2.1.2.2 Cestoden (Bandwürmer I)
Zu den Cestoden, den „Bandwürmern“, gehören die bekanntesten und z.T. – auch mit Recht – gefürchtetsten Parasiten von Mensch und Tier. Weltweit verbreitet, leben praktisch alle bislang bekannten Arten als Adulte als Darmparasiten fast aller Wirbeltiere. An die parasitäre Lebensweise sind sie noch stärker als die Trematoden angepaßt: Sie sind stets Zwitter, und ihnen allen fehlt ein eigenes Verdauungssystem (Darm); Ihre Nahrung, das ist der sie umgebende gelöste und angedaute Nahrungsbrei ihres Wirtstieres, nehmen sie über ihre gesamte Körperoberfläche auf. Ein Teil dieser Nahrung wird in Form von Glykogen gespeichert, das sie bei Bedarf dann später anaerob abbauen. Ihren Eiern entschlüpfen Larven mit drei beweglichen Hakenpaaren.
Ohne Sinnesorgane
Die Cestoden verhindern ein Ausgeschiedenwerden aus dem Wirtsdarm mit zwei verschiedenen Methoden: Zum einen mit Hilfe ihres wohl ausgebildeten Hautmuskelschlauches der afterwärts gerichteten Darmperistaltik entgegen (also eine Verhaltensweise), zum anderen sind sie mit dem bereits erwähnten Scolex an der Darmwand festgeheftet. Dieser besitzt bei den meisten Arten besondere Haftorgane in Form von in konzentrischen Reihen stehenden Haken, bzw. zwei bis vier an die Darmschleimhautoberfläche angepaßten Sauggruben oder Saugnäpfen. Ein Loslassen wird nur durch den Einsatz starker Medikamente möglich. Sinnesorgane fehlen den Bandwürmern völlig.
Gefährliche Zoonosen
Mit Recht gehört die Echinokkokose, also der Befall des Menschen mit einem der beiden Vertreter der Gattung Echinococcus (E. granulosus und E. multilocularis), also Hunde- und Fuchsbandwurm, zu den gefürchtetsten vom Tier auf den Menschen übertragenen Infektions- oder Invasionskrankheiten (Zoonosen),. Hier ist es vor allem in den letzten Jahren der Fuchsbandwurm gewesen, der überall Schlagzeilen machte und in einer oftmals überzogenen Berichterstattung – bis hin zur jagdlichen Fachpresse – eine große Öffentlichkeit mehr verunsicherte als informierte.
Der Hundebandwurm
Der dreigliedrige Hundebandwurm (Echinococcus granulosus) ist ein zwei bis maximal sieben Millimeter langer kosmopolitischer Parasit im Dünndarm des Hundes und auch des Fuchses und der Katze. Hauptverbreitungsgebiete sind in Europa die Mittelmeerländer. In Österreich und Deutschland tritt er nicht sehr häufig auf, man schätzt eine Befallsrate von 1% aller Hunde, vor allem in Süddeutschland und in zunehmendem Maße in den neuen deutschen Bundesländern. Bei positivem Befund ist der Hund stets gleichzeitig von einer großen Anzahl von Würmern befallen, diese haben sich im Darmepithel mit Hilfe ihrer vier Saugnäpfe und einem Hakenkranz befestigt. Die mit bis zu 300 bereits larvenhaltigen Eiern ausgeschiedene letzte Proglottide kann als kleines weißes Gebilde im Hundekot und in der Umgebung des Afters festgestellt werden. Ansonsten ist ein Echinococcus-Befall beim lebenden Hund nicht leicht festzustellen, da deutliche und typische Krankheitserscheinungen meist fehlen, obwohl leichte Durchfälle, Blutarmut und leichte Apathie beim Hund auf eine Infektion mit E. granulosus hinweisen können.
Zwischenwirte des Hundebandwurms
Der Hundebandwurm befällt als Zwischenwirt u.a. einheimisches Schalenwild. An Haustieren kommen Schaf, Ziege, Schwein und Pferd in Betracht, weiterhin kleine Nager wie Mäuse, aber auch leider der Mensch. Die Aufnahme der Eier erfolgt stets oral. Die heranwachsenden Jugendformen sind vor allem in der Leber des Zwischenwirtes (in selten Fällen auch in anderen Organen, wie z.B. Gehirn oder Lunge) zu finden. Die Finnen können im Extremfall mit 20 cm Durchmesser die Größe eines Fußballs erreichen.
Der Finnenbefall des Menschen ergibt das klinische Bild der Hydatidosus-Echinokokkose und tritt glücklicherweise sehr selten auf. In vielen Fällen verläuft diese Krankheit völlig symptomlos und für den Erkrankten unbemerkt; sie kann aber bei Befall des Gehirns bei inoperablen Ausnahmefällen für den Patienten tödlich ausgehen.
Infektion des Menschen
Die Infektion erfolgt beim Menschen beim allzu sorglosen Umgang, Streicheln und Spielen mit infizierten Hunden oder – im Falle von Kindern – auch beim Spiel in mit infiziertem Hundekot verunreinigten Sandkästen auf öffentlichen Spielplätzen.
In den Cysten bilden sich auf ungeschlechtlichem Wege durch Knospung Scoleces, die vom Hund wieder mit der Nahrung aufgenommen werden und nach ca. sechs Wochen zu einem geschlechtsreifen Hundebandwurm herangewachsen sind; sie erreichen im Hund ein Alter von sechs Monaten bis zu zwei Jahren.
Der Fuchsbandwurm
Für den Menschen eine der gefährlichsten Krankheiten überhaupt und noch gefährlicher als eine Infektion mit dem Hundebandwurm ist der Befall mit dem Fuchsbandwurm Echinococcus multilocularis, die durch einen maximal vier Millimeter langen und nur 3-5 gliedrigen in vornehmlich Füchsen (in selteneren Fällen auch Hunden und Katzen) parasitierenden Bandwurm ausgelöst wird. Als Zwischenwirte dienen wiederum kleinere Nager (Feld- und Schermaus, Bisamratte), aber auch für den Menschen besteht ein Infektionsrisiko! Der Finnenbefall wird von Medizinern als alveoläre Echinococcose bezeichnet. Dieses Krankheitsbild wurde erst 1855 von dem bedeutenden deutschen Mediziner Rudolf VIRCHOW („ … multiloculäres, ulcerierendes Echinokokkengeschwulst der Leber …“) als eine durch einen Cestoden verursachte Zoonose erkannt.
Sackgasse Mensch
Beim Menschen verläuft diese chronisch-schleichende Form der Echinokkose nach einem Zeitraum von einigen Monaten bis Jahren unbehandelt meist tödlich (exaktes Zahlenmaterial liegt nicht vor). Glücklicherweise ist dennoch ein Infektionsrisiko ziemlich gering, da der menschliche Körper mit einer starken Immunreaktion ein Entwickeln der Larven zu verhindern weiß. Erst bei Defekten im Immunsystem oder bei oft wiederholtem Kontakt mit den Eiern des Fuchsbandwurmes kann es dann zu einer Infektion kommen. Eine gegenseitige Ansteckung von Mensch zu Mensch kann jedenfalls ausgeschlossen werden. Für den Fuchsbandwurm bedeutet der Befall des Menschen als ausgesprochener Fehlwirt eine Sackgasse.
Durch rechtzeitige Diagnose (vor allem durch Bestimmung von Antikörpern, in fortgeschrittenem Stadium auch Ultraschalluntersuchungen und Computertomographie) kann man durch Operationen und Chemotherapien das Leben der Patienten retten. Problematisch ist, daß der Patient die Infektion meist erst nach vielen (bis zu zehn) Jahren bemerkt, da zumeist die schmerzunempfindliche Leber befallen ist. Erst wenn große Bereiche der Leber zerstört sind und es hierdurch zu Krankheiten wie Gelbsucht mit entsprechenden Schmerzen kommt, wird der Arzt aufgesucht. Dies ist dann zumeist zu spät, da in diesem Stadium eine operative Entfernung des krebsartig wuchernden Fuchsbandwurmes nicht mehr möglich ist: Die mit dem Ei aufgenommenen oncosphaeren haben in diesem Stadium in der Leber längst ein wucherndes System von schlauchförmigen Zellen aufgebaut, die bei einem operativen Schnitt freigesetzt und durch Blut oder Lymphflüssigkeit weggeschwemmt werden können, um an anderer Stelle erneut Cysten auszubilden.
Neben den eben besprochenen Bandwürmern gibt es weitere, über die im nächsten WUFF (Ausgabe Februar 2000) berichtet wird.
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Übersicht:
Zu Ihrer Orientierung. Welche Parasitenthemen in welchem WUFF?
Teil 1 (September 1999):
1. Allgemeine Ökologie der tierischen Parasiten
Teil 2 (Oktober 1999):
2. Parasitologie des Hundes: Übersicht
2.1. Endoparasiten Übersicht
2.1.1. Einzellige Endoparasiten
Teil 3 (November 1999):
2.1.2. „Wurmförmige“ Endoparasiten Übersicht
2.1.2.1.Trematoden (Saugwürmer)
Teil 4 (Dez., Jan. 1999/2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer I)
Teil 5 (Feb. 2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer II)
Teil 6 (März 2000):
2.1.2.3. Nematoden (Fadenwürmer)
2.1.2.4. Weitere Endoparasiten
Teile 7 bis 9 (April, Mai und Juni 2000)
2.2. Ektoparasiten (Übersicht)
2.2.1. Spinnentiere (Zecken und Milben)
2.2.2. Insekten (Saugläuse und Flöhe)
3. Schlußbetrachtung
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Der „Bandlwurm“
Der deutsche Name „Bandwurm“ charakterisiert im übrigen treffend ihr Aussehen: Es handelt sich bei den Cestoden um längliche und abgeflachte bänderartige Organismen, die in regelmäßigen Abständen durch Querfurchen Einschnürungen aufweisen. Am Ende des Tieres befinden sich voll ausgebildete und mit befruchteten Eiern prall gefüllte sogenannte „Proglottiden“, die praktisch täglich nacheinander abgestoßen werden und im Kot mit bloßem Auge sichtbar sind. Form und Größe dieser Proglottiden, deren Anzahl je nach Art zwischen einigen wenigen bis zu mehr als viertausend schwanken kann, sind artspezifisch und können der genauen Identifizierung der jeweiligen Cestodenart im Labor dienen.
Jeder Teil vermehrungsfähig
Diese Proglottiden werden in einer ungegliederten und fortwährend aktiven Wachstumszone direkt hinter dem mit Haftapparaten versehenen Vorderende (Scolex) des betreffenden Cestoden gebildet und sind zunächst relativ klein; die älteren am Körperende haben dann ein Vielfaches der ursprünglichen Größe und jedes Glied bildet ein vollständiges und zwittriges Geschlechtssystem. Hiermit wird also parasitentypisch eine enorme Steigerung der Eiproduktion über einen langen Zeitraum erreicht, um so die Chance der Wirtsfindung zu erhöhen. Als Beispiel sei hier der Rinderbandwurm Taenia saginata erwähnt, der täglich bis zu zehn reife Proglottiden bildet, von denen jede 80.000 schlupfreife Eier enthält!
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Der Lebenszyklus des Bandwurmes
Die Entwicklung fast aller Cestoden verläuft ohne einen Generationswechsel. Aus dem reifen Ei schlüft eine als oncosphaere benannte Larve mit drei Hakenpaaren, die nicht von sich aus aktiv einen Zwischenwirt aufsuchen kann, sondern von diesem verschluckt werden muß. Nach Verdauung ihrer äußeren Hülle im Wirtsdarm dringt die Larve durch die Darmwand in verschiedene Gewebe der Leibeshöhle und in gut durchblutete Organe (u.a. Muskeln und Leber) ein, wo sie sich zur sogenannten „Finne“ entwickelt. Diese Finne ernährt sich von dem sie umgebenden Gewebe und entnimmt den für ihr Wachstum nötigen Sauerstoff direkt dem Blut ihres Wirtes.
Die Finne selbst hat die Form eines kleinen Bläschens („Blasenwurm“), in dem nach innen der zukünftige Scolex einsproßt. Wird der Zwischenwirt vom Endwirt erbeutet und aufgefressen, so wird die Außenhaut der Finne im Wirtsdarm verdaut, wobei der Scolex frei wird, sich ausstülpt und sich mit Haftapparaten, Saugnäpfen oder auch grubenartigen Vertiefungen, an den Darmzotten des Wirtes festheftet. Bei einigen Arten (u.a. bei Echinococcus granulosus) kann eine einzelne Blase eine ganze Reihe von Scoleces ausbilden, indem von der relativ großen Wand der Finne Tochterblasen abgeschnürt werden, deren jede einzelne eine Scolex formt.
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Verbreitungsgebiet
Das Verbreitungsgebiet des Fuchsbandwurms ist die nördliche Erdhalbkugel, wobei die Schwerpunkte der Verbreitung in unserem Bereich derzeit in Süd-, Zentral- und Ostfrankreich, der Schweiz, Österreich und Tschechien liegen. Innerhalb Deutschlands ist eine deutliche und rasche Tendenz zur Ausbreitung von der Schwäbischen Alp nach Norden ausgehend zu erkennen (oder ist dieser winzige Bandwurm in früheren Zeiten oftmals einfach übersehen worden?). Im Gebiet der Mittelgebirge in Hessen und Thüringen, aber auch schon in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sind bis zu rund 50% der Füchse befallen. Diese hohen Befallsraten können mit der in den letzten Jahren aufgrund der eingestellten Tollwutbekämpfung stark angewachsenen Fuchspopulation zusammenhängen, da bei hohen Wirts-/Fuchsdichten die Parasiten bessere Verbreitungsbedingungen haben.
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Lebenszyklus des gefährlichen Fuchsbandwurmes
Beim Hund kommt der Fuchsbandwurm eher selten vor, aber – neben Katzen – kommen dennoch vor allem streunende Hunde und besonders Jagdhunde als Endwirte des Fuchsbandwurms in Frage, da sie sich häufiger in befallenen Gebieten aufhalten und dort auch die entsprechenden mit Larven infizierten Nagetiere erbeuten können, die dann im Darm des Beutegreifers zu Bandwürmern heranreifen und deren Eier mit dem Kot ins Freie gelangen.
Nagetier als Zwischenwirt
Der Fuchsbandwurm sitzt mit z.T. Tausenden zwischen den Darmzotten des Dünndarms und hat sich mit Hilfe seiner Haken und Saugnäpfe am Darmepithel befestigt. Feldmäuse und andere Nager werden durch die Eiaufnahme zum eigentlichen Zwischenwirt (der Mensch ist nur Fehlwirt!), in deren Leber eine tumorartig wuchernde Larvenmenge heranwächst. Durch den Befall geschwächt und durch die angeschwollene Leber in ihrer Beweglichkeit behindert, fallen diese Mäuse natürlich leicht einem Fuchs (oder auch dem Hund, der kein sehr flinker Mäusejäger ist) zum Opfer.
Infektion des Menschen
Der Mensch infiziert sich mit den Eiern des Fuchsbandwurmes vermutlich u.a. durch den Verzehr von Waldbeeren, Obst und rohen Pilzen, die mit befallenen Fuchskot verunreinigt sind. Jäger sind durch den direkten Kontakt mit den im Fuchsfell befindlichen Eiern beim Entbalgen gefährdet, der Jagdhund beim Verzehr mit Finnen infizierter Wildtiereingeweide. Da die Eier des Fuchsbandwurmes sehr klein sind, kann eine Infektion durch Einatmen von eierhaltigem Staub nicht immer ausgeschlossen werden.
Lebenszyklus von Echinococcus multilocularis: