Ist Ihr Hund glücklich? – Wege zum Glück

Von Anna Hitz

Glücklich sein ist keine Glückssache, denn Glück entsteht durch viele kleine Mechanismen und Schritte. Mit den richtigen Tipps und Tricks kann man dem persönlichen und gemeinsamen Glück auf die Sprünge helfen.

Ihr Hund tut Ihnen gut. Er hält Sie nicht nur körperlich fit, die vielen Spaziergänge stärken auch Ihr Herz-Kreislauf-System, verbessern das Immunsystem und wirken chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Krebs, Bluthochdruck und Bronchitis entgegen. Auch der geistigen Gesundheit hilft Ihr Hund. Seine Anwesenheit, vor allem aber das Streicheln, senkt Blutdruck und Herzfrequenz. Das beruhigt das sympathische Nervensystem und es werden weniger Stresshormone wie Adrenalin ausgeschüttet, stattdessen wird das „Glückshormon“ Oxytocin freigesetzt. Außerdem sind Hundebesitzer selten allein, und damit ist nicht nur die Gesellschaft des Vierbeiners gemeint. Hunde liefern viel Gesprächsstoff, was dem Halter mehr Kontakt zu seinen Mitmenschen verschafft, und das tut ihm gut. Zudem stellen Hunde uns nicht in Frage. Dem Hund ist es egal, ob Sie CEO oder Angestellter sind. Auch diese Form der bedingungslosen Liebe senkt unseren Stresspegel, was wiederum glücklich macht und gesund erhält.

Die Sache mit der Torte und den Gefühlen
So betrachtet hat das Leben mit Hund für uns nur Vorteile. Dies gilt vor allem dann, wenn die Beziehung zu unserem Vierbeiner harmonisch ist und möglichst wenig Stress auf beiden Seiten verursacht. Denn unglückliche Hunde neigen zu Krankheiten, negativem Stress, Zwangshandlungen, aggressivem Verhalten, Hyperaktivität oder Lethargie. Denn auch Hunde erleben als komplexe Säugetiere Gefühlslagen wie Wut, Angst, Trauer, Frust und Langeweile.

Vermutlich sind Hunde hingegen nicht in der Lage, eine Sachlage zu reflektieren. Wenn also Ihr Hund während Ihrer Abwesenheit die Torte auf dem Tisch frisst, nützt es nichts, wenn Sie ihn zwei Stunden später gehörig ausschimpfen. Er wird sich durch die Schelte nur schlecht fühlen und Sie sich auch. Aber er wird nicht ver­stehen, dass Sie wegen der Torte mit ihm schimpfen. Ihr Hund wird davon ausgehen, dass Sie auf ihn wütend sind, weil er Ihnen in die Küche gefolgt ist. Er hat jetzt zwei Sachen gelernt: Wenn Sie weg sind, kann man ungestört Torte essen, und wenn Sie nach Hause kommen, wird man grundlos ausgeschimpft. Also, am besten alle Lebensmittel an einen für den Hund unerreichbaren Ort stellen.

Die Sache mit der Pyramide
Kennen Sie Abraham Maslow, den Gründervater der humanistischen Psychologie? Berühmt ist vor allem seine Bedürfnispyramide. Sie beschreibt menschliche Bedürfnisse und Motivationen: Es sind Kriterien, die in unserem Leben erfüllt sein müssen, damit wir glücklich sind. In der Abbildung auf Seite 36 finden Sie eine an die Bedürfnisse des Hundes angepasste Pyramide. Je weiter unten ein Kriterium in der Pyramide ist, ­desto wichtiger ist es. Wobei nicht jedes Bedürfnis einer Ebene erfüllt sein muss, damit diejenigen der höheren Ebene erfüllt werden können.

Glück geht durch den Magen
Essen ist ein Grundbedürfnis und hat viele Vorteile. Wussten Sie, dass Kauen beruhigt und klug macht? Die Arbeit der Kaumuskulatur versorgt den Kopf mit Blut und soll die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessern. Die verstärkte Blutzufuhr soll sich positiv auf die Stressbewältigung, das Konzentrations­vermögen und die Denkleistung auswirken. Zusätzlich wird das Gehirn durch die Reizung des dicht mit Nerven durchzogenen Mundraums angeregt. Das wirkt ­stimulierend und entspannend. ­Deshalb gibt man dem Hund etwas zum Kauen, wenn man ihn alleine lässt. So ist er beschäftigt und wird durch das Kauen ruhiger.

Essen macht glücklich. Deshalb ist es gut, wenn Sie Ihren Hund mit Hilfe von Futter erziehen. Aber noch besser ist es, wenn Ihr Hund jeden Tag zwei geregelte Mahlzeiten bekommt, die er in Ruhe futtern darf. Wer seinem Tier die normalen Futterrationen vorenthält, bringt ihm bei, dass es dem Menschen in Futtersachen nicht vertrauen kann. Dabei ist Essen etwas Soziales und Entspannendes. Essen bedeutet Schutz, Fürsorge und Geborgenheit. Denn Essen ist zwischen allen Säuge­tiermüttern und -kindern eine der ersten Interaktionen und dient der Ernährung, aber auch Beruhigung des Nachwuchses. Außerdem geben feste Mahlzeiten dem Hund in unserem Alltag Struktur und etwas, worauf er sich freuen kann.

Vergessen Sie den „alten Zopf“, dem Hund seine Stellung dadurch zu demonstrieren, dass er zuletzt zu essen bekommt, es sich mit dem Dummiebeutel erarbeiten muss oder es quasi per Zufall in der Wohnung findet. So beschreibt der Verhaltensbiologe Udo ­Gansloßer, dass bei Schimpansen „die Kompetenz des Anführers, durch die Fähigkeit bestimmte Ressourcen zu erschließen, eine wichtige Rolle spielt.“ ­(GANSLOSSER, Udo, 2007) Also vertraut wird dem, der erfolgreich Futter findet und teilt. „Wenn man etwa einem Schimpansen verstecktes Futter zeigt, dann folgt die Gruppe ihm, wenn sie ihn schon lange kennt und weiß, dass sie von ihm etwas abbekommt. Dem Ranghohen folgt man häufig deshalb nicht so gern, weil man weiß, dass er sowieso alles für sich behält“, so Gansloßer. Nicht nur Schimpansen, auch Wölfe teilen ihre Mahlzeiten im Rudel. Man gehört zusammen und sorgt für einander. Das ist wichtig für die Stabilität einer Gruppe und bildet einen Grundbaustein des Vertrauens.

Sicherheit macht glücklich
Sicherheit beginnt im Mutterleib. ­Dieses Gefühl, beschützt und umsorgt zu sein, soll möglichst nie enden. Welpen, die eine fleißige Mutter haben und in einem sie umsorgenden Verband groß werden, werden ­selbstbewusste Abenteurer, denn sie haben jemanden, der auf sie aufpasst, während sie die Welt entdecken. Wenn der Hundebesitzer seinen Hund möglichst häufig mitnimmt, ihm zeigt, wie er mit Situationen umgehen soll, und ihn vor Gefahren schützt, dann wird sein Hund ein Sicherheitsgefühl entwickeln. Denn dieser Hund kennt seinen Lebensraum und die Spielregeln. Er hat die Menschen und Hunde in seiner Umgebung kennengelernt und sich den Gewohnheiten seines Besitzers angepasst. Das passiert relativ einfach, indem man den Hund an seinem Leben aktiv teilhaben lässt. Denn dafür ist das Lernen primär da, um sich an seine Umwelt und die Gemeinschaft anzupassen. So berichtet auch Anders Hallgren, Hundepsychologe und Buchautor: „Es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz der Natur, dass sie (die Wölfe) ihre Aktivitäten mit den anderen synchronisieren, vor allem mit den Elterntieren. Legen sich die Elterntiere zur Ruhe, legen sich auch die anderen Rudelmitglieder nieder. Erwacht jemand von ihnen, erwachen auch die anderen. Fangen die Älteren an zu gehen, gehen auch die anderen. Auf diese Weise sind alle gleichzeitig ausgeschlafen oder müde. Das führt dazu, dass das Rudel zusammenhält und die Zusammenarbeit gestärkt wird.“ (HALLGREN, Anders, 2010).

Glück liegt in der Gemeinsamkeit
Ihr Hund liebt Sie über alles. Sie und Ihre Familie ihn hoffentlich auch. Dann haben Sie eine Bindung, die physiologisch ihren Ausdruck findet in den beiden Hormonen Oxytocin und Vasopressin. Diese „Glücks­bringer“ werden im Gehirn produziert. Oxytocin beispielsweise wird durch jede angenehme Berührung ausgeschüttet und macht nicht nur glücklich, sondern auch gesund, da es Stress entgegenwirkt, den Blutdruck und Cortisolspiegel senkt, beruhigt und die Wundheilung verbessert. Streicheln Sie Ihren Hund. Es macht Sie beide glücklicher und gesünder. Oxytocin wird auch während der Geburt ausgeschüttet und ist für die Mutter-Kindbindung verantwortlich. Später spielt es bei jeder Form einer Beziehung eine wichtige Rolle. Seine stärkste Wirkung entwickelt es bei festen Partnerschaften oder, wie es Gansloßer formuliert: „Es zeigt sich, dass nur ein individuell gebundener Beziehungspartner, nicht einfach nur ein bekanntes Tier, die Fähigkeit zur Reduktion von Stress und anderen Belastungserscheinungen und zur Verbesserung des Gesundheitsstatus hat.“ (GANSLOSSER, Udo, 2007)

Ideal ist ein gutes Bindungsnetz, wie man es bei Menschen in großen Familien und Freundeskreisen sieht. Es ist für den Menschen und für den Hund schön, wenn er verschiedene Menschenkumpel hat, die für ihn da sind, wenn Sie einmal keine Zeit haben.

Erlerntes Glück
Das Beste zuerst: Glück ist erlernbar. Glück und verschiedene Glücksgefühle entstehen im Kopf, wie auch das Hormon Dopamin, das im Gehirn produziert wird. Dopamin wirkt auf das Frontalhirn, wo das ­Lernen stattfindet, und bewirkt dort die ­Endorphinausschüttung. Diese Endorphine bereiten im Frontalhirn das große Freudengefühl. Das ist ein genialer Kniff unseres Körpers. Denn so macht Lernen Spaß, und was man mit Freude lernt, merkt man sich besser und kann es besser mit anderem Wissen verknüpfen. Positives Lernen ist also ein Erfolgserlebnis und stärkt die Persönlichkeit. Durch den „Aha-Effekt“ wird das Individuum in seiner Erfahrung bestärkt. Es gewinnt mehr Vertrauen in seine Fähigkeiten und wird sein Wissen vermehrt einsetzen, denn es hat damit Erfolg. Deshalb sind positive Erziehungsmethoden, wie der Clicker, so erfolgreich. Der Hund wird animiert, mitzudenken, und sofort bestätigt, wenn er eine Übung richtig gemacht hat. Dadurch weiß der Hund, dass er die Übung verstanden hat, und bekommt dieses glücksbringende, lernverstärkende Aha-Erlebnis. Der Clicker ist eine Möglichkeit, dem Hund stressfrei erwünschtes Verhalten und Tricks beizubringen, und für Ihren Hund eine Chance zu verstehen, was Sie von ihm wollen. Also nicht, dass Ihr Hund perfekt sitzt, ist das Ziel, ­sondern, dass er versteht, was mit Sitz gemeint ist.

Die Kehrseite davon: Glück ist ­verlernbar. Das liegt daran, dass unser Gehirn vom ersten bis zum letzten Tag fähig ist Neues zu lernen. Dazu muss es ständig Zellen erneuern. Es baut immer die Zellen nach, die viel verwendet werden. Wird also eine Region häufig animiert, wird auch das Potenzial dieser Region größer. Ein Hund, der viele Denkübungen macht, wird rascher neue Aufgaben lösen, da sein Gehirn sich darauf eingestellt hat. Dasselbe gilt aber auch für Hunde, die viel Frust erleben, denn auch ihr Frust­potenzial wird durch das ständige Einüben größer. Es liegt an uns, was wir unseren Hunden bieten. Ihr Gehirn ist für alles bereit.

Glück liegt in der Individualität
Individualität ist das, was Ihren Hund einzigartig macht. Sie unterscheidet Ihren Hund von allen anderen Hunden. Je besser die zuvor beschriebenen Bedürfnisse Ihres Hundes abgedeckt sind, desto mehr werden seine Persönlichkeitsmerkmale hervortreten. Ist Ihr Hund ein langsamer Denker? Gut, er denkt sorgfältig. Isst er gerne viel? Toll, er wird nie ein mäkeliger Fresser werden. Mag er keine anderen Hunde? Er ist Individualist und verbringt seine Zeit lieber mit Ihnen. Was auch immer Ihr Hund für Ecken und Kanten hat, freuen Sie sich darüber und zeigen Sie ihm, dass Sie ihn mögen. Das hilft ihm, denn für Ihren Hund sind Sie das Wichtigste auf dieser Welt. Und es hilft Ihnen, denn dann merken Sie, dass Sie Ihre persönliche Lassie längst an Ihrer Seite haben.

Zum Nachdenken
Viele Hunde ruhen 20 Stunden und mehr pro Tag. Das kann Hyperaktivität, Passivität oder Problemverhalten zur Folge haben. Es braucht nur etwas, um den Hund aus dieser Langeweile zu entreißen: Es braucht Sie! Gehen Sie mit Ihrem Hund pro Tag 2-3 Stunden spazieren. Machen Sie aus einem Routinegang einen Abenteuerweg. Lassen Sie Ihren Hund auf Parkbänke springen, über liegende Bäume balancieren oder Kekse in Baumrinden suchen. Zu Hause verstecken Sie etwas zum Kauen und lassen es ihn suchen. Stecken Sie Leckerli in Papierrollen mit umgeknickten Enden und lassen Sie Ihren Hund die Leckerli herausholen. Bauen Sie kleine Denkübungen in den Alltag ein. Das kostet Sie keine fünf Minuten, gibt Ihrem Hund aber ein großes Mehr an Lebensqualität. Ihr Hund will mental gefordert werden und er will dazu gehören. Deshalb nehmen Sie Ihren Hund, wenn es sicherheitstechnisch und gesundheitlich möglich ist, mit: Wenn Sie zum Einkaufen fahren, zum Kaffeekränzchen, ins Restaurant oder zur Post. So kann er sich in Ihren Alltag integrieren und fast von selbst ein spannenderes und glücklicheres Leben bekommen. Und Sie auch, denn Sie werden immer einen guten, glücklichen Freund an Ihrer Seite wissen.

INFORMATION

Zitierte Literatur

■  GANSLOSSER,  Udo (2007): ­Verhaltensbiologie für Hunde­halter: Verhaltensweisen aus dem Tierreich verstehen und auf den Hund beziehen

■  HALLGREN, Anders (2010): ­Lyckliga lydiga Hundar

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