Knalleffekt in der Hundezucht – Bulldog-Rasseklub aus deutschem Zuchtverband ausgeschlossen

Von Christoph Jung

Knalleffekt in der deutschen Zucht des Englischen Bulldogs:
Der für die Zucht zuständig gewesene Rasseklub wurde aus seiner Dachorganisation, dem Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) ausgeschlossen.
Der Grund: Der Klub sei nicht bereit gewesen, die neuen Zuchtrichtlinien zu akzeptieren, die im Mutterland der Rasse, in Großbritannien, festgelegt wurden und das Ende der Qualzucht bei dieser Rasse ­bedeuten sollen.

Ist dieser Knalleffekt im VDH der Beginn einer positiven Veränderung der Hunde­zucht, wie sie seit ­Jahren von vielen Experten gefordert wird? Nicht wenige Bulldog-Züchter revoltieren, wie Christoph Jung berichtet.

Der Englische Bulldog ist durch seine Rolle in zahlreichen Comics, Filmen, Büchern oder als Nationalhund der Briten weltweit bekannt. Er ist die erste ­Hunderasse überhaupt, die vom Arbeitshund zum Begleiter sozusagen umgeschult ­wurde. Das war in London 1835, nach­dem die Tierkämpfe in den ­Arenen endgültig verboten worden waren.

Selbst nach 180 Jahren Zucht als Begleiter des Menschen ­verkörpert ein echter Bulldog immer noch die wechselvolle Geschichte seiner Vorfahren. Diese waren Hütehunde für die Rinder der Briten, die Longhorns, Saupacker der Wildschwein-Jäger, Wach- und Schutzhunde auf den Gutshöfen und natürlich die Kampfhunde in den Arenen und Pits. ­Letzeres schon seit der Antike. Als gelernte Gladiatoren mussten sie zwei Eigenschaften verinnerlicht haben: In der Pit in Sekundenschnelle volle Kampfkraft gegen den Bullen unerbittlich und todesmutig ent­falten, dabei immer abrufbar bleiben. ­Zwischen den Kämpfen jedoch ­sollten sie gelassen, lammfromm und äußerst freundlich gegenüber ihren ­Menschen sein. Dieses Spannungsfeld im Wesen des Bulldogs ist heute noch erhalten. Es ist die Grundlage seines besonderen Charmes als Freund des Menschen. Der gesunde Bulldog ist ein idealer Begleiter in der heutigen, zuweilen hektischen Zeit.

Exzesse der Skurrilität

Aber es muss betont werden, ein „gesunder" Bulldog. Das ist leider bei weitem nicht ­selbstverständlich. Gerade in den vergangenen 30, 40 Jahren, in einer Zeit, wo mit ­Worten der Tierschutz ­hochgehoben und überall in Europa Nothunde ­gerettet werden, hat man diesen ­Hunden massiv Gesundheit und Lebensfreude geraubt. Die Bulldogs wurden immer massiger, faltiger, ­breiter, tiefer. Auf den Hunde-Ausstellungen wurden regelrechte Exzesse der Skurrilität gefeiert. Dass die Hunde kaum Luft bekommen, die schweren Falten im Gesicht lebenslanger Pflege bedürfen und 80% der Welpen per Kaiserschnitt zur Welt kommen, interessiert diese Szene vermeintlicher Bulldog-Freunde nicht.

Neuer Rassestandard nach ­öffentlichem Eklat

Nachdem die BBC-Dokumentation „Pedigree Dogs Exposed" 2009 ein öffentliches Schlaglicht auf solche Missstände geworfen hatte und der Bulldog auf eine Liste der Qualzucht gesetzt wurde, reagierte der für ­seinen Standard verantwortliche ­britische Kennel Club endlich. Der Entwurf für einen neuen Rasse­standard wurde umgehend vorgestellt. Es sollte keinerlei Spielraum mehr zur „Rechtfertigung" von Zucht-Eskapaden geben.

Postwendend ging ein Aufschrei durch die Züchter- und Halterschaft. Sogleich wurden Stimmen für eine Petition gegen den neuen Standard gesammelt. Die Führung des im Verein für das deutsche Hundewesen (VDH) organisierten Bulldog-Zuchtvereins, des Allgemeinen Clubs für Englische Bulldogs (ACEB), zählte zu den ­ersten Unterzeichnern dieser Petition. Das sei das Ende des Bulldogs, wurde kolportiert. Stattdessen wurde unter anderem ein Mindestgewicht von 4 kg für die Welpenabnahme festgelegt, um so den Züchtern eines sport­licheren, gesünderen Bulldog-Typs das Leben noch schwerer zu machen (Unser Rassehund, 10/2009).

Zugleich mehrten sich Stimmen, die eine Wende in der Zucht des Bulldogs forderten. Der Autor dieser Zeilen verfasste Mitte 2010 einen Brandbrief an den VDH mit einer Doku­mentation der Missstände sowie Lösungsansätzen. Im Oktober 2010 wurde der neue Standard des Eng­lischen Bulldogs von der FCI (Fédération Cynologique Interna­tionale) verabschiedet und war damit weltweit verbindlich. Trotzdem schien er von der ACEB-Führung ignoriert zu werden, der alte Standard ­wurde ­weiterhin auf der Webseite des ­Vereins propagiert.

In dieser Situation meldete sich der VDH-Präsident, Prof. Dr. Peter Friedrich, der seine Sorge über die Entwicklung aus­drückte und versicherte, sich für eine Gesundung des Bulldogs persönlich einsetzen zu wollen.

VDH kümmert sich selbst um den Bulldog

Im Frühjahr 2011 wurden dann Nägel mit Köpfen gemacht. Nach ­intensiver Beratung mit dem Autor dieses Beitrags verkündete der VDH, sich ab sofort unmittelbar selbst um das Schicksal dieser Hunderasse zu kümmern. Grundzüge eines Gesundzuchtprogramms für den Bulldog wurden vorgestellt. Der VDH-Vorstand stellte schließlich den Antrag auf Ausschluss des ACEB aus dem VDH. Es war ­übrigens das zweite Mal nach 1976, dass ein Bulldog-Verein aus dem VDH ausgeschlossen werden sollte, damals ganz offiziell wegen Tierquälerei. Für eine mehrjährige Übergangszeit sollen die Züchter des Bulldogs nun einen Vertrag direkt mit dem VDH ­schließen, der die Zuchtrichtlinien festlegt und kontrolliert sowie die Papiere ausstellt.

Ausstellungswesen und Zucht des Bulldogs werden konsequent getrennt. Die exakten Bestimmungen für die Zuchttauglichkeitsprüfung, die u.a. einen Fitnesstest ­enthalten wird, sind noch nicht endgültig verabschiedet. Sie stellen aber die Grundlage für das Ende der Extremzucht dar. Eine Hündin muss nach zwei ­Kaiserschnitten definitiv aus der Zucht genommen werden.

Der VDH zeigt sich entschlossen, eine Wende in der Zucht des ­Bulldogs durchzusetzen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich genügend Züchter finden werden, die bereit sind, diese Wende mit Leben zu erfüllen. Festhalten muss man auch, dass es einige ehemalige ACEB/VDH-Züchter gibt, die bis vor kurzem gerade wegen ihres Eintretens für einen gesunden Bulldog gemobbt worden seien und dabei vom VDH alleine gelassen worden seien. Manche hätten dann entnervt den Verband verlassen. Hier gibt es daher noch begründete Skepsis ob der Nachhaltigkeit der VDH-Wende.

Handlungsbedarf bei Ausstellungsrichtern

Handlungsbedarf besteht weiterhin bei den Ausstellungsrichtern, die nach wie vor Hunde, die evident dem neuen Standard widersprechen, wie etwa mit einer fast schon ­zeltartigen schweren Falte über der Nase, an vordere Plätze stellen. Schließlich muss es ein grundlegendes Umdenken bei den Welpenkäufern geben. Aufgrund seines hohen Preises ist der Bulldog ein beliebtes Opfer von Vermehrern, ­Hunde­händlern und zweifelhaften Züchtern mit Zwingeranmeldung über das ­Ausland. Leider kaufen viele vermeintliche Bulldogger dort ihre ­Welpen „preisgünstig". Die Zeche ­zahlen unterm Strich die Hunde, besonders mit dem Leid der Mutterhündinnen, die einen hohen Blutzoll für das „Preisbewusstsein" der deutschen Kundschaft und das Gewinnstreben solcher „Züchter" zahlen müssen, die leider häufig anzutreffen sind.

Hoffnung, gepaart mit kritischer Kontrolle

Der Bulldog wurde im öffentlichen Bewusstsein zu einem Symbol von Qualzucht. Nicht ohne Grund. Doch ist diese Sicht auch etwas oberflächlich. Beim Bulldog sind die Erscheinungen von Qualzucht offensichtlich, sieht man bspw. den keuchenden Hund, der nicht in der Lage ist, einen Begattungsakt zu vollziehen. Es gibt jedoch etliche Hunderassen, die noch viel krasser von Qualzucht betroffen sind, Qualzucht, die für den Außenstehenden aber nicht sichtbar ist. Man denke an die Zucht mit Erbkrankheiten von Herz und Niere oder Epilepsie.

Beim Bulldog wäre mit weniger schon viel gewonnen: Weniger massig, weniger Falten, weniger schwer, breit, tief. Und natürlich das Thema Atmung, das wiederum eng mit der Fähigkeit zur Thermoregulation gekoppelt ist. All diese Probleme erscheinen binnen weniger Jahre lösbar – ja, wenn die handelnden Menschen nur wollten, und das sind WIR. Durch die Maßnahmen des VDH und insbesondere durch das jahrelange Engagement einiger weniger Züchterinnen und Züchter innerhalb und außerhalb des VDH, die gegen den Strom der Moden und der Show-Zucht geschwommen sind, ist ein wenig Hoffnung für den Bulldog angebracht, Hoffnung gepaart mit kritischer Kontrolle.

180 Jahre nach seiner Entlassung aus dem Arbeitsleben hat sich der Bulldog einen robusten Kern erhalten. Gesunde Bulldogs sind fitter und beweglicher als man gemeinhin annimmt. Vielleicht wird dieser gesunde und fitte Bulldog bald ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken.

Im nächsten WUFF ein weiterer ­Artikel von Christoph Jung mit dem Titel „Die Wende in der Hundezucht?"

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