Ist der „Tut-Nix-Hund“ der Gutmensch unter den Caniden…?

Von Maximilian Pisacane

Da! Sie haben sich entdeckt. Mit einem Schlag bleiben sie stehen. Die Nasenflügel beginnen zu vibrieren. Erste Fernsondierung startet. Die Körperhaltung ist lauernd. Langsam kommen sie sich näher, pirschen sich heran. Und dann: Plötzlich, wie ein Kaltstart, auf ein den meisten Menschen entgehendes Signal hin, stürmen sie aufeinander los. Und dann pflügen die beiden Hunde mit sichtlicher Freude die Wiese um, rennen was das Zeug hält um die Wette und ­animieren sich immer wieder zum gegenseitigen Jagen. Ganz klar, hier hatte einer aus der Fraktion dieser „Der-Tut-Nix-Hunde“ unsere Gassirunde gekreuzt.

Endlich mal wieder ein normaler Hund, seufzte die Dame im mittleren Alter mit einem erleichterten Lächeln um die Lippen. Den Satz hatten wir zwar schon öfter gehört, aber selten mit so viel melancholischer Emotion. Interessanterweise brachte das Thema auch eine neue Bekannte nur wenig später zur Sprache. Sie hat auch einen dieser „Tut-nix-Hunde“. Er läuft auch immer freudig wuffend und hüpfend auf andere Fellgenossen zu. Doch dafür kassiert sie als Halterin immer öfter Schelte …

Was ist nur geschehen? Warum haben seit einiger Zeit „Tut-nix-Hunde“ so ein schlechtes Image? Warum wird der Begriff schon abwertend verwendet? Irgendwie erinnert mich diese Umdeutung an die von AfD und Pegida beim Wort „Gutmensch“. So wie dieser, gilt „Tutnix“ fast schon als Schimpfwort – zumindest unter den „Hunde-Trumpisten“.

Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich meine hier die „Tutnixe“ im wahrsten Sinne des Wortes: also gut sozialisierte Hunde. Und für die ist es völlig normal, dass sie den Kontakt zu Artgenossen suchen. Ja mehr noch, in jedem Fachbuch wird dies sogar für eine gesunde Entwicklung empfohlen – auch wenn wir Menschen erstaunlicherweise die primäre Bezugsperson für unsere ­Canidenfreunde sind.

Und nun sind sie „die Bösen“? Sollen gefälligst an der Leine bleiben? Also ich bin ja sehr für Rücksichtnahme – ist immer wieder ein Thema in unserem Blog. Aber irgendwie erscheint es mir auch unlogisch, dass sich die ­„normalen“ Hunde an die – nennen wir sie mal „weniger normalen“ – anpassen. Wir Menschen kommen doch auch nicht auf die Idee, uns an die weniger sozialisierten Menschen anzupassen. Im Gegenteil, wir versuchen ihnen mit Therapien zu helfen.

Die logische Konsequenz ist dann diese: wenn die „Tutnixe“ sich nicht ausleben können, werden sie sich auch weniger gut sozialisiert entwickeln. Das Problem gewinnt dadurch also nur an Breite. Damit wäre jedoch niemandem gedient (außer vielleicht Hundeschulen, in ­denen dann die Probleme mit der ein oder anderen Methode wegtrainiert werden sollen) und wir nehmen uns damit eine große Freude: spielenden Hunden zusehen.

Wie schon gesagt (man kann es auch nicht oft genug wiederholen): Halter sollten Rücksicht nehmen! Denn es gibt in der Tat Hunde, die keinen Kontakt wollen. Das kann die unterschiedlichsten Gründe haben: schlechte Erfahrungen, Krankheit, Alter etc. Allerdings sollten sich Halter da vielleicht auch fragen, inwiefern der Hund sie nur widerspiegelt. Zumal neuere Studien nahelegen, dass die Persönlichkeitsmerkmale von Haltern wesentlich stärkeren Einfluss auf den Hund haben als bisher von vielen angenommen. Statt also andere abzuwerten, täte vielleicht ein wenig Selbstreflexion gut – schon dem eigenen Hund zuliebe.

Wir – also mein kleiner Doggen-Wookiee Rico und ich – freuen uns jedenfalls immer, wenn wir solche „Tutnixe“ treffen – also die echten jetzt. Mein Döggelchen hat im Idealfall einen neuen Spiel- und Schnüffelkameraden und ich genieße einfach den Anblick der fröhlich rumtobenden und rennenden Hunde. Ist es doch mit einer der ­Hauptgründe für unsere Gassirunde. Angesichts des schlechten TV-Programms meiner Meinung nach auf jeden Fall immer die bessere Alternative. Und wenn ich so die verzückten Gesichter anderer Halter nicht völlig fehlinterpretiere, erfreuen sie sich ebenso daran wie ich. Also liebe „Tutnixe“, tut bitte weiter das, was ihr bisher gemacht habt: eben ganz normale Kontaktaufnahme zu Artgenossen. Und wenn die Halter – egal ob von ­„Tutnixen“ oder nicht – gegenseitig Rücksicht nehmen, dürfte das Ganze auch echt kein Problem sein. Aber vielleicht ist es das ja: Eventuell brauchen wir Menschen ein Problem – einfach als Beschäftigungstherapie. Und wenn wir keines haben, suchen wir uns eben eines – die Einen die „Gutmenschen“, die Anderen eben die „Tutnixe“.

Pdf zu diesem Artikel: gassireport_05_2017

 

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