit der eine Dressurleine oder ein Hundekörbchen erworben werden kann. Diese Elektroreizgeräte gehören nicht in die Hand eines Laien oder ausschließlich profitorientierten Hundetrainers. Weiterhin sollte jegliche Werbung für diese Geräte verboten sowie das öffentliche Ausstellen auf Messen und Zuchtschauen schon vom Veranstalter unterbunden werden.

Teletakt bei Jagdhunden?
Bei der eigentlichen Ausbildung von Jagdhunden sollte das Teletaktgerät keinesfalls eingesetzt werden, vielmehr wird das korrekte Befolgen von Kommandos, sowohl verbal wie auch durch Sichtzeichen, dem Hund auf traditionelle Weise vermittelt. Elektroreizgeräte können dann in der Hand eines wirklichen Profis eingesetzt werden, um bei Verhaltenskorrekturen ganz spezieller Probleme gezielt Abhilfe zu schaffen. Beispielsweise beim Hetzen von Wild bei Jagdhunden oder dem Reißen von Schafen bei Hütehunden, insbesondere dann, wenn der Hund hierbei schon erste jagdliche Erfolgserlebnisse („Beutebestätigung“) hatte. Aber selbst in solch einem Falle sollten zuerst alle anderen Möglichkeiten der Verhaltenskorrektur versucht worden sein.

Keinesfalls für Unterordnung einsetzen!
Das Teletaktgerät darf keinesfalls zum Einüben von Kommandos der Unterordnung verwendet werden. Einer der schlimmsten Fehler, die mit dem Teletaktgerät gemacht werden können, ist dessen Einsatz bei der Behandlung angstaggressiver Hunde.
Eine der Gefahren für den Hund geht von fehlerhaften Geräten aus, wobei dem Hund – ausgelöst durch beispielsweise einen anderen Sender – unbeabsichtigt Stromstöße verabreicht werden. Die Stromstärke kann darüber hinaus bei feuchtem Wetter aufgrund der besseren Leitfähigkeit des feuchten Fells erheblich höher liegen, als vom Benutzer beabsichtigt. Der Autor, seit zehn Jahren u.a. im Auftrag der Berufsgenossenschaft als Gastdozent an einer Werkschutzschule im Rahmen von Seminaren für die Ausbildung von Hundeführerausbildern tätig, bekam stets auf die Frage, ob einer seiner Schüler bereits an sich selbst das Teletaktgerät ausprobiert habe oder hierfür bereit sei, ein kategorisches und teilweise entrüstetes „Nein – auf keinen Fall“ zur Antwort!

Vordergründige Scheinerfolge
Der beste Erzieher der Welpen und später der Junghunde ist der Vaterrüde, seine Erziehungsmethoden haben sich im Laufe der Evolution der Gattung Canis entwickelt und vervollkommnet. Bei unserer Erziehung der Hunde können mit Gewalt nur vordergründige Scheinerfolge erzielt werden – oder benutzt der Vaterrüde etwa Stachelhalsband und Teletaktgerät? Bei ihm erfolgt mit der notwendigen Konsequenz die gesamte Erziehung spielerisch. Diese Erkenntnisse drückte einst EBERHARD TRUMLER kurz und prägnant aus: „Erziehung ist alles – Dressur ist nichts“ – was aber längst noch nicht auf allen Ausbildungsplätzen anerkannt ist. Die neuen Methoden der Hundeerziehung basieren auf dem Umdenken im Umgang mit dem Partner Hund und weniger auf dem Einsatz von HighTech!

Für manche besser ein „Robo Dog“
Nicht nur aus sachlichen, sondern auch ethischen Gründen sollte man eigentlich das Teletaktgerät genau so wie den Stachelwürger, die Koralle oder ähnliche Instrumente in die Museen für mittelalterliche Foltergeräte bannen. Ein fairer Kompromiss für PC-Freaks mit kynologischen Ambitionen wäre dann an der Schnittstelle zwischen Hund und Elektronik der Kauf des Spielzeughundes „Robo Dog“ eines bekannten japanischen
Konzerns der Unterhaltungselektronik!

>>> WUFF – HINWEIS

Diskussion

In WUFF 10/2000 und 11/2000 erschien zum gleichen Thema ein zweiteiliger Artikel des derzeitigen SV-Zuchtwartes Dr. Helmut Raiser.

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