Im Fokus: Qualzucht

Von Pascal Becker

WUFF: Ende des Jahres 1999 wurde vom damaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ein unter anderem von Ihrer Institution initiiertes Qualzuchtgutachten veröffentlicht. Das Tierschutzgesetz beinhaltete diese Problematik zum damaligen Zeitpunkt jedoch schon. Unter § 11 b heißt es: „Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten, wenn der Züchter damit rechnen muss, dass bei der Nachzucht aufgrund vererbter Merkmale Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten." Warum hielten Sie damals dennoch eine Präzisierung durch das genannte Gutachten für nötig?

Schröder: Das gesetzlich geregelte Qualzuchtverbot gilt bereits seit 1986, aber dieser Paragraf blieb lange unbeachtet. Es fehlte eine einheitliche Beurteilungsgrundlage, wonach festgestellt werden konnte, in welchen Fällen von einem Verstoß gegen §11b TSchG ausgegangen werden muss. Deshalb war das Gutachten dringend notwendig.

WUFF: Wie ist denn das Gutachten von den Lobbyisten der Hundezucht, bspw. dem VDH, aufgenommen worden?

Schröder: Die Entstehung des Gutachtens war für alle seriösen Zuchtverbände und damit auch für den VDH als den größten deutschen Hundezuchtverband wichtig und wurde begrüßt. Durch das Gutachten wurde es den Zuchtverbänden ermöglicht, gezielter auf Veränderungen bestimmter Merkmale im Standard der Rassen sowie auf die Eliminierung von Krankheiten, die gehäuft bei bestimmten Rassen auftreten, hinzuarbeiten. Leider halten vereinzelt Zuchtvereine wider besseres Wissen an tierschutzrelevanten Zuchtzielen fest. Gravierender ist, dass nicht alle Züchter in Verbänden organisiert sind und/oder deren Standards nicht beachten.

Qualzucht: Hat sich was geändert?

WUFF: Haben Sie den Eindruck, es hat sich seit Veröffentlichung des Gutachtens etwas in der Hundezucht geändert?

Schröder: Ja, es gibt Verbesserungen, auch wenn sich diese nur in sehr kleinen Schritten einstellen. Und deshalb bleiben wir an dem Thema dran und drängen in Fachgesprächen weiter auf Umsetzung. Wie gesagt, es gibt Verbesserungen, zum Beispiel: Bei Rassen, wie Retriever oder Deutscher Schäferhund ist die Hüftgelenkdysplasie zwar auch heute noch ein Problem. Durch die gezielte Auswahl der Elterntiere durch seriöse Züchter ist aber das Auftreten der Erkrankung erfreulicherweise zurückgegangen. Nach meiner Einschätzung ist auch die Anzahl an Chow-Chows und Pudeln, die an den Folgen eines Entropiums (eingerollte Augenlider) leiden, geringer geworden. Mit seiner Öffentlichkeits- und Beratungsarbeit weist der Deutsche Tierschutzbund immer wieder auf die Probleme der Zucht hin. Es darf nicht unterschätzt werden, dass dadurch der Hundeliebhaber kritischer geworden ist, vom Züchter vermehrt Gesundheitsnachweise einfordert und oftmals von ganzen Rassen (wie beispielsweise dem mexikanischen Nackthund) Abstand nimmt. Das ist ein Erfolg, wenn auch noch kein Durchbruch.

Warum erhebt der DTB keine Musterklage bei Qualzuchten?

WUFF: Ihnen ist bekannt, dass das Zuchtziel gewisser Rassen eindeutig auf die Erfüllung des Tatbestandes nach § 11 b hinausläuft? Hier möchte ich beispielhaft den English Bulldog oder den Mops anführen. Die auf den einschlägigen Zuchtausstellungen aktuell prämierten Exemplare dieser Rassen weisen objektiv eine Übertypisierung auf, die den Spezifizierungen im Gutachten entsprechen und einen empfohlenen Zuchtausschluss zur Folge hätten. Es verwundert, dass ein solcher auch 6 Jahre nach Veröffentlichung des Gutachtens in keinem Fall ausgesprochen wurde. Woran liegt das?

Schröder: Das Gutachten gibt leider nicht die Möglichkeit, die Zucht bestimmter Rassen von Vornherein zu verbieten. Es gibt dem Amtstierarzt nur den Handlungsspielraum im konkreten Einzelfall einzugreifen und die Zucht bzw. Ausstellung der betreffenden Hunde zu verbieten. Nicht selten zieht ein solches Verbot ein langwieriges juristisches Verfahren nach sich, vor dem viele Amtstierärzte zurückschrecken. Es bleibt der Appell, dass die Zuchtverbände und die Züchter in der eigenen Branche aufräumen und dies auch deutlich öffentlich machen.

WUFF: Zu einer Musterklage wäre doch vor allem der Deutsche Tierschutzbund prädestiniert. Warum ist dieser hier noch nicht tätig geworden?

Schröder: Da es noch keine Verbandsklage im Tierschutzrecht gibt, bleibt uns nur die Möglichkeit, Strafanzeige zu erstatten. Die Anzeige muss sich immer auf einen konkreten Fall beziehen und einen hinreichenden Anfangsverdacht für eine Straftat beinhalten, damit der Staatsanwalt Klage gegen Züchter erhebt. Die Durchführung eines Musterverfahrens setzt dann voraus, dass Fakten belegbar sind, interne Informationen, die normalerweise nur der Züchter hat, bezeugt werden und tierärztliche Befunde durch den behandelnden Tierarzt zugänglich gemacht werden. Die Beweislage reichte bisher nicht aus, um einen Präzedenzfall zu schaffen. Auch hier sage ich noch einmal: Die Züchter selbst könnten hier auch eine Menge tun, nicht nur der Tierschutz.

Keine normale Geburt mehr …

WUFF: Es ist bekannt, dass die Mehrheit der Geburten bei den English Bulldogs nicht auf natürlichem Wege, sondern per sectio erfolgt. Im Gutachten wird empfohlen, die entsprechenden Vererber nach dem zweiten Kaiserschnitt aus der Zucht heraus zu nehmen. De facto würde dies das Ende der deutschen English Bulldog-Zucht bedeuten. Hat der Deutsche Tierschutzbund Ressentiments, einen solch harten, aber für das Wohl der Tiere wohl erforderlichen Schritt zu gehen?

Schröder: Wie oben dargestellt, reicht die bloße Behauptung, dass alle Welpen der englischen Bulldoggen nur über Kaiserschnitt zur Welt kommen, nicht aus, um gegen alle Züchter der Rasse vorzugehen. Wir gehen davon aus, dass sich die Züchter, die dem VDH angeschlossen sind, verbindlich an das Gutachten halten und damit auch, dass eine Zuchthündin nach dem zweiten Kaiserschnitt aus der Zucht herausgenommen wird. Müssten somit alle Hündinnen aus der Zucht herausgenommen werden, wäre das „Verschwinden" der Rasse aus Sicht des Tierschutzes nur konsequent und damit auch begrüßenswert. Es liegen uns aber keine Beweise dafür vor, dass dieser Sachverhalt zutrifft. Zur Klarstellung: Der Deutsche Tierschutzbund setzt sich für den sozial verträglichen Hund ein und ist kein Rassevertreterverband. Wenn durch ein Verbot Tierleid abgewendet werden kann, wird es von uns sicherlich keinen Einspruch geben.

WUFF: Mopsbesitzer, aber auch die Anhänger des English Bulldog, schwärmen geradezu davon, dass ihre Hunde eine besondere Sprache beherrschen würden. Das Schnorcheln und Schnarchen ihrer Tiere sei praktisch eine rasseimmanente „Begabung". Unter Veterinärmedizinern ist allerdings nicht erst seit heute bekannt, dass das disproportionierte Wachstum der Schädelknochen hierfür verantwortlich ist. Auch in ihrem Gutachten ist die Rede hiervon. Bei den brachycephalen Rassen führt dieses Zuchtziel in vielen Fällen zu einer Verkleinerung der Nebenhöhlen, Stenosen in den Nasenöffnungen und -gängen sowie einen relativ zu langen weichen Gaumen. Als Folge treten die missinterpretierten Atembeschwerden auf, die oft bis zu Atemnot, Störung der Thermoregulation, Hitzschlaggefährdung und Schluckbeschwerden führen.

Schröder: Auch hier auf den Punkt gebracht: Nur weil jemand davon schwärmt, was sein Tier auf Basis von Tierqual alles kann und das alles doch sinnig sei, dürfen Sie keinen Jubel erwarten. Das ist Tierqual.

WUFF: Erschreckt es Sie nicht, dass dieses Gerücht mit der eigenen Sprache sich so hartnäckig hält, dass es nach wie vor, selbst in den eigenen Rasseportraits der Zuchtbuch führenden Vereine, nachzulesen ist?

Schröder: Dass Halter die Kurzatmigkeit ihres Tieres als „Begabung oder eigene Sprache" bezeichnen, habe ich noch nie gehört. Das scheint mir eher ein Scheinargument, um die Lage schönzureden. Das akzeptiere ich nicht. Was mir aber durchaus bekannt ist, ist die Tatsache, dass Halter von Hunden mit extremer Kurzköpfigkeit oftmals schmerzlich mit den Problemen ihrer Lieblinge konfrontiert werden und in einigen Situationen sogar ihren Tierarzt konsultieren müssen.

Was macht der DTB?

WUFF: Was wird von Ihrer Seite aus geschehen, um die Umsetzung der Empfehlungen des Qualzuchtgutachtens in Zukunft zu sichern?

Schröder: Der Deutsche Tierschutzbund strebt bereits seit Jahren an, dass das Gutachten zur Auslegung des §11b des Tierschutzgesetzes sowie Regelungen zur Haltung, Kennzeichnung und zum Umgang mit Heimtieren in eine rechtsverbindliche Form, als Heimtierschutzgesetz oder als Verordnung, gebracht werden. Dadurch würde die rechtsverbindliche Grundlage geschaffen, auch die Zucht ganzer Rassen zu verbieten. Außerdem fordern wir die Verbandsklage, die uns bei der Einforderung des Tierschutzes mehr Freiraum bietet.

WUFF: Herr Schröder, haben Sie herzlichen Dank!

MEIN APPELL …

an alle Hundeliebhaber: Schauen Sie sich zuerst im Tierheim um!

Thomas Schröder, DTB-Geschäftsführer

WUFF INFORMATION

Deutscher Tierschutzbund

Der Deutsche Tierschutzbund (DTSchB) wurde im Jahre 1881 als Dachorganisation der Tierschutzvereine und Tierheime in Deutschland gegründet, um dem Missbrauch von Tieren wirksamer entgegentreten zu können. Heute sind ihm 16 Landesverbände und über 700 örtliche Tierschutzvereine mit mehr als 500 vereinseigenen Tierheimen angeschlossen. Mit mehr als 800.000 organisierten Tierschützerinnen und Tierschützern ist der Deutsche Tierschutzbund Europas größte Tier- und Naturschutzdachorganisation. In diesem Jahr begeht der Deutsche Tierschutzbund sein 125jähriges Bestehen. Für die Jubiläumsfeierlichkeiten hat Bundespräsident Horst Köhler die Schirmherrschaft übernommen.

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