Im düsteren Reich der Parasiten

Von Dr. Frank Woerner

2.1. Endoparasiten: Übersicht
Als Endoparasiten werden diejenigen Tierformen bezeichnet, die im Körperinnern des Hundes in den Hohlorganen (Magen-Darm-Kanal), oder in Körperhöhlen wie der Bauchhöhle, aber ebenso in anderen inneren Organen (hier vor allem Leber und Lunge) sowie im Blut parasitieren. Bei den Darmparasiten finden wir Organismen, die sich vom Darminhalt ihres Wirtes ernähren – also im Grunde genommen Übergangsformen vom Kommensalismus zum Parasitismus.

Würmer
Auch bei den Endoparasiten finden wir Vertreter einer großen Anzahl verschiedener taxonomischer Einheiten aus dem Tierreich, die miteinander in keiner näheren verwandtschaftlichen Beziehung stehen müssen, von denen dennoch aber eine Fülle von Arten aufgrund ihrer Gestalt allgemein als „Würmer“ bezeichnet werden. Wilhelm BUSCH, obschon bekanntermaßen kein Parasitologe, charakterisierte dies treffend mit „… die Gestalt des Wurms ist länglich.“ Auch hier wieder die bereits bekannte „Konvergenzerscheinung“: Aufgrund der äußeren Lebensbedingungen können Tiere aus gänzlich verschiedenen Gruppen die gleiche Gestalt annehmen, ohne näher miteinander verwandt zu sein (auch die sogenannten „Gifttiere“ bilden beispielsweise keine taxonomische Einheit, sondern können aus den verschiedensten Tierstämmen, von den Hohltieren über die Gliederfüsser bis hin zu den Reptilien stammen, ohne miteinander verwandt zu sein).
Dies trifft natürlich in besonderem Maße auch auf die Endoparasiten zu, die eine Fülle von Reduktionserscheinungen in ihrem gesamten Körperbau einerseits, andererseits – besonders als Darmbewohner – wiederum eine Vielzahl von Haftorganen (in Form von Saugnäpfen, Hakenkränzen, Borsten etc.) als anpassende Neuerwerbung aufweisen können, um das Ausgeschiedenwerden durch ihren Wirt zu vermeiden, sich gleichzeitig aber auch gegen eine Resorption wehren müssen. Hier seien exemplarisch schon die für viele Darmbewohner typischen „Fermentschutzmäntel“ (gegen Verdauungssäfte) genannt, also Schutzvorrichtungen der äußeren Hautschicht (Cuticula), die es verhindert, daß der Parasit von seinem Wirtstier verdaut wird. Andererseits können Darmparasiten, da sie im vom Wirt schon aufbereiteten Nahrungsbrei schwimmen, auf komplizierte Verdauungssysteme verzichten, haben sogar in vielen Fällen gar keinen eigenen Darm mehr!

Milliarden Eier pro Wurm
Ein weiteres Charakteristikum der Endoparasiten ist ihre enorme Reproduktionskraft, die von sonst keinem Formenkreis im gesamten Tierreich auch nur annähernd erreicht wird. So ist vom u.a. auch den Hund befallenden bis zu drei Meter langen Fischbandwurm (Diphyllobotrium latum) bekannt, daß ein ausgewachsenes Exemplar pro Tag (!) bis zu einer Million Eier abstoßen kann, d.h. es produziert im Verlauf seines rund zwanzigjährigen Lebens annähernd 7 Milliarden Eier. Diese ungeheure Menge an Eiern ist aber notwendig, damit sich der in Betracht kommende Wirt irgendwann einmal durch zufälligen Kontakt infizieren kann. Je geringer hier die Aussicht auf eine erfolgreiche Infektion ist, umso größer ist als risikokompensierender Faktor die Eiproduktion.

Aufgeschnüffelt …
Nicht unerwartet, sind bei unseren Hunden die Darmparasiten am häufigsten vertreten und auch am besten bekannt: Der Hund mit seiner ihm typischen Eigenschaft, an allem zu schnüffeln und es teilweise auch geschmacklich zu testen, kommt also schnell mit Parasiten in Berührung, die dann relativ einfach über den Fang in das Verdauungssystem gelangen können. Ebenso unproblematisch ist dann auch für die Eier und Larven der mehrzelligen Parasiten das Verlassen des Hundes mit dem ausgeschiedenem Kot.
Praktisch alle Darmparasiten – unabhängig von ihrer Organisationsform als Ein- oder Mehrzeller – mußten sich im Laufe ihrer Evolution derart an ihren jetzigen Lebensraum anpassen, daß große Umstellungen auch in ihrer Physiologie unumgänglich wurden: Ihr Sauerstoff-Bedarf ist praktisch gleich Null, da sie in einem mehr oder weniger sauerstoffreien Milieu leben. Ihre chemische Energie erhalten sie durch Anoxybiose, d.h. die Spaltung von Glykogen („tierische Stärke“), was ihre Lebensweise vergleichbar mit derjenigen der Fäulnisbewohner macht.
Der Befall eines Wirtstieres (oder auch des Menschen) durch Parasiten ist vergleichbar mit der Besiedlung einer reich strukturierten Landschaft mit den verschiedensten Biotopen, in denen sich die Parasiten – je nach Art und Entwicklungsstadium – in den für sie jeweils optimalen Biotopen aufhalten. Parasiten leben also nach den gleichen ökologischen Grundsätzen wie die freilebenden Tiere!

Schwache Hunde bevorzugt
Generell gilt auch für den Parasitenbefall, daß ohnehin durch Alter, Krankheit sowie Mangel- und Fehlernährung geschwächte Hunde eher von Schmarotzern heimgesucht werden und unter diesen stärker leiden als Tiere, die sich in einer guten Verfassung befinden. Vorbedingung für eine erfolgreiche Prophylaxe (oder auch Therapie) ist eine genaue Kenntnis des Lebenszyklus des Parasiten. Hier sind zwar eine Unzahl von (zumeist zusammenhanglosen) Einzelheiten aus dem Leben und dem Entwicklungszyklus der meisten für uns und unsere Haus- und Nutztiere bedeutsamen Parasiten und deren Bekämpfungsmöglichkeiten bekannt, erstaunlicherweise weiß man aber über das eigentliche Wesen des Parasitismus wenig Bescheid, obwohl diese Lebensform ein Phänomen von allergrößter biologischer, medizinischer und somit indirekt auch volkswirtschaftlicher Bedeutung ist.

Achtung Hundehalter
Noch stärker als bei den Ektoparasiten gilt es wegen der potentiellen vom Hund ausgehenden Infektionsgefahren durch teilweise lebensbedrohende Endoparasiten, daß Hundehalter schon im eigenen Interesse die wichtigsten hygienischen Grundregeln im Umgang mit ihren Tieren beachten. Der Hundehalter trägt insbesondere eine große Verantwortung gegenüber Kindern, die wegen ihres besonders engen Kontaktes zu ihrem geliebten Hund in hohem Maße gefährdet sein können.

2.1.1 Einzellige Endoparasiten
Bei den Einzellern handelt es sich definitionsgemäß um Lebensformen, die mikroskopisch klein sind und immer nur aus einer einzigen Zelle bestehen. Dennoch kann diese Zelle hochkompliziert strukturiert sein und mehrere „Organellen“ aufweisen, also Strukturen, die der Funktion der Organe bei den Vielzellern entsprechen. Die tierischen Einzeller („Urtierchen“) treten in verschiedenen Formengruppen auf: Geißel-, Sporen-, Wimpertierchen sowie die Wurzelfüßer.
Ist unser Hund von Einzellern befallen, so äußert sich dies in den meisten Fällen durch anhaltenden Durchfall, in einigen Fällen kann aber auch eine Verstopfung das Symptom für Befall von einzelligen Darmparasiten sein.
Eine saubere Diagnose ist ausschließlich durch mikroskopische Untersuchungen mit teilweise recht komplizierten Färbemethoden des Präparates möglich. Da die einzelligen Parasiten des Hundes durch den normalen Hundehalter wegen ihrer Größe kaum nachzuweisen sein dürften, soll an dieser Stelle nicht näher auf sie eingegangen werden.
Erwähnt seien hier lediglich die Erreger der Amoebenruhr (Entamoeba histolytica), mit denen sich der Hund im Urlaub in südlichen Ländern infizieren kann, und die auch vom Hund auf den Menschen übertragen werden können. Ansonsten erfolgt die Infektion bei Hund und Mensch über durch Fliegen mit Cysten verschmutzte Nahrung oder Trinkwasser auf die gleiche Weise. Eine weitere oft übersehene mögliche Infektionsquelle für den Menschen sind die vielen in südlichen Ländern streunenden Straßenhunde, in deren Fell sich kontaminierte Kotpartikel befinden können. Beim Streicheln oder beim Spielen mit diesen Hunden kann der Mensch sich dann unwissentlich infizieren. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) sind mindestens 10% der Weltbevölkerung von der Amoebenruhr befallen!

Gefahr der Toxine
Weltweit verbreitet ist der Blutparasit Babesia canis, ein weiterer gefährlicher Einzeller, der die roten Blutkörperchen des Hundes befällt und sich in diesen durch Zweiteilung ungeschlechtlich in großer Anzahl vermehrt. Der Hund reagiert mit Fieber, apathischem Verhalten bis hin zur Anämie. Unbehandelt kann dieser Befall zum Tod führen. Die Übertragung erfolgt in den Sommermonaten durch Zecken.
Eine weitere von Zecken für den Hund ausgehende Gefahr ist die Infektion mit dem weltweit vorkommenden Einzeller Hepatozoon canis, der in Leber, Milz, Knochenmark und auch u.a. in die Zellen des Darmepithels eindringt und im späteren Verlauf seiner Entwicklung die weißen Blutkörperchen befällt. Die Infektion erfolgt durch das Abknabbern bzw. Fressen von infizierten Zecken und kann in besonders schweren Fällen zum Tod des Hundes führen. Eine Infektionsgefahr besteht bei dieser Coccidiose ebenso wie bei der Babesiose für den Menschen nicht.
Die pathogene Wirkung der meisten einzelligen Parasiten beruht nicht auf einem Stoffverbrauch („Wegfraß“) oder einer mechanischen Beschädigung der Organsysteme des Wirtstieres, sondern es sind vielmehr ihre giftigen Stoffwechselprodukte (Toxine), die dem Wirt schwerste gesundheitliche Schäden zufügen können.
Teil 3 im nächsten WUFF.




>>> WUFF – INFORMATION


Übersicht:
Zu Ihrer Orientierung. Welche Parasitenthemen in welchem WUFF?
Teil 1 (September 1999):

1. Allgemeine Ökologie der tierischen Parasiten
Teil 2 (Oktober 1999):
2. Parasitologie des Hundes: Übersicht
2.1. Endoparasiten Übersicht
2.1.1. Einzellige Endoparasiten
Teil 3 (November 1999):
2.1.2. „Wurmförmige“ Endoparasiten Übersicht
2.1.2.1.Trematoden (Saugwürmer)
Teil 4 (Dez., Jan. 1999/2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer I)
Teil 5 (Feb. 2000):
2.1.2.2. Cestoden (Bandwürmer II)
Teil 6 (März 2000):
2.1.2.3. Nematoden (Fadenwürmer)
2.1.2.4. Weitere Endoparasiten
Teile 7 bis 9 (April, Mai und Juni 2000)
2.2. Ektoparasiten (Übersicht)
2.2.1. Spinnentiere (Zecken und Milben)
2.2.2. Insekten (Saugläuse und Flöhe)
3. Schlußbetrachtung



>>> WUFF – INFORMATION


Einzeller und Würmer

Die Darmparasiten lassen sich grob in zwei Formenkreise aufteilen, einmal handelt es sich hier um diverse Einzeller – die z.T. recht schwierig nachzuweisen sind – und andererseits um „Würmer“ aus hauptsächlich zwei Stämmen des Tierreichs (mit den verschiedensten Ordnungen und Familien). Hierzu zählen dann die zu Recht am meisten gefürchteten und und auch für den Menschen gefährlichsten Parasiten des Hundes.
Die saubere Diagnose dieser Erkrankungen sowie deren Therapie ist nur durch den Veterinärmediziner möglich! Es sei dringend vor Eigenbehandlungen am Hund ohne den Rat des erfahrenen Tierarztes gewarnt!

 

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