2.1.2.3 Nematoden
Bei den Rundwürmern (Nemathelminthes) kennt die Wissenschaft mehr als 12.000 Arten (knapp die Hälfte davon Schmarotzer). Hier ist es vor allem die Klasse der Fadenwürmer (Nematoden), die eine Reihe von im Hund parasitierender Formen hervorgebracht hat, von denen einige auch der Gesundheit des Menschen großen Schaden zufügen können. Teilweise sind sie schon im Alten Testament erwähnt und auf altägyptischen Papyri abgebildet. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen von weltweit 1,2 Milliarden Menschen aus, die unter dem Befall von Spulwürmern, weitere 900 Millionen an Hakenwürmern leiden. Längst nicht alle Arten können wirksam mit Medikamenten bekämpft werden! Die Schädigung des Wirtes kann durch Nahrungsentzug, Verletzungen/Zerstörung von Organen sowie durch giftige Stoffwechselprodukte verursacht werden.
Spulwürmer
Innerhalb der Klasse der Nematoden sind die kosmopolitischen Spulwürmer (Askariden) wegen ihrer großen Bedeutung auch dem Laien bekannt. Beim Hund sind es vor allem zwei Arten (Toxocara leonina und Toxocara canis), die ihm gefährliche gesundheitliche Schäden zufügen, ja sogar das Leben bedrohen können. Beide Arten sind übrigens auch für den Menschen pathogen! Der Befall erfolgt über unhygienische Haltungsbedingungen und – bei Kindern – durch Hundekot verschmutzte Sandkästen auf öffentlichen Spielplätzen.
Bei Befall des Hundes können die Symptome zwischen schleimigen Durchfall und Verstopfung mit wechselndem Appetit und Darmverstopfung variieren. Bei Massenbefall von Welpen zeigen diese bei allgemeinen Abmagerungserscheinungen einen druckempfindlichen aufgetriebenen Bauch und Hustenkrämpfe. Eine sichere Diagnose stellen die ausgebrochenen oder mit dem Kot abgegangenen Würmer sowie deren Eier dar.
Befallene Hunde scheiden mit ihrem Kot die larvenhaltigen Eier von T. canis aus, wobei sich im Freien unter günstigen Temperaturbedingungen innerhalb von zwei Wochen infektiöse Larven (2. Stadium) entwickeln. Bei oraler Aufnahme bei Welpen ab ungefähr der dritten Lebenswoche durchdringen diese die Darmwand, um mit Lymphflüssigkeit oder Blut zur Leber und Lunge zu gelangen; hier erfolgt eine zweimalige Häutung zum 4. Stadium, welches über Luft- bzw. Speiseröhre wieder in den Darm gelangt. Im Darm erfolgt der letzte Häutungsvorgang, aus dem der geschlechtsreife Wurm hervorgeht. Dieser Zyklus wird in ungefähr einem Monat bis zu fünf Wochen durchlaufen.
Bei älteren Hunden, deren Immunsystem schon gegen die Larven von T. canis sensibilisiert ist, kapseln sich diese in der Muskulatur ein und können über Jahre virulent bleiben. Diese können aber während der Trächtigkeit einer Hündin wieder aktiviert werden und über die Blutbahn der Hündin und die Plazenta die ungeborenen Welpen befallen (transplazentare Fötusinfizierung), die dann nach der Geburt in den Welpendarm einwandern und dort nach nur drei Wochen schon wieder geschlechtsreif sind. Eine Infektion der Welpen kann auch über die Muttermilch der Hündin erfolgen.
Gefährliche Trichinen
Trichinella spiralis, die Trichine, ist überall in gemäßigten Breiten und somit auch bei uns einer der gefährlichsten Parasiten auch des Menschen. Diese kleinen Nematoden, je nach Geschlecht anderthalb bis vier Millimeter lang, leben im Dünndarm einer Vielzahl von Beutegreifern und Allesfressern, so neben Wild- und Hausschwein in Fuchs, Dachs, Ratten/Mäusen, Hund und eben auch im Menschen. Mit Hilfe ihrer zu einem Stilett modifizierten Mundwerkzeuge bohren sie sich in die Darmwand ein und saugen – ohne dabei allerdings größeren Schaden anzurichten – vor allem Lymph- und Zellflüssigkeit. Nach dem Heranreifen und der Befruchtung der geschlechtsreifen Weibchen gebären diese in mehreren Schüben bis zu 2.000 lebende winzige Larven (0,1 mm Körperlänge). Diese Larven penetrieren die Blutgefäße und werden darin durch den gesamten Wirtsorganismus geschwemmt, um sich dann in der stark durchbluteten Muskulatur von (vor allem) dem Zwerchfell und der Rippenmuskulatur festzusetzen. Am 9. Tag nach der Infektion befallen sie die eigentliche Muskelfasersubstanz, zerstören und fressen diese. Bedingt durch ihr schnelles Wachstum (bereits drei Wochen nach der Infektion sind sie um das zehnfache gewachsen und messen jetzt einen Millimeter) rollen sie sich ein, wobei sie sich mit einer Bindegewebskapsel umgeben, die nach rund einem halben Jahr verkalkt ist. Diese eingekapselte Larve kann im Schwein mehr als zehn Jahre virulent bleiben (beim Menschen ist sie sogar über dreißig Jahre lang lebensfähig!). Für die Muskeltrichine ist der befallene Organismus als einer der Sonderfälle im Reich der Parasiten gleichzeitig also Wirt und Zwischenwirt! Beim Verzehr des trichinenhaltigen Muskelfleisches wird nach dem Auflösen der kalkschaligen Kapsel die Trichine wieder frei, wo die Weibchen im Wirtsdarm nach einer Häutung schon nach weniger als zwei Tagen Verweildauer erneut begattet werden können.
Der Hund infiziert sich durch das Fressen von larvenhaltigem Fleisch, so auch an Mäusen und dem sogenannten „Aufbruch“ von Wildschweinen (Jagdhunde!), und er leidet dann an der auch serologisch nachweisbaren Trichinose: fiebriger Durchfall ist ein Symptom des Befalls des Darmes mit adulten Trichinen, bei den eingekapselten Larven kommt es zu muskelkaterähnlichen Schmerzen, auf die der Hund mit steifen Bewegungen reagiert, er kann aber auch an Atemnot leiden – bis hin zum tödlichen Atemstillstand.
Für den Menschen, der im Normalfall kein rohes, trichinenhaltiges Hundefleisch verzehrt, geht vom Hund keine Gefahr der Infektion mit Trichinen aus.
Nierenwurm
Nematoden können beim Hund auch Harnblase und Niere befallen, so ist beispielsweise blutiger Urin ein mögliches Symptom für den Befall mit einem Vertreter einer weiteren Klasse der Nematoden, dem weltweit verbreiteten Nierenwurm (Dioctophyme renale). Eine eindeutige Diagnose für den Befall ist der mikroskopische Nachweis der Eier im Urin. Hiervon befallene Hunde (bei uns ist dieser Parasit allerdings nicht sehr häufig), haben starke Nierenstörungen (oftmals mit dadurch begünstigten bakteriellen Infektionen) bis hin zum tödlichen Nierenversagen. Die weiblichen Tiere des Nierenwurms können bei daumendickem Durchmesser bis zu einem Meter lang werden, die Männchen erreichen nur ein Drittel dieser Größe. Sie leben in der Leibeshöhle einiger Säugetiere – vor allem von Hunden – und dringen oft in die Nieren ein, die sie durch Blutentnahme, vor allem aber Wegfraß von Nierengewebe, schwer schädigen bis völlig zerstören können. Die larvenhaltigen Eier gelangen mit dem Urin ins Freie, wo sie in feuchtem Milieu bzw. Wasser von einem kleinen Ringelwurm (Oligochaet) als erstem Zwischenwirt gefressen werden. In ihm häutet und entwickelt sich die Larve, wandert durch die Darmwand und kapselt sich in der Fischmuskulatur ein. Der Hund infiziert sich beim Fressen von befallenem rohen Fisch bzw. Ringelwürmern (der gleiche Übertragungsschritt gilt übrigens auch für den Menschen, der sich aber nicht beim Hund infizieren kann), die nach ihrer Entwicklung im Darm diesen durchstoßen und die Nieren aufsuchen, wo nach wenigen Monaten mit der Geschlechtsreife der Zyklus geschlossen ist.
Hakenwurm
Hakenwürmer, bei uns in zwei Arten auftretend (Ancylostoma caninum und Uncinaria stenocephala), sind zwar auch Kosmopoliten, sie bevorzugen aber wärmere Gegenden und sind deshalb eher in Südeuropa heimisch. Bei uns findet man sie aber – vermutlich von dort eingeschleppt – in den beheizten Zwingern von z.B. Tierheimen. A. caninum weist bei 10-12 Millimeter Länge (die Weibchen sind stets größer) im Mundbereich zwei dreizackige Zahnplatten auf, bei dem kleineren U. stenocephala sind diese Zahnplatten ungezackt. Die Würmer können mit mehreren Tausend massenhaft im Hundedünndarm auftreten; sie umfassen mit ihrer Mundkapsel Darmzotten und beißen diese ab. Durch den Massenbefall und einen häufigen Bißstellenwechsel mit dem dadurch bedingten hohen Blutverlust wird das Krankheitsbild der Ancylostomiasis hervorgerufen, die durch blutig gestreiften Kot gekennzeichnet ist. Trotz guter Freßlust magern die anämischen Hunde ab, Welpen gehen ohne ärztliche Behandlung meist ein.
Zur vollständigen Entwicklung muß die Außentemperatur mindesten 20 °C betragen: im Freien entwickelt sich aus den Eiern Larven, die sich häuten. Das dritte Larvenstadium dringt in die Haut ein und kann auf den verschiedensten Wegen in den Darm gelangen, wo es sich zum letzten Mal häutet und nach drei Wochen die Geschlechtsreife erlangt. Im Falle einer infizierten Hündin können die Welpen auch über die Muttermilch angesteckt werden. Der Befall des Hundes kann aber ebenfalls durch Fressen von larvenhaltigem Futter (auch Fressen von infizierten Mäusen) erfolgen.
Der Mensch kann neben einem eigenen Hakenwurm (A. duodenale, der in Europa nur in den warmen, tiefen Bergwerksschächten als „Grubenwurm“ vorkommt) auch von den beiden Hakenwurmarten des Hundes befallen werden. Da er kein Endwirt ist, kann die Larve in ihm nicht heranreifen, sondern wandert als „Larva migrans“ über Jahre hinweg, und dabei große gesundheitliche Schäden hervorrufend, im Körper herum.
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Übersicht:
Zu Ihrer Orientierung. Welche Parasitenthemen in welchem WUFF?
Teil 1 (September 1999):
1. Allgemeine Ökologie der tierischen Parasiten
Teil 2 (Oktober 1999):
2. Parasitologie des Hundes: Übersicht
2.1. Endoparasiten Übersicht
2.1.1. Einzellige Endoparasiten
Teil 3 (November 1999):
2.1.2. „Wurmförmige“ Endoparasiten Übersicht
2.1.2.1.Trematoden (Saugwürmer)
Teil 4 (Dez., Jan. 1999/2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer I)
Teil 5 (Feb. 2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer II)
Teil 6 (März 2000):
2.1.2.3. Nematoden (Fadenwürmer)
2.1.2.4. Weitere Endoparasiten
Teile 7 bis 9 (April, Mai und Juni 2000)
2.2. Ektoparasiten (Übersicht)
2.2.1. Spinnentiere (Zecken und Milben)
2.2.2. Insekten (Saugläuse und Flöhe)
3. Schlußbetrachtung
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Nematoden: Rund und lang
Nematoden sind stets drehrunde und langgestreckte Würmer, die freilebend als zumeist kleinere Tiere bis ein Zentimeter erfolgreich eine Vielzahl der verschiedensten Biotope besiedeln konnten, aber auch Parasiten hervorbrachten; trotz dieser unterschiedlichen Lebensweisen blieb ihre Körpergestalt und ihr Körperbau erstaunlich einheitlich. Die Körpergröße der parasitierenden Formen weist merkwürdigerweise im Gegensatz zu den freilebenden ein weitgestrecktes Längenspektrum von fast mikroskopisch kleinen Tieren wie den Trichinen über den halbmeterlangen Pferdespulwurm bis hin zu einem in der Placenta von Pottwalen lebenden Wurm, der über acht Meter lang werden kann.
Ihre Körperoberfläche ist von einer derben Cuticula umhüllt. Die terminal liegende Mundhöhle sowie der muskulöse Schlund sind dreikantig und mit Zähnen bewaffnet. Im Gegensatz zu den Cestoden (siehe 2.1.2.2) ist der Darm der Nematoden ein durchgehendes und unverzweigtes Rohr, das in einen After einmündet. Auch der Bau der Geschlechtsorgane ist sehr viel einfacher als bei den Plattwürmern, und sie sind fast stets getrennt geschlechtlich. Das Nervensystem ist erwartungsgemäß gering organisiert; ein Blutgefäßsystem fehlt.
Nur wenige Arten sind lebendgebärend, die meisten Nematoden legen Eier; wie auch bei den anderen Gruppen müssen diese Parasiten, um erfolgreich einen Wirt finden und befallen zu können, eine hohe Eiproduktion haben: so produziert beispielsweise Ascaris sp. bis zu 200.000 Eier pro Tag! Die Larvalentwicklung durchläuft stets durch vier Häutungen voneinander getrennte fünf Stadien, wobei das letzte Stadium sich im Hauptwirt in den geschlechtsreifen Wurm verwandelt. Die Lebensdauer der Nematoden kann bis zu mehreren Jahren betragen.
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2.1.2.4. Weitere Endoparasiten
Einen eigenen Tierstamm bildet die Gruppe der Zungenwürmer (Linguatulida), der mit nur rund fünf Dutzend bekannten Vertretern – allesamt parasitäre Formen in fleischfressenden Wirbeltieren – relativ artenarm ist. Ihr äußeres Erscheinungsbild ist langgestreckt und teilweise abgeflacht und ist mit vier Mundhaken am Vorderende versehen. Als Anpassungserscheinung an ihre Lebensweise als Schmarotzer wird der Verlust von weiteren Extremitäten gesehen, die aber als krallenbewehrte Stummel noch erkennbar sind. Den geringelten Körper (Anzeichen einer Segmentierung) bilden zwei ohne scharfe Abgrenzung ineinander übergehende Körperabschnitte. Endoparasitentypisch fehlen kompliziertere Sinnesorgane, und auch das Nervensystem ist stark reduziert. Der Vorderdarm arbeitet wie eine Saugpumpe, der Darm ist bis zum am Hinterende liegenden After durchgängig; die Nahrung der Zungenwürmer besteht aus Gewebeflüssigkeit und Schleimhautpartikeln. Die Geschlechtsorgane sind stark entwickelt und füllen die Leibeshöhle geschlechtsreifer Tiere fast völlig aus. Im Laufe des Lebens produziert der weltweit als Nasenparasit (Stirnhöhle und Nasenraum) in Füchsen, Wölfen und Hunden lebende Linguatula serrata mehrere Millionen Eier. Die Tiere haben einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus, der sich bei der Größe (männliche Tiere sind ca. zwei, Weibchen bis zu 14 Zentimeter lang) äußert. In den knapp 1/10 Millimeter großen dickschaligen Eiern beginnt die Entwicklung schon im Mutterleib. Auch der Mensch ist von diesen Eiern, die er oral beim Umgang mit dem Hund aus dessen Fell aufnimmt, bedroht. Diese larvenhaltigen Eier geraten mit dem Nasenschleim ins Freie. Der Entwicklungszyklus ist zumeist mit einem Wirtswechsel verbunden: die vom Hund ausgeniesten Eier von L. serrata gelangen auf Futterpflanzen herbivorer Säugetiere (u.a. Rinder, Schafe, Hasen und Kaninchen) und werden so aufgenommen. Im Dünndarm des Zwischenwirtes schlüpfen winzige Larven, die nach Durchbohren der Darmwand mit dem Blutstrom weggeschwemmt werden und dabei bis in die Haargefäße der Lunge und auch bis in die Leber gelangen, wo sie in einer fünf Millimeter großen Kapsel heranreifen. Diese „Terminallarven“ ähneln bereits den Adulten; sie können diese Kapsel einmal aktiv verlassen und in den Körper gelangen, über die Mundhöhle sogar ins Freie: hierzu steigen sie über den Schlund nach oben, wobei sie ihre Krallen wie Steigeisen einsetzen können. Im Freien werden sie vom Hund aufgenommen, der sich aber auch durch den Fraß von befallenen Eingeweiden anstecken kann.
Befallene Hunde sind nervös, leiden unter Nasenkatarrh, heftigen Niesanfällen (wobei als Nachweis Würmer spontan ausgeniest werden können) und reiben ihre Nasen mit den Pfoten. Das Geruchsempfinden kann empfindlich leiden, was ihre Einsatzmöglichkeit bei z.B. der Jagd stark einschränkt.
Weitere Endoparasiten, wie beispielsweise u.a. der Herzwurm (Dirofilaria immitis), sind zum großen Teil in Deutschland nicht endemisch und werden derzeit noch nur gelegentlich bei uns eingeschleppt; sie sind deshalb nicht Gegenstand unserer Betrachtung. Eine Ausbreitung vieler dieser Neubürger unserer Parasitenfauna ist für die nähere Zukunft aber keinesfalls auszuschließen!