Kleinhund versus Großhund: Fronten sind menschengemacht

Von Maximilian Pisacane

Kleinhund versus Großhund – ein immer wieder ­präsentes Thema unter Hundehaltern. Gassireporter Maximilian ­Pisacane geht diesem Thema mit seinem Riesenbaby Rico auf die Spur. Schnell trifft er auf einen kläffenden und sich wild gebärdenden Kleinhund. Doch die Begegnung läuft ganz anders als erwartet …

Wild kläffte der kleine Racker am Zaun. Als Nachfahre von Terriern (das war dem Mischling deutlich anzusehen) gab das kleine Hundchen alles – sofern es sein Mut zuließ: Unsicher sprang er vor und zurück, das eh schon struppige Fell so weit aufgerichtet, dass er wie eine süße Plüschversion eines hüpfenden ­Kugel­fisches aussah. Dabei nahezu hysterisch bellend. Selbst mein Döggelchen Rico war offensichtlich irritiert – sein Blick sagte: Was ist das? Erst dann besann er sich seines Hundseins und antwortete entsprechend mit seinem Bariton-Wuff.

Der freche Kleine braucht mal eine Abreibung …
Nicht minder überrascht war ich aber von der Reaktion der Halterin. Sie war höchstens Ende 20 – und für die Verhältnisse der Modestadt Düsseldorf recht „natürlich“ attraktiv. Irgendwie hatte sie was Kameradschaftliches an sich. ­Jemand, mit dem man schon nach ­kurzer Zeit Äpfel stehlen würde … Sie stand innerhalb des eingezäunten Auslaufgebietes im Park und sagte: „Kommen Sie ruhig rein, der freche Kleine braucht mal eine Abreibung.“

Ich war so baff, dass mir nicht sogleich eine Antwort einfiel – kommt ja nicht oft vor. Offenbar bemerkte auch Rico meine Verwunderung, denn er vergaß für einen Augenblick sein Bellen. Wollte sie etwa ihren Hund los werden? Gut, mein kleiner Doggen-Wookiee ist zwar recht geduldig und will lieber spielen, aber irgendwann reißt ihm halt auch der Faden. Oder wollte sie ihn gar in einem Ritual von New-Age-Hexen opfern? 😉

Leinen los
Eigentlich hatten wir gar nicht vor, in den Auslauf zu gehen; machen wir eh dort nicht so gerne, ist für Ricos Größe ein wenig zu „eng“. Aber gut, nun ­waren wir neugierig, und da Don ­Ricotta sich eh wieder an sein ­Bellen ­erinnert hatte, konnten wir auch genau so gut reingehen. Doch am Tor beschlichen mich wieder Zweifel: „Sind Sie wirklich sicher?“, fragte ich daher. „Klar!“, sagte sie mit einem freundlich-spöttischen Lächeln, „Sie sind ja süß, Sie machen sich ja mehr Sorgen um meinen Hund als ich.“ Süß? Okay, das war ein Volltreffer ins Zentrum der Testosteron-Ehre. 😉 Wenn sie es so haben wollte, bitte. Also wischte ich meine Zweifel beiseite und trat ein. Und während der kleine Scottie (so hieß der höchstens 15 Kilo schwere Hund) immer hysterischer um uns herumsprang und bellte, machte ich Rico los …

Okay, ich vertraue da meinem Döggel­chen; schließlich habe ich ihn vom Welpenalter daran gewöhnt, auch mit kleineren Hunden zu spielen. Da geht das nicht so wild, wie er es mit seinen Molosser-Freunden in seiner Gewichtsklasse machen kann. Aber hund kann ja auch anders spielen. Dennoch war ich bereit, Rico sogleich zurück zu rufen, ja, ich hatte sogar schon Luft geholt, als er auf Scottie los stürmte. Doch im letzten Moment bremste er ab, Scottie schrie vor Schreck nahezu auf, und mit zwei Hüpfern forderte Rico den Kleinen zum Spiel auf. So als wollte er sagen: „Hey, chill mal und lass uns lieber spielen.“

Das begriff der ängstliche Terrier zum Glück recht schnell. Und es war eine Wonne, die beiden dann gemeinsam beim Spielen zu beobachten. Gerade weil es so anders war als mit Spielkameraden von Ricos Gewichtsklasse. Viel vorsichtiger, weniger wild. Wieder einmal staunte ich über die Komplexität dieser Tiere, unserer Hunde. Wie gut sie unterscheiden können und sich darauf auch physisch einstellen. „Sehen Sie, habe ich es doch geahnt, als ich Sie beide von weitem schon sah“, sagte die junge Frau wie zur Bestätigung, „und so nebenbei lernt meiner auch ein wenig was und verliert auch seine Angst vor größeren Hunden – besser so, unter kontrollierten Verhältnissen, als später auf der Straße.“ Ich wünschte, mehr Menschen hätten so viel Verantwortungsgefühl gegenüber ihrem Hund und ihrer Umwelt.

Gleichzeitig war ich dankbar, dass die beiden Hunde mir wieder eines bestätigten: Egal welcher Größe – es sind alles Hunde! Die Front zwischen Klein- und Großhundehaltern ist meines Erachtens nur eine menschliche Grenze. Hunde können zwar unterscheiden, aber eine Grenze ziehen sie nicht: sie erkennen auch kleine Hunde als das an, was sie sind – eben Hunde.

Klar muss man vorsichtig sein. Und gerade wenn der Größenunterschied besonders groß ist, sollte man die Aufsicht nicht vernachlässigen. Denn bei aller Anpassungsfähigkeit, ein wahres Gefühl für ihre Kraft und ihr Gewicht haben sie wohl nicht. Schnell kann da der gut gemeinte und als Aufforderung gedachte Pfotenstupser Schmerzen verursachen. Und bei allzu wildem Spiel kann ein unglücklicher Hüpfer sogar verletzen.

Dennoch, was soll dieses ­kleinkarierte Kleinhund vs. Großhund? Es ist doch gerade die Vielseitigkeit unserer ältesten tierischen Freunde, die uns ­begeistert. Wenn wir ihnen den Kontakt unter­einander verbieten, so sind doch Probleme geradezu vorprogrammiert. Hunde lernen halt nicht rein theoretisch. Klar, dass die kleinen Fiffis unsicher alles versuchen zu verbellen, in dessen Schatten sie verschwinden könnten. Und genauso klar ist es, dass dann die ­Großen darauf reagieren (der eine früher, der ­andere später). Aber es braucht in solchen Situationen nur einen Augenblick der Unaufmerksamkeit, nur eine kurze menschliche Schwäche oder was auch immer. Und schon stürmt dann der Größere auf den Kleinen zu – und zeigt was Sache ist. Spätestens dann ist das Geschrei groß.

Ist doch viel schöner und entspannter zu sehen, wie sich dagegen die beiden ­beschnüffeln. Ich genieße jedenfalls ­immer unsere Gassireport-Walks mit vielen unterschiedlichen Freunden – ­darunter sind auch viele kleine Fellfreunde mit großem Hundeherz.

Pdf zu diesem Artikel: gassireport_06_2017

 

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