Müssen Hunde verschiedene Futtermengen, die sie nicht direkt vor Augen haben, abschätzen, tun sie sich dabei deutlich schwerer als Wölfe. Das ist das Ergebnis einer Studie von österreichischen Wissenschaftern des Wolf Science Centers Ernstbrunn. Der Grund dafür könnte sein, dass Hunde diese Fähigkeit nach und nach verloren haben, da sie weitgehend von Menschen versorgt werden, so die Forscher im Fachblatt „Frontiers in Psychology".
Für Tiere, die in sozialen Verbänden leben, macht es durchaus Sinn, Mengen abschätzen zu können. Das hilft beispielsweise bei der Einschätzung der Anzahl der Mitglieder bei potenziell feindlich eingestellten Gruppen. Anhand eines Versuchsaufbaus, der zum Test der numerischen Vorstellungskraft konzipiert wurde, haben die Forscher um Friederike Range und Zsofia Viranyi vom Messerli Forschungsinstitut an der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Wolf Science Center in Ernstbrunn (Niederösterreich) Hunde und Wölfe hinsichtlich dieser Fähigkeit untersucht.
Range und Viranyi konnten bereits 2012 zeigen, dass Wölfe zwischen verschiedenen Futtermengen unterscheiden können. Nun testeten sie auch eine Gruppe von 13 Mischlingshunden, die in dem niederösterreichischen Forschungszentrum aufgewachsen sind und dort in mehreren Rudeln leben. Das Vorstellungsvermögen überprüften die Wissenschaftler, indem sie ihnen nacheinander einzelne Käsestücke zeigten, die gleich danach in zwei undurchsichtigen Röhren verschwanden. Den Menschen, der die Stücke in die Röhre fallen ließ, sahen die Tiere nicht, wodurch eine Beeinflussung so gut wie ausgeschlossen war. Die Hunde konnten dann durch Drücken eines Buzzers anzeigen, für welche Röhre sie sich mehr interessierten.
„Wir haben bewusst so getestet, dass die Hunde die gesamte Menge der Futterstücke nie zu Gesicht bekommen haben. Wir zeigten ihnen die Stücke immer hintereinander. Damit schließen wir aus, dass sich die Hunde an einfachen Faktoren wie beispielsweise dem Gesamtvolumen orientieren. Wie viele Stücke sich am Ende in einer Röhre befanden, mussten sich die Hunde also vorstellen", erklärt Range. Im Vergleich mit den Wölfen zeigte sich, dass Hunde vor allem bei Vergleichen wie etwa zwischen zwei und drei Futterstücken oder drei und vier Stücken Schwierigkeiten haben, während Wölfe das relativ sicher unterscheiden können.
„Hunde können die Futtermengen dann gut unterscheiden, wenn sie die Gesamtheit vor Augen haben", betont Range. Dafür benötigen sie allerdings weniger ihre Vorstellungskraft. Laut den Wissenschaftlern könnte es sich hier um eine Folge der Domestikation durch den Menschen handeln. „Haushunde müssen sich nicht mehr um die Futterbesorgung kümmern. Auch der Schlafplatz ist gesichert und die Partnerwahl von Menschenhand geplant. Der Hund ist somit von der natürlichen Selektion ausgenommen", liefert Range eine Erklärung.