Im düsteren Reich der Parasiten

Von Dr. Frank Woerner

Schon in der Antike fielen Heilkundigen Organismen auf, die sich in den Organen und auch auf der Körperoberfläche der Menschen und ihrer Haustiere befanden und über deren Herkunft und Bedeutung teilweise bis in die Neuzeit hinein zahlreiche und teilweise absurde Theorien entwickelt wurden. Andererseits war aber auch schon seit frühesten Zeiten bekannt, daß von diesen Lebewesen eine Gefahr für den Befallenen ausging.

1. Allgemeine Ökologie der tierischen Parasiten
Parasiten, von den meisten Menschen wohl aus Unkenntnis mit Ekel und Abscheu betrachtet, sind bei näherer Beschäftigung eine faszinierende Gruppe von teilweise hoch spezialisierten Organismen aus den verschiedensten Tierstämmen, von den Einzellern bis hin zu den Wirbeltieren. Alle Stämme des Tierreiches haben im Laufe der Evolution parasitäre Formen hervorgebracht und man schätzt, daß bis zu 20% aller derzeit lebenden Tierarten Parasiten sind. Tierklassen, die keine parasitären Lebensformen hervorgebracht haben, sind eher die Ausnahmen.
An dieser Stelle sollen die ökologischen Besonderheiten einiger Parasiten näher beleuchtet werden, wobei hier schon deutlich verwiesen werden soll, daß Parasiten – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – Organismen sind, die den gleichen ökologischen Gesetzen wie die freilebenden Tiere und Pflanzen unterworfen sind. Mit bestimmten Parasiten seines Tieres wird praktisch jeder Hundehalter konfrontiert (Schätzungen gehen davon aus, daß in unseren Breiten der Hund von ca. 60 Parasitenarten bedroht ist), und von einigen von ihnen geht eine potentielle Gefahr für die Gesundheit auch des Menschen aus. Die Kenntnis der Biologie, vor allem der Lebenszyklen der Parasiten, ist ein wesentlicher Grundstein für eine evtl. notwendige Bekämpfung, oder besser noch für Präventivmaßnahmen.

Tierische Parasiten
Die Ausführungen in dieser Serie beziehen sich ausschließlich auf Parasiten aus dem Tierreich; die zahlreichen pflanzlichen Formen, hier sind vor allem die Pilze und Bakterien mit ihrer herausragenden wirtschaftlichen und medizinischen Bedeutung hervorzuheben, sind das Forschungsthema insbesondere der Mykologie und Bakteriologie und werden mit unterschiedlichen Untersuchungsmethoden erforscht und bearbeitet. Beide Formengruppen werden im weiteren hier nicht diskutiert.
Eine eindeutige und allgemeine Definition des Begriffes „Parasitismus“ ist schwer zu geben, da es nicht immer sauber gelingt, eine scharfe Grenze zwischen Parasiten und Räubern zu ziehen. Selbst einige Formen der Symbiose – also das dauerhafte Zusammenleben zweier grundverschiedener Organismen, die durch diese Lebensform beide ihren Vorteil haben – können unter einem anderen Blickwinkel als ein gegenseitiger Parasitismus gesehen werden.
Die Parasiten bilden zudem keine morphologisch oder gar taxonomisch homogene Gruppe, da im Laufe der Evolution sich vielfach die parasitäre Lebensweise entwickelt hat. Dennoch können aufgrund der vergleichbaren Lebensbedingungen parasitäre Formen aus völlig verschiedenen Tierklassen ein recht einheitliches Aussehen haben (z.B. in der Ausprägung von Saugnäpfen, Haken u.ä. Vorrichtungen, die ein Ausscheiden der Darmparasiten verhindern), was allerdings als Konvergenzerscheinung gedeutet werden muß und keine Rückschlüsse auf den Verwandtheitsgrad ziehen läßt. Parallel zur Entwicklung dieser Systeme zur Anheftung am oder im Wirt erfolgte die Ausbildung der verschiedensten Typen der Nahrungsaufnahme, aber auch die Anpassung der Verhaltensweisen, um einen Wirt zu finden und ihn dauerhaft zu besiedeln.

Von innen gefressen
Das Wirtstier ist für den Parasiten nicht nur Energiequelle, sondern auch Biotop. Viele Arten der Parasiten sind während ihres ganzen Lebenslaufes auf die parasitäre Lebensweise angewiesen, andere nur während gewisser Entwicklungsabschnitte, zumeist während ihrer Larvalphase. Hierzu zählen vor allem die interessanten „Parasitoiden“ (Mikroräuber) als Spezialfall. Während normalerweise Räuber sehr viel größer als ihre Beutetiere sind, können z.B. bestimmte Insektenarten ihre Eier in potentielle Wirtstiere legen, die dann von den ausschlüpfenden Larven von innen aufgefressen werden. Das larvale Stadium entspricht also mit seiner parasitären Ernährungsweise dem Räuber, während das geschlüpfte Imago als freies Insekt lebt. Zu dieser Gruppe zählen nicht zuletzt auch forstliche und landwirtschaftliche Schadinsekten, die bei einer Massenentwicklung (Kalamitäten) erhebliche wirtschaftliche Einbußen für die befallenen Betriebe bedeuten können.

Insekten, Würmer & Co
Eine Vielzahl der Parasiten gehört erwartungsgemäß zur artenreichsten Klasse des Tierreiches, den Insekten. Es gibt aber auch Tiergruppen, die ausschließlich aus parasitären Formen bestehen: Zu diesen Gruppen gehören mit die bekanntesten, wichtigsten und gefährlichsten Parasiten, wie die Sporentiere, die Saugwürmer, Band- und Kratzwürmer u.a.m.
Oftmals findet in Tierklassen, die neben parasitären Formen auch noch freilebende Vertreter aufweisen, bei den Parasiten eine deutliche und gruppenspezifische Umstrukturierung ihres Bauplanes statt, so daß man sie nur aufgrund der Kenntnisse ihrer Entwicklungsstadien, die vergleichbar mit denen der freilebenden Arten sind, taxonomisch einordnen kann: So zeigen z.B. die Endoparasiten Rückbildungen der Beine, Augen, Muskulatur und Hautpigmente bis hin zur Rückbildung des Darmes (Cestoden und Acanthocephalen nehmen, im Nahrungsbrei innerhalb des Darmlumens ihres Wirtstieres lebend, beispielsweise ihre Nahrung über die Haut auf).

Vor Verdauungssäften geschützt
Als anatomische Neuerwerbung haben sie – ohne daß engere verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Gruppen bestehen – haken- und saugnapfartige Gebilde entwickelt, mit denen sie sich an den Darmzotten des Wirtstieres anheften können und die der Biologe unzweifelhaft als Konvergenzerscheinung deutet. Bei den im Verdauungstrakt der Wirtstiere lebenden Parasiten aus den verschiedensten Tierstämmen ist als Charakteristikum ein „Fermentschutzmantel“ weit verbreitet, der den Parasiten vor den Verdauungssäften des Wirtes wirksam schützt; viele „Wurmmittel“ lösen diesen Fermentschutz auf, so daß der Parasit von seinem Wirt resorbiert werden kann.
Die Lebensweise im sauerstoffarmen Milieu des Darmes verlangt ebenfalls spezielle Anpassungen: Die hierfür geeignete anaerobe Lebensweise (Leben ohne Sauerstoff) hat sich wahrscheinlich im Laufe der Evolution erst spät entwickelt, derzeit sind noch alle Übergangsstufen zur Energiegewinnung bei Darmparasiten bis hin zur wirklich anaeroben Versorgung (z.B. bei Ascaris spec.) zu beobachten. Als Problem für den Parasiten erweist sich, daß in der Regel sich das Wirtsmilieu langsamer ändert als die Umweltfaktoren, auf die der Wirt reagiert, d.h. die Entwicklung der Parasiten hinkt hinter der ihrer Wirtstiere hinterher.

Extrem hohe Fruchtbarkeit
Ein grundlegender Unterschied zwischen parasitärer und räuberischer Lebensweise ist die enorme Individuenzahl der Parasiten, die notwendig sind, der jeweiligen Art das Überleben zu sichern; sie übertreffen zahlenmäßig ihre Wirtstiere bei weitem. Charakteristisch ist die große Fruchtbarkeit, die durch riesige Anzahlen von Eiern gesichert wird, und durch Einschalten von speziellen Vermehrungsphasen in Zwischenwirten kann die Zahl der Nachkommen noch weiter gesteigert werden.
Zwischenwirte werden dann immer eingeschaltet, wenn die Eier mit dem Kot des Wirtstieres ins Freie gelangen. Sind die einzelnen Entwicklungsstadien einer parasitär lebenden Art auf verschiedene Weise darauf obligatorisch angewiesen, spricht man von einem Wirtswechsel. Dieser kann in vielen Fällen auch mit einem Generationswechsel des Parasiten verbunden sein. Viele Parasitenarten erhöhen ihre Vermehrungsrate auch dadurch, daß sie meist unmittelbar nach dem Befall des Wirtstieres eine ungeschlechtliche Vermehrungsphase einschalten.
Der Entwicklungszyklus vom Ei zum geschlechtsreifen Tier ist in fast allen Fällen sehr kompliziert. Hauptwirt wird dasjenige Tier genannt, das den geschlechtsreifen Parasiten beherbergt; die Zwischenwirte sind diejenigen, in denen sich ein bestimmtes Larvenstadium entwickelt. Haupt- und Zwischenwirte gehören normalerweise dem gleichen Ökosystem an.




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Übersicht:
Zu Ihrer Orientierung. Welche Parasitenthemen in welchem WUFF?

Teil 1 (September 1999):
1. Allgemeine Ökologie der tierischen Parasiten
Teil 2 (Oktober 1999):
2. Parasitologie des Hundes: Übersicht
2.1. Endoparasiten Übersicht
2.1.1. Einzellige Endoparasiten
Teil 3 (November 1999):
2.1.2. „Wurmförmige“ Endoparasiten Übersicht
2.1.2.1.Trematoden (Saugwürmer)
Teil 4 (Dez., Jan. 1999/2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer I)
Teil 5 (Feb. 2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer II)
Teil 6 (März 2000):
2.1.2.3. Nematoden (Fadenwürmer)
2.1.2.4. Weitere Endoparasiten
Teile 7 bis 9 (April, Mai und Juni 2000)
2.2. Ektoparasiten (Übersicht)
2.2.1. Spinnentiere (Zecken und Milben)
2.2.2. Insekten (Saugläuse und Flöhe)
3. Schlußbetrachtung



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Vom Vorkoster zum Parasiten

Der Begriff „Parasit“ bedeutete ursprünglich im alten Griechenland einen Vorkoster, der die Speisen der Herrschenden auf Gift hin testen mußte. Im Laufe der Geschichte wurde der Ausdruck immer mehr mit einem Negativimage behaftet und heute werden in der Biologie diejenigen Organismen als Parasiten (oder auch Schmarotzer) bezeichnet, die auf Kosten anderer leben. Diese Lebensweise ist erstaunlich weit verbreitet, und der Parasitismus kann große gesundheitliche Probleme für die Befallenen hervorrufen, in schweren Fällen auch erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen.
Diese Serie will kein Lehrbuch der Parasitologie ersetzen, sondern auf eine wenig bekannte Form des tierischen Zusammenlebens aufmerksam machen, wobei ein deutlicher Schwerpunkt auf die biologischen Zusammenhänge gesetzt wird. Für die Behandlung der einzelnen durch Parasiten verursachten Erkrankungen des Hundes sollte in jedem Fall für eine eindeutige Diagnose und angemessene Therapie der Tierarzt konsultiert werden.



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Schäden durch Parasiten

Die Schäden, die ein echter Parasit seinem Wirt zufügt, können vielfältig sein: das Lumen des Darmrohres oder eines Blutgefäßes kann verstopfen, Finnenblasen in Hirn oder Leber bewirken eine Verdrängung oder gar Zertrennung des betreffenden Organs, mechanische Reizung wird durch festhaftende Saugnäpfe oder Haken ausgelöst. Darmparasiten geben Sekrete ab, mit denen sie Verdauungsenzyme des Wirtes unwirksam machen können, und schließlich kann es bei einigen Gruppen zum Verzehr körpereigener Körperbestandteile bzw. körpereigener Nahrungsstoffe des Wirtstieres kommen. Ektoparasiten, die vielleicht für sich genommen für das Wirtstier relativ harmlos sind, können aber gefährliche Krankheitserreger – beispielsweise Bakterien oder Viren – übertragen und sollten schon allein deshalb nicht geduldet werden.

Wenn es sich auch bei dem Verhältnis Wirt/Parasit um ein kompliziertes Wechselspiel zwischen zwei Organismen handelt, ist in vielen Fällen der Parasit seinem Wirt gegenüber relativ ungefährlich. Unter normalen Umständen töten Parasiten ihren Wirt nicht, da der Tod des Wirtes für die Parasiten ja auch gleichzeitig Nahrungsentzug und Verlust des Lebensraumes bedeuten würde. Lediglich bei für das Wirtstier ungünstigen Bedingungen wie z.B. Krankheit oder schlechte Ernährungslage, kann es so geschwächt werden, daß es dem Parasitenbefall erliegt. Gleiches wurde bei Zootieren beobachtet, die unter einem enormen Gefangenschaftsstreß standen. Andererseits werden durch die Gefangenschaft, d.h. Haltung von u.U. einer größeren Anzahl von Tieren auf relativ kleinem Raum, der Befall der Gehegetiere durch Parasiten eher begünstigt. Wir wissen aus einer Reihe von Untersuchungen – auch bei landwirtschaftlichem Nutzvieh – daß beispielsweise der Schlamm auf überstrapazierten Weiden eine der Hauptinfektionsquellen für bestimmte Parasiten darstellt.



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Parasiten: Draußen und drinnen

Als Parasiten werden Organismen bezeichnet, die permanent oder zumindest über einen längeren Zeitraum auf (Ektoparasit) oder in (Endoparasit) einem anderen Lebewesen sich aufhalten und dieses in gewissem Umfang schädigen. Die Ektoparasiten befallen also die äußeren Körperregionen bestimmter Tierarten, während die Endoparasiten i.d.R. auf bestimmte Gewebe oder Organe ihrer Wirtstierarten angewiesen sind.
Hinsichtlich des Grades der Schädigung und der Aufenthaltsdauer können alle denkbaren Abstufungen bis hin zum fast unschädlichen Zusammenleben vorkommen.

„Gastwirtschaft“
Je nach dem Ort der Ansiedlung unterscheiden wir bei den Endoparasiten die Organparasiten, die in Hohlräumen bestimmter Organe leben, Leibeshöhlenparasiten, Blut-, Gewebe- und Zellparasiten. Die fakultativen Parasiten, wie z.B. Fliegenmaden, sind weder auf bestimmte Organsysteme noch auf bestimmte Wirtstiere angewiesen. Die Mehrzahl der Parasiten aber, vor allem bei den Endoparasiten, haben eine stark ausgeprägte Wirtsspezifität, d.h. sie haben eine extrem enge ökologische Nische besetzt.



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Hochspezialisiert und angepasst

Obwohl Parasiten aus allen Stämmen des Tierreiches kommen, haben sie dennoch aufgrund vergleichbarer Lebensweisen und Umweltbedingungen viele gemeinsame Wesenszüge:

– Parasiten sind keine degenerierten, sondern hochspezialisierte Organismen, die an ein bestimmtes Biotop – den Wirt – adaptiert sind.
– Gegenüber ihren nichtparasitären Verwandten zeigen sie vielfach Modifikationen, bei Endoparasiten z.B. beginnend zumeist mit der Reduktion der Bewegungsorgane und der Umbildung bereits vorhandener Organe zu Befestigungsorganen (Haken, Saugnäpfe).
– Enorme Steigerung der Fruchtbarkeit, oftmals mit einem Generationswechsel verbunden.

 

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