Kampfhundepogrom in Deutschland

Von Dr. Dieter Fleig

Die Massenmedien
Seit Jahren sammeln die Massenmedien menschliches Unglück und münzen dieses um in Auflagen oder Einschaltquoten steigernde Schlagzeilen. Ein deutsches Massenblatt zeichnet sich seit Jahrzehnten besonders aus – hat durch Primitivjournalismus eine Spitzenstellung auf dem Zeitungsmarkt erobert. Dabei wird der „Aufmacher“ verkauft. Inhalte sind weniger gefragt – Journalismus mit umfassenden Hintergrundinformationen – sorgfältig recherchiert – gilt als grober Verstoß gegen die interne Hausordnung. Verkauft werden nur Schlagzeilen, Sensationen, Klatsch und Tratsch. – Jedes Volk hat die Presse, die es verdient – und bezahlt!
„Endlich! Hamburg tötet erste Kampfhunde! Warum nicht überall?“ Dieser Aufmacher auf der ersten Seite schmückte die Ausgabe vom 29. Juni 2000. Der Gruseleffekt dieser Schlagzeile wurde noch zielgerecht „angereichert“ durch das Bekenntnis der deutschen Kanzlergattin Doris Schröder: Auch meine Tochter wurde von Kampfhund bedroht! Auf Seite 6 erfahren wir dann von einer Begegnung mit einem im Park frei laufenden Pitbull. „Ich habe gekocht vor Wut, in diesem Park besteht Leinenzwang!“ Auch die Kanzlergattin ein Opfer der von „Bild“ erzeugten Massenhysterie?

Presseratbeschwerde gegen „BILD“
So macht man Auflagen steigernde Schlagzeilen. Besonders zu empfehlen in dem berüchtigten „Sommerloch“ als Ablenkung der Bevölkerung von Sorgen über rasant steigende Benzinpreise, überhöhte Steuern und Staatsverschuldung, Sinken der Renten … Das Kampfhundethema war offensichtlich absolut gleichwertig in der Berichterstattung mit den Niederlagen unserer Nationalmannschaft beim europäischen Fußballfestival – ein hochinteressantes Thema, um die Volksseele zum Kochen zu bringen. Übrigens – beim deutschen Presserat liegt eine massive Beschwerde gegen die Bildzeitung wegen Missachtung jeglicher journalistischer Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit dem Kampfhundethema. Arme, in Misskredit gebrachte Hunde!

Schrecklicher Unfall in Hamburg!
Ein schrecklicher Unfall in Hamburg löste eine beispiellose bundesweite Medienkampagne aus. Es war ein schlimmer Unfall, den jeder Mensch nur zutiefst bedauern kann. Weg mit den Kampfhunden! – Todesspritze für Killermaschinen! So tönte es aus Hamburg, aber auch alle anderen Medien berichteten entsetzt und umfassend über dieses Unglück. Und jeder denkende und fühlende Mensch, jeder echte Hundefreund wird sich heute mit der Forderung identifizieren, dass Hunde, wenn sie Menschen schwer verletzen oder gar töten, selbst getötet werden müssen. Menschenschutz geht vor Tierschutz!

Rassenwahn
Journalistische Sorgfaltspflicht fordert zwingend Hintergrundinformationen, die in der Berichterstattung zu diesem Fall leider oft zu kurz kam. Fest steht: menschliches Versagen des Hundehalters und der Behörden der Stadt Hamburg – sie waren die wirklichen Ursachen des Unfalls. Das Ordnungsamt Hamburg hatte eindeutig verfügt, dass der diesen Unfall auslösende Pitbull Leinen- und Maulkorbzwang unterliegt. Dieser Hund war schon mehrfach auffällig geworden – eine absolut vernünftige behördliche Schutzmaßnahme! Aber was nützen vernünftige Auflagen, wenn man ihre Einhaltung nicht überwacht, zumal wenn man weiß, dass der Hundehalter selbst vorbestraft ist? Was nützen überhaupt alle Gesetze und Verordnungen, wenn ihre Durchsetzung in unserem Staat durch Polizei und Ordnungsämter nicht gesichert ist? Wie oft kommen aus der Bevölkerung Hinweise über erbärmliche und gefährliche Hundehaltung, Tierquälereien, sich klar abzeichnende Gefahren, die wegen Überlastung – vielleicht auch, weil man sich mit einem bestimmten Milieu nicht gerne näher befasst – nicht verfolgt werden. Das wäre manchmal mit eigenen Gefahren verbunden! Dann ertönt der Schrei nach neuen Gesetzen, die wieder nicht durchgesetzt werden – können!
Für mich gibt es für die Hamburger Tragödie zwei Alleinschuldige – den Hundebesitzer – und die unfähige oder zumindest grob fahrlässige Hamburger Behörde. Nicht aber die Hunde! Sie waren das Werkzeug ihres Besitzers, sie wurden ungenügend und falsch erzogen. Sie sind Opfer, nicht Täter – und sie mussten das Fehlverhalten ihres Besitzers mit ihrem Leben bezahlen. Ebenso Opfer – unserer Politiker – sind die zahlreichen Hunde, die zufälligerweise den Rassen Pitbull oder Staffordshire Terrier angehören. Kollektivschuld für alle gleicher Rasse, gleichen Bluts – über viele Jahrzehnte in Deutschland glücklicherweise strikt abgelehnt und erloschen – hier feiert sie eine furchterregende Wiedergeburt!

Die Bestie ist der Mensch
Unter diesem einprägsamen Titel brachte es vor Jahren Immo Vogel, Chefreporter des Südwestfunks, in einer eindrucksvollen Fernsehsendung auf den Punkt. Missbrauch von Hunden finden wir nur bei einer extremen Minderheit, und leider haben hier Ordnungsämter und Polizei bei der Lösung des Problems kläglich versagt. Die steigende Kriminalitätsrate hat nichts – gar nichts – mit Hundebesitz zu tun! Kriminelle werden immer ihre Werkzeuge finden – trotz verschärftem Waffengesetz! Rottet man Hunderassen, die sie favorisieren, aus, werden sie neue finden oder ihre Hunde selbst „züchten“. Gegen eine solche Entwicklung helfen nur Hundehaltungsverbot, konkrete Zuverlässigkeitsüberprüfungen, Polizeikontrollen vor Ort. Werden dabei Hunde als „potenzielle Waffe“ festgestellt, müssen sie vor ihren Haltern gerettet werden. Unter gerettet verstehe ich Sozialisierung durch Umerziehung – nicht Umbringen! Die seriösen Hundehalter lehnen es zurecht ab, wegen kriminellen Missbrauchs oder grob fahrlässigen Umgangs mit Hunden einer extrem kleinen Minderheit in Kollektivhaft genommen zu werden. Oder wird man künftig unseren Sportschützen aufgrund des Waffeneinsatzes durch Kriminelle auch ihre Waffen einziehen? Kein vernünftiger Hundehalter wird sich gegen angemessene Zuverlässigkeitskontrollen wehren, wohl aber gegen Stigmatisierung durch Medienkampagnen und falsche Verordnungen.

Kampfhundehalter als Opfer!
Nach dem schrecklichen Hamburger Unfall führte ich über eine volle Woche täglich etwa 40 Telefongespräche, beantwortete 20 bis 30 E-mails und Briefe. Meine Anrufer ängstigten sich sehr, sehen sich von Medien und Politikern völlig zu Unrecht diffamiert und kriminalisiert. Die häufigste Frage lautete: „Was muss ich tun, wenn die Polizei kommt und mir meinen Hund wegnimmt?“ Das Vertrauen in Unverletzlichkeit der Wohnung, Recht auf Eigentum, kurz, zu unserem deutschen Rechtsstaat, wurde zutiefst erschüttert. Auslöser dieser echten Angst sind die Politiker, die sich durch eine Fülle nassforscher unüberlegter Sprüche geradezu darin überboten, „die Bevölkerung vor diesen Bestien zu schützen“. Ausgelöst von den Massenmedien fühlte sich jedes Bundesland, jeder Minister herausgefordert, seinen Teil zu diesem angeblichen Schutz beizutragen. Gesucht wird die härteste Kampfhunderegelung für das eigene Land, das massivste Vorgehen. Dabei spielte es dann eine völlig untergeordnete Rolle, dass sich mehr als hunderttausend Hundebesitzer zutiefst diffamiert und in ihren Rechten eingeschränkt fühlen.

Gassigehen wird Spiessrutenlauf
Und das zweite Zentralthema meiner „Telefonseelsorge“ war – die Angst der Hundebesitzer, weiterhin mit ihren Hunden spazieren zu gehen. Wohl gemerkt – in einem freien Staat, der verpflichtet ist, jeden Bürger zu schützen. Für viele Hundebesitzer wird der tägliche Spaziergang zum Spießrutenlaufen. Die verhetzte Bevölkerung attackiert die Hundehalter übel, Verbalinjurien und Schimpfworte sind die Regel, körperliche Attacken – noch – die Ausnahme. Wissen die Politiker, wissen die Medien, was sie hier angerichtet haben? Und was denken sich die Wohnungsgesellschaften – teils in öffentlicher Hand, die sich daran machen, ihre Mietshäuser von „unerwünschten Hundebesitzern“ planmäßig zu säubern? Öffentliche Verkehrsmittel einschließlich Bundesbahn verstoßen in aller Öffentlichkeit gegen die gesetzliche Beförderungspflicht, verweigern den Hundebesitzern die Mitfahrt. Und dies alles als Kollektivhaftung aufgrund der Kampfhundehysterie! Und die Rowdies, die wirklich Straßenbahnen „aufmischen“ – sie werden weiter transportiert. Sind Kampfhundebesitzer heute Menschen zweiter Klasse, oder ihrer Hunde wegen Aussätzige?
Ein Rückblick in Deutschlands Geschichte drängt sich auf. Ja – die unendlichen Qualen, die unser Land seinen Mitbürgern im Dritten Reich zugefügt hat, sind und bleiben einmalig – verbieten eigentlich Vergleiche zur heutigen Massenhysterie. Und doch benutzte einer meiner Anrufer den Begriff Holocaust für Hunde! Meinen Hinweis auf das Extrem dieses Vergleichs erwiderte er: „Sie mögen dies so sehen, aber ich bin selbst Jude. Und ich fühle mich im Jahre 2000 genauso in Deutschland behandelt – wegen meines Hundes – wie meine Familie, die in Deutschland den Judenstern tragen musste.“ Dieses Zitat möchte ich einfach so stehen lassen. Ausländer raus! Weg mit den Kampfhunden! Zitate aus den letzten zwölf Monaten in Deutschland, einem demokratischen Rechtsstaat!

Sieg der Antihundelobby?
Seit vielen Jahren konzentriert sich die Betrachtung des Hundes in den Medien auf drei Hauptprobleme:
Hunde setzen Kot ab – wie alle Lebewesen. Haben Sie auch schon Männer nach dem Kneipenbesuch an Hausecken urinieren sehen? Und wie sieht es mit den Müllhalden nach menschlichen Volksfesten aus?
Hunde bellen – andere Lebewesen sind auch laut. Ich denke an Menschen bei Volksfesten, nach dem Kneipenbesuch, bei Reiseveranstaltungen, auf Grillparties.
Hunde können beißen – jedes Geschöpf verfügt über ein eigenes Gewaltpotenzial. Auch gerade wir Menschen, wie sich bei Massenveranstaltungen wie Fußballspielen nur zu häufig zeigt.
Alle die großartigen Dienste, die uns das älteste Haustier, unser Hund, leistet, werden übersehen:
Mit Sicherheit werden jährlich sehr viel mehr Menschenleben von Hunden gerettet als gefährdet oder vernichtet. Ich denke an Rettungshunde, Lawinensuche, Polizei- und Diensthunde.
Unsere Hunde helfen kranken und behinderten Menschen (Blinde, Rollstuhlfahrer, Hörgeschädigte).
Der Hund ist für Familien und Kinder ein besonders wichtiger Sozialpartner, eine der letzten Brücken zur Natur und Umwelt. Für viele alten Menschen häufig einziger und verlässlicher Lebenspartner!
Die Kampfhundehysterie steigert die Hundefeindlichkeit in unserer Gesellschaft. Wenn sie siegt, werden alle Hundehalter, ausnahmslos alle Hunderassen gefährdet sein. Und dies wäre für unsere Gesellschaft, für die darin lebenden Menschen eine sehr bedrohliche Entwicklung und würde das älteste Haustier in seiner Existenz gefährden!



>>> WUFF STELLT VOR


Dr. Dieter Fleig ist Verleger von Europas größtem Spezialhundebuchverlag, Autor und engagierter Hundeexperte. Vielen WUFF-Lesern durch seine scharfen Analysen bekannt, war Dr. Fleig schon 1997 zusammen mit dem weltbekannten Verhaltensexperten Dr. Roger Mugford Hauptredner auf dem 1. Internationalen WUFF-Kampfhundesymposium (s. WUFF 7+8/1997).



>>> WUFF – INFORMATION


Groteske bei den neuen Kampfhundeverordnungen

Zur Stunde liegen mir die Verordnungen der Länder Hamburg und Nordrhein-Westfalen vor. Die vorgesehenen Maßnahmenkataloge reichen vom Haltungsverbot gewisser Rassen, Leinen- und Maulkorbzwang, Zuchtverbot, Importverbot, Handelsverbot bis zur Einziehung und Tötung der Hunde. Die aufgeführten Rassenkataloge sind grotesk und Beweis dafür, wie schlampig die Bürokratien vorgehen. In Hamburg gelten drei Hunderassen als unwiderlegbar gefährlich, zehn Rassen sind so lange gefährlich, bis dies durch Fachgutachten widerlegt ist. Nordrhein-Westfalen als größtes Bundesland ist besonders geschäftig. Eine erste Liste mit Zuchtverbot und schweren Einschränkungen enthält 13 „Hunderassen“. Weitere 29 Rassen gelten gleichfalls als gefährlich und die Haltung dieser Hunde wird wesentlich erschwert. Von den als „besonders gefährlich“ geltenden Rassen gibt es drei Rassen, die es überhaupt nicht gibt. Die Namen wurden von der bayerischen Liste abgeschrieben, die nach zehn Jahren noch immer in ihrer ursprünglichen schlampigen Form fortbesteht. Bei der zweiten Kategorie treffen wir auf Rassen, die mit Sicherheit nie zu den Kampfhunden gehörten, darunter Belgische Hütehunde, Dobermann und Rottweiler. Rassen, ohne jegliche Sachkunde aneinander gereiht – kein Lobesblatt für die Beamten in den Ministerien! Und ab sofort geht von allen diesen Hunden eine völlig neue Angst aus – geschaffen durch schlampige Verordnungsgebung.



>>> WUFF – INFORMATION


Literaturhinweise
Dr. D. Fleig: QUO VADIS CANIS – Der Hund, eine vom Aussterben bedrohte Tierart? Kynos Verlag 2000.
Dr. D. Fleig: KAMPFHUNDE…. wie sie wirklich sind, Kynos Verlag 1999.
Su Winter: KAMPFHUND SUCHT SCHUTZENGEL! Kynos Verlag 2000.
www.kynos-verlag.de


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