»Wir können nichts mehr für Ihren Welpen machen. Wir haben alles versucht, aber nun ist es Zeit, das kleine Wesen von seinem Leiden zu erlösen.«, sagt der Tierarzt zu der traurig dreinblickenden Familie. Auf dem Behandlungstisch liegt eine kleine Französische Bulldogge. Die junge Hündin ist höchstens acht Wochen alt. Der lange Transport, die schlechten Lebensbedingungen ihrer Aufzucht und die frühe Trennung von ihrer Mutter haben ihr schwer zugesetzt. Der Parvovirusinfektion hatte sie dann nur wenig entgegenzusetzen, starker Durchfall gab ihr schlussendlich den Rest. Nun ist der junge Welpe völlig ausgetrocknet und unterkühlt, das Immunsystem hat aufgegeben. Lola war noch nicht lange im Besitz der Familie, gerade erst eine Woche. Sie hatten die Hündin im Internet entdeckt und dann ging alles ganz schnell: Die Details zum Kauf wurden per Handy abgewickelt. Etwas komisch kam es der Familie schon vor, aber man versicherte ihnen, dass alles seine Richtigkeit hätte und in der Zucht mit Rassehunden sehr viel Erfahrung vorhanden sei. Jetzt macht sich die Familie starke Vorwürfe, doch Lola kann damit nun nicht mehr geholfen werden.
So oder so ähnlich geht es vielen neuen Tierhaltern, welche sich kurzerhand ein Tier über das Internet »bestellt« haben. Besonders zu Zeiten der Corona Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns wuchs bei vielen der Wunsch nach einem tierischen Gefährten. Zu Beginn des zweiten Lockdowns im Herbst 2021 lebten in 47 % der deutschen Haushalte Heimtiere (6). Der Hund steht dabei mit 10,3 Millionen und 21 % der Haushalte an zweiter Stelle, gleich hinter der Katze (6). Der Bedarf an Welpen ist folglich groß, sodass sich damit ein gewinnbringender Markt eröffnet hat, der leider auch das illegale Geschäft mit Tieren durch die sogenannte »Tiermafia« exorbitant förderte. Vereinfacht wird der illegale Handel mit Welpe und Co. durch den unbeschränkten und schwer zu kontrollierenden Onlinehandel. Genaue Zahlen darüber, wie viele Tiere illegal importiert werden, gibt es nicht. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass die Dunkelziffer hoch ist und nur ein kleiner Teil der Tiere von den zuständigen Behörden aufgegriffen, beziehungsweise Verdachtsfälle gemeldet werden. Schätzungen zufolge werden bis zu 200.000 Hundewelpen pro Jahr illegal nach Deutschland und in die Schweiz importiert (2). Es ist davon auszugehen, dass insbesondere sogenannte Moderassen wie Französische Bulldoggen, Möpse, aber auch Chihuahuas in hoher Zahl illegal importiert werden. Auch wenn aktuell keine belastbaren Zahlen vorliegen, so genügt ein Vergleich der Anzahl der in Zuchtverbänden registrierten Züchter:innen mit den Neuanmeldungen von Hunden dieser Rassen bei Tierregistrierungsportalen. Rein numerisch wären die beispielsweise in Deutschland eingetragenen Züchter:innen von Französischen Bulldoggen nicht in der Lage, die hohe Zahl an neu registrierten Tieren zu decken.
Illegale Einfuhr von Hunden
Doch was definiert man eigentlich als »illegalen Import« von Hunden? Hier empfiehlt es sich, zunächst die gesetzlichen Vorgaben zu betrachten: Es gibt Verordnungen zum Import von Hunden, welche nicht nur dem Schutz des Tieres dienen, sondern auch den Menschen vor Krankheiten, wie z.B. der tödlich verlaufenden Tollwut schützen sollen. Innerhalb der EU gelten hier einheitliche Regelungen: Die Verordnung (EU) Nr. 576/2013 dekretiert, dass Hunde einen vom Tierarzt ausgestellten EU-Heimtierausweis benötigen, der bei Grenzübertritt mitzuführen ist. Die Tiere müssen zudem mit einem Mikrochip gekennzeichnet und gegen Tollwut geimpft sein. Diese Tollwutimpfung darf frühestens mit dem Beginn der 12. Lebenswoche des Welpen erfolgen. Mit dem Tag der Impfung beginnt eine Wartefrist von 21 Tagen, bis der Impfschutz als belastbar gilt und das Tier über die EU-Grenze transportiert werden darf. Im Umkehrschluss bedeutet das wiederum, dass der Welpe mindestens 15 Wochen alt sein muss, bevor er ausgeführt werden darf.
Die Einreisebestimmungen für Länder, die außerhalb der EU liegen, werden unterschieden in Verordnungen für gelistete und nicht gelistete Drittländer: In gelisteten Ländern entspricht der Tollwutstatus dem der EU, sodass bei einer Rückreise aus diesen Ländern in die EU auch die EU-Bestimmungen gelten. Bei der Einreise in ein gelistetes Drittland gelten länderspezifische Bestimmungen. So gilt beispielsweise in der Schweiz als gelistetes Drittland die Verordnung über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Heimtieren (EDAV-Ht). Die Importbestimmungen für nicht gelistete Drittländer sind deutlich aufwendiger: So ist beispielsweise die Einreise eines Hundes erst ab dessen siebten Lebensmonat möglich. Zudem wird mit der von der EU zur Überwachung des Handels konzipierten Datenbank TRACES versucht, gewerbliche Tiertransporteure zu kontrollieren, um die Einfuhr kranker Tiere sowie illegale Importe zu verhindern. Diese Kontrollen werden von Tierhändlern jedoch schlichtweg umgangen, indem Transporte erst gar nicht angemeldet oder bekannte Kontrollpunkte weitgehend umfahren werden. Zudem werden die bereits genannten gesetzlichen Bestimmungen oftmals unzureichend oder gar nicht eingehalten: Die Tiere sind jünger, das Alter im Pass wird entsprechend gefälscht, ein Tollwutschutz besteht erst gar nicht oder die Welpen sind nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet. Damit steigt das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung für Mensch und Tier.
Der illegale Handel mit Welpen stellt dabei für die Händler ein äußert rentables Geschäft dar. Die Tiere werden kostengünstig in großer Anzahl und unter oftmals katastrophalen Bedingungen gezüchtet und gehalten, um die Gewinnmarge möglichst hoch zu gestalten. Rückblickend äußern Besitzer vermehrt, dass sie die illegal importierten Tiere aus Mitleid erworben hätten. Ein derartiger Mitleidskauf ist jedoch kritisch zu betrachten. Auch hier beim illegalen Welpenhandel wird der Markt von Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Kauf eines solchen Welpen erhöht somit die Nachfrage und führt direkt dazu, dass weitere Welpen unter für die Tiere unwürdigen Bedingungen nachgezüchtet werden. Gestoppt werden kann der illegale Handel somit nur, wenn es keine Abnehmer mehr für die Hunde gibt.
Der Weg der Welpen
Der illegale Welpenhandel ist nicht nur im deutschsprachigen Raum präsent, vielmehr handelt es sich um ein grenzübergreifendes Problem, welches durch eine Vielzahl von Missständen ermöglicht wird. Bei Betrachtung der finanziellen und räumlichen Dimensionen wird schnell deutlich, dass im Hintergrund eine beträchtliche Organisation und gut ausgebaute Netzwerke stehen müssen. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder Parallelen und Vergleiche zum Drogen- und Waffenhandel gezogen werden (7). Die überwiegende Zahl der illegal nach Westeuropa importierten Welpen stammt aus osteuropäischen Ländern, wobei eine genaue Rangordnung der einzelnen Länder schwer zu bestimmen ist. Bei der jährlichen Analyse des Deutschen Tierschutzbundes zu den bekannt
gewordenen Fällen illegalen Heimtierhandels in Deutschland waren jedoch Rumänien, Bulgarien und Ungarn in den vergangenen sechs Jahren am häufigsten vertreten (3). Da die in Enthüllungsreportagen und Artikeln gezeigten Zustände der Zuchtstätten keine andere Interpretation zulassen, werden die selbsternannten Züchter oftmals als »Vermehrer« und die Betriebe als »Welpenfarmen« oder »Vermehrerstation« deklariert. Das Ziel der Betreiber ist dabei mehr als offensichtlich: die Welpen sollen mit möglichst großem Gewinn verkauft werden, dazu werden die Aufzuchtkosten auf ein Minimum reduziert. Die Tiere leben auf engstem Raum, die hygienischen Bedingungen sind schlecht, das Futter minderwertig und die Hunde werden in der Regel weder gepflegt noch tierärztlich versorgt.
Über den Zustand und das Schicksal der Elterntiere lässt sich in vielen Punkten nur spekulieren. Die wenigen in Reportagen publizierten Aufzeichnungen von Muttertieren zeigen jedoch einen schlechten Pflegezustand bei oftmals katastrophaler Unterbringung. Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass zugunsten der Gewinnmaximierung die Kosten möglichst geringgehalten werden. So kann spekuliert werden, dass die »Vermehrer« für Hündinnen, die nicht mehr genügend Leistung erbringen, keine Verwendung haben und sich dieser kostengünstig entledigen. Es liegt an bewusst geschaffenen Netzwerkstrukturen, dass es keine belastbaren Zahlen gibt, welche eine realistische Einschätzung der Größe und Anzahl solcher Welpenfarmen und deren Umsatz zulassen. Einen Anhaltspunkt liefern jedoch veröffentlichte Videomaterialen von Tierschutzorganisationen, welche bei Explorationen oder Razzien entstanden sind. Diese suggerieren, dass neben den größeren Zuchtstationen von einer hohen Zahl sogenannter »Hinterhofzuchten« ausgegangen werden kann, die ebenfalls gewinnmaximierend und auf Kosten des Tierwohls züchten. Hier werden nur wenige Zuchtpaare in Privathaushalten gehalten. Bei Bedarf werden die Welpen von Zwischenhändlern abgeholt oder zu einem Treffpunkt gebracht, um anschließend in großen Gruppen exportiert zu werden (1, 10).
Neben desolaten Aufzuchtbedingungen liegt ein weiteres Problem dieser Vermehrungen in der Auswahl der Elterntiere begründet. Im Gegensatz zu professionellen Hundezuchten wird hier nicht vorrangig auf die Gesundheit der Elterntiere oder deren Nachkommen geachtet. Vielmehr wird auf äußere Merkmale selektiert, welche sich verkaufssteigernd auf potenzielle Interessenten auswirken. Begehrt sind dabei vor allem Welpen, welche aktuellen Social-Media-Trends entsprechen, dem sogenannten Kindchenschema möglichst nahekommen oder auch außergewöhnliche Fell- und Augenfarben aufweisen. Da bei vielen Kaufinteressenten die Devise »je jünger, desto niedlicher« vorherrscht und es durch reduzierte Haltungskosten wirtschaftlich rentabler ist, werden die Welpen möglichst jung exportiert. Dabei wird meist nicht einmal die gemäß Tierschutz-Hundeverordnung vorgegebene Altersgrenze von acht Wochen, ab der eine Trennung vom Muttertier zulässig wäre, eingehalten (3, 8). Je nach Herkunftsland stehen den viel zu jungen Welpen bei einem Transport nach Deutschland dann nicht selten eine oftmals traumatisierende Fahrt von bis zu sechzehn Stunden bevor.
Wie mittlerweile auf vielen Bildmaterialien in Reportagen über den illegalen Welpenhandel eindrücklich zu sehen ist, verstecken kleinere Händler, die nur wenige Welpen ins Ausland exportieren, die Hunde während des Transports meist in unscheinbaren Kartons in ihren PKWs. Zwischenhändler bzw. auch Transporteure haben größere Fahrzeuge mit Transportboxen, die teilweise massiv überbelegt werden (8, 5). Allerdings ist auch hier zu beobachten, dass immer häufiger unauffälligere Fahrzeuge eingesetzt werden (4) oder aber Transporte vermehrt an Wochenenden stattfinden (8), um Kontrollen zu umgehen. So stellt alleine die Identifizierung der Welpentransporte für die Behörden eine große Herausforderung dar, weshalb illegale Transporte in der Regel eher zufällig entdeckt werden.
Beschlagnahme und alles ist gut?
Da der häufigste Grund für eine Beschlagnahme ein Verstoß gegen das Tiergesundheitsgesetz aufgrund mangelnden Tollwutschutzes ist (3), müssen die bei Kontrollen entdeckten Welpen zunächst in Quarantäne, bis ein belastbarer Impfschutz gewährleistet werden kann. Für die Quarantäne werden die Tiere meist in nahegelegene Tierheime gebracht. Sofern die Welpen bereits 12 Wochen alt sind und umgehend geimpft werden können, umfasst die Quarantänezeit drei Wochen. Sind die Welpen allerdings jünger, verlängert sich der Zeitraum entsprechend. Für die Welpen bedeutet dies jedoch weitere Einschränkungen bei der Sozialisation und dem Kennenlernen verschiedener Umweltreize während wichtiger Entwicklungsphasen. Auch für die Tierheime entstehen so sehr schnell belastende Situationen, da für die Pflege der sehr jungen und häufig kranken Welpen sehr viel Zeit, Geld und Personal investiert werden muss. Umso mehr Frustration kann sich dann beim Tierheimpersonal einstellen, wenn die Welpen nach erfolgreicher Behandlung, Impfung und Quarantäne wieder an ihre Eigentümer zurückgegeben werden müssen. Eine Beschlagnahmung dient in diesen Fällen ausschließlich der Sicherstellung eines Beweismittels für die Untersuchung, ist zeitlich begrenzt und ändert zunächst nichts an den Eigentumsverhältnissen. Erklärt sich der Welpenhändler dazu bereit, die angefallenen Kosten und eine Sicherheitsleistung zu bezahlen, kann er die frisch behandelten, entwurmten und geimpften Welpen wieder abholen und weiterverkaufen. Die von den Händlern gezeigte Bereitwilligkeit zur Übernahme dieser Kosten zeigt, wie groß die Gewinnspanne sein muss.
Häufige Gesundheitsprobleme illegal importierter Welpen
Wenn die illegal importierten Welpen bei Kontrollen nicht beschlagnahmt werden, kommen sie bei ihren neuen Besitzern zu Hause an. Die Freude, einen Welpen in der Familie aufzunehmen ist groß, doch häufig nicht von langer Dauer, denn sie endet nicht selten in Trauer und Frustration. Infolge der oftmals schlechten Aufzuchtbedingungen sowie einer fehlenden Zuchtselektion auf das Merkmal Tiergesundheit sind die Welpen relativ anfälliger für Erkrankungen. So erreichen einige der jungen Hunde nicht einmal das Erwachsenenalter. Gewissenhafte Züchter hingegen versuchen, durch eine auf die Gesundheit fokussierte Zuchtselektion ihre Nachzucht frei von Erkrankungen zu halten. In der Aufzucht wird großen Wert auf Hygiene sowie Gesundheitskontrolle und -prophylaxe gelegt. Auch das Muttertier wird genauestens überwacht sowie entsprechend geltender Empfehlungen geimpft und entwurmt. Eine Übersicht der umfangreichen Aufgaben gewissenhafter Züchter und auch künftiger Besitzer ist in Abbildung 4 aufgeführt.
Nicht alle Importwelpen werden entsprechend geltender Empfehlungen versorgt, sodass diese als Folge von schlechten Aufzuchtbedingungen in großer Mehrheit gesundheitliche und psychische Probleme aufzeigen. Die Welpen sind zum Beispiel häufig stark verwurmt, was nicht nur für das Tier, sondern auch für die ganze Familie ein gesundheitliches Risiko darstellt. Viele Wurmarten des Hundes sind auf den Menschen übertragbar und können die Organe angreifen. Folglich zählt Wurmbefall zu den sogenannten Zoonosen: Krankheiten die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind und insbesondere für Kinder und immungeschwächte Personen eine große Gefahr darstellen. Zu den weltweit am häufigsten vorkommenden Parasiten und Zoonoseerregern zählen Giardien: Der mikroskopisch kleine einzellige Parasit Giardia intestinalis heftet sich an die Dünndarmwand von Hund und Mensch an und führt zu schleimigen, teilweise blutigen Durchfällen und Erbrechen.
Die häufig auftretende Parvovirose zählt zwar nicht zu den Zoonosen, ist aber für die Welpen extrem gefährlich und endet nicht selten tödlich. Das Canine Parvovirus, ein behülltes widerstandsfähiges DNA-Virus, kann als Erreger monatelang in der Umwelt überleben und sich leicht über infizierten Kot und verunreinigtes Futter übertragen. Das Virus findet also in nicht gereinigten und hygienisch mangelhaften Zuchtstätten ideale Bedingungen für eine Ausbreitung vor. In Deutschland sind Muttertiere gegen diesen Erreger geimpft. Darüber erhalten die Welpen durch Aufnahme der sogenannten Biestmilch (Colostrum), die eine sehr hohe Konzentration an mütterlichen Antikörpern enthält, einen ersten lebenswichtigen Schutz gegen eine Vielzahl von Infektionserregern. Diese mit der Muttermilch aufgenommenen Antikörper sind aber nur zeitlich begrenzt funktionsfähig. Somit muss das Immunsystem eines Welpen nach einer gewissen Zeit selbst Antikörper produzieren. Dies gelingt dem Tier am besten, wenn es ein entsprechendes Impfprogramm durchläuft. Infizieren sich ungeimpfte Tiere mit dem Virus, führt dies zu akut auftretendem starkem Erbrechen, gefolgt von wässrigem, meist blutigem Durchfall, hohem Fieber oder starker Untertemperatur. Häufig endet die Erkrankung trotz stationärer Behandlung in der Klinik tödlich durch den Endotoxinschock, der im schlimmsten Fall zu Organversagen führen kann. Überlebende Welpen haben in der Spätfolge einer überstandenen Parvoviroseinfektion häufig mit einer Schädigung des Herzmuskels zu kämpfen.
So endet die Freude über den Welpenkauf schnell in Frustration, zahlreichen Tierarztbesuchen, hohen Kosten und eventuell auch in lebenslangen gesundheitlichen Problemen oder im schlimmsten Fall mit dem Tod des Welpen und der Trauer der Halter. Übersteht ein Welpe diese Zeit ohne gesundheitliche Probleme, so zeigen sich oftmals Verhaltensauffälligkeiten: Fehlende Sozialisation und eine zu frühe Trennung von der Mutter resultieren häufig in psychischen und sozialen Problemen. Die zuerst tapsig und aufgeschlossen wirkenden Welpen entwickeln sich schnell zu ängstlichen, unsozialisierten und teilweise aggressiven Tieren. Da sie viel zu jung importiert werden, sind Verhaltensänderungen für unerfahrene Käufer zunächst nicht ersichtlich, da Welpen beispielsweise Angstreaktionen erst ab circa der fünften Lebenswoche zeigen können.
Neben moralischen und gesundheitlichen Bedenken machen sich Käufer zudem rechtlich strafbar mit dem Erwerb eines zu früh abgesetzten Welpen: Nach §2 Absatz 4 der Tierschutz-Hundeverordnung dürfen Welpen frühestens mit der achten Lebenswoche von der Mutter getrennt werden, jünger erworbene Hunde stellen dementsprechend einen Strafbestand dar. Es ist also sowohl aus rechtlicher und auch aus ethischer Perspektive unbedingt erstrebenswert, die Bevölkerung dahingehend zu sensibilisieren, keine Käufe aus Mitleid oder vermeintlich gute Taten zu tätigen und somit die kriminellen Machenschaften der Tiermafia zu unterstützen. Auch wenn dies vielleicht längere Wartezeiten oder höhere Anschaffungskosten bedeutet: Langfristig betrachtet profitieren sowohl Tier wie auch Mensch von einem verantwortungsvollen Züchter oder der Adoption aus einem Tierheim oder einer Pflegestation.
Alternativen zum Mitleidskauf
Besteht der Verdacht auf einen illegalen Welpenhandel, sollte unbedingt vom Kauf abgesehen werden, auch wenn dieser aus gutgemeinten Intentionen eines falsch verstandenen Tierschutzgedankens heraus resultiert. Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes spricht die Empfehlung aus, den Händler beim zuständigen Veterinäramt oder der Polizei zu melden und Anzeige wegen Betrugs bei der nächstgelegenen Polizeidienststelle zu erstatten, sollte es bereits zu einem Kauf gekommen sein (9). Das Identifizieren von Online-Anzeigen, die vor allem auf populären Anzeigeportalen wie ebay Kleinanzeige veröffentlicht werden, wird mittlerweile durch eine strategische Methodenanpassung erschwert: Die häufig als »Billigwelpen« deklarierten Hunde sind längst nicht mehr als solche zu erkennen, da die Preise an den deutschen Markt angepasst werden. Auch sind die Anzeigentexte in adäquatem Deutsch und stilistisch ansprechend verfasst. Welpen mehrerer Rassen werden nur noch selten in einer Anzeige angeboten, was auch für Laien ein evidentes Indiz für fehlende Professionalität bot. Präventiv würde sich jedoch im Kaufgespräch die Nachfrage nach einer anderen Rasse anbieten, um einen möglichen illegalen Handel zu erkennen.
Aus Erfahrungsberichten von Käufern illegaler Welpen geht hervor, dass häufig ein Muttertier präsentiert worden sei oder zumindest gute Ausreden für dessen Abwesenheit geliefert wurden. Vermehrt wurde ebenfalls von einem »unguten Gefühl« berichtet, das allerdings beim Anblick des Welpen schnell in Vergessenheit geraten sei. Bei einem möglichen Kauf empfiehlt es sich daher, unbedingt die Papiere und den Impfausweis sehr genau anzuschauen: Dabei sollte vor allem auf die Herkunft und das Alter des Welpen sowie die dokumentierten Impfdaten geachtet werden. Zumindest offensichtliche Fälschungen, wie beispielsweise ein Impfdatum, welches vor dem Geburtsdatum des Welpen oder nach dem Kaufdatum liegt, sind auch für Laien erkennbar. Zudem sollte man sich bei einem Welpenkauf niemals unter Druck setzen lassen. Ein seriöser Züchter wählt die neuen Besitzer seiner Tiere mit Bedacht aus und wird von sich aus darauf Wert legen, dass man den Welpen mehrfach besucht, um bereits vor dem Kauf eine Bindung aufzubauen. Für Welpenhändler ist es wiederum symptomatisch, den Interessenten durch die Erwähnung einer Vielzahl weiterer potenzieller Käufer zum schnellen und unüberlegten Kauf zu bewegen. Um einen seriösen Züchter zu finden, sollte man vor allem auf die Suche über Anzeigenportale verzichten und stattdessen das Suchregister des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH) nutzen oder nach Zuchtvereinen der gewünschten Rasse suchen. Eine zusätzliche Möglichkeit stellt die Beratung durch eine Tierarztpraxis oder Hundeschule dar, in welchen man sich nach verantwortungsbewussten Züchtern aus dem Kundenstamm erkundigen kann. Dies bringt zudem den Vorteil der lokalen Nähe mit sich, was den weiteren Kontakt zum Züchter bei Fragen oder Notfällen erleichtert.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Anschaffung eines Welpen immer ein gut durchdachtes Unterfangen sein sollte, dem ausgiebige Planung und Informationsbeschaffung vorausgehen sollten. Dabei sollte man sich nicht nur damit beschäftigen, welche Rasse am besten zur eigenen Persönlichkeit und den aktuellen Lebensumständen passt. Es ist ebenso wichtig genau zu prüfen, ob sich ein Hund in die eigene Zukunftsplanung von Familie und Beruf eingliedern lässt und ob man die regulären und möglichen außerplanmäßigen Kosten für die medizinische Versorgung über 10–15 Jahre hinweg aufbringen kann und will.
Danksagung
Vielen Dank an Frau Friederike Rhein, die uns bei der Gestaltung der Grafiken tatkräftig unterstützt hat!
Die Autorinnen
Celina Pabst ist Tierärztin und seit Anfang 2022 Doktorandin an der Professur für Tierschutz der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Unter der Betreuung von Univ.-Prof. Dr. Stephanie Krämer befasst sie sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit mit dem illegalen Welpenhandel, insbesondere mit der Altersschätzung von Hundewelpen und den Einflüssen auf die Entwicklung illegal importierter Welpen. Ermöglicht wird das Projekt durch eine Finanzierung der Stabsstelle der Landesbeauftragten für Tierschutz Baden-Württembergs, welcher an dieser Stelle noch einmal ein herzlicher Dank ausgesprochen werden soll!
Vielen Dank auch an Friederike Rhein und Lea Benner für ihre Unterstützung!
Marion Michel hat Veterinärmedizin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert. Von 2006 bis 2011 arbeitete sie als Assistentin in verschiedenen Kleintier- und Pferdepraxen. Seit 2011 führt sie auf dem Birkenhof in Nunkirchen ihre eigene Tierarztpraxis und einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Altersruhesitz für Pferde. Durch den regelmäßigen Kontakt mit Qualzuchten und illegalen Welpenimporten in der Tierarztpraxis, fing sie an sich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen. Aktuell arbeitet sie daher an ihrer Doktorarbeit zumThema Qualzucht und illegale Import von Hunden.
Univ.-Prof. Dr. Stephanie Krämer ist Tierärztin und seit 2017 im Fachbereich Veterinärmedizin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen tätig. An der Professur für Tierschutz lehrt und forscht sie zu unterschiedlichsten Themen rund um den Tierschutz. Zu einem Schwerpunktthema ist dabei im letzten Jahr das Thema Qualzucht geworden. Gleich mehrere Doktorand:Innen bearbeiten das Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln heraus und wollen so auch ihren Beitrag zur Beendigung dieses überflüssigen Leids leisten. Besondere Beachtung hat dabei im Jahr 2021 die Dissertationsschrift von Frau Dr. Karina Schöll zu »Qualzuchtmerkmale bei der Katze und deren Bewertung unter tierschutztrechtlichen Aspekten« erlangt (tinyurl.com/yckp75ep).
Jaqueline Krüger hat Geschichte und Journalistik studiert. Seit 2019 ist sie Doktorandin an der Justus-Liebig-Universität Gießen und arbeitet als Koordinatorin am Interdisciplinary Centre for 3R’s in Animal Research (ICAR3R). Als Medienwissenschaftlerin beschäftigt sie sich mit der Repräsentation von Qualzuchten und des Tierschutzes in den öffentlichen Medien.
Literaturverzeichnis
- Bauer, Karin (2021): Auf der Spur der Hundedealer. Qualzuchten im Ausland: Todkranke Hundewelpen für die Schweiz (Dok). SRF, 28.10.2021. Online verfügbar unter https://www.srf.ch/sendungen/dok/auf-der-spur-der-hundedealer-qualzuchten-im-ausland-todkranke-hundewelpen-fuer-die-schweiz, zuletzt geprüft am 17.10.2022.
- BF International Consulting; VetEffecT; WUR; IZSAM (2015): Study on the welfare of dogs and cats involved in commercial practices. Specific Contract SANCO 2013/12364 FINAL REPORT. Unter Mitarbeit von Remco Schrijver, Reina Sikkema, Hester de Vries, David Dewar, Ron Bergevoet, Stefano Messori Silvia D’Albenzio et al.
- Deutscher Tierschutzbund e.V. (2022): Illegaler Heimtierhandel in Deutschland. Auswertung bekannt gewordener Fälle aus dem Jahr 2021.
- Eurogroup For Animals (2020): The Illegal Pet Trade: Game Over. Report June 2020.
- Fitzi-Rathgen, Julika (2016): STS – Report. Auf den Hund gekommen: Illegaler Hundehandel und -import fördern Tierleid und Kriminalität. Hg. v. Schweizer Tierschutz STS.
- IVH; ZZF (2022): Der deutsche Heimtiermarkt. Struktur & Umsatzdaten 2021. Hg. v. IVH und ZZF.
- Maher, Jennifer; Wyatt, Tanya (2021): European illegal puppy trade and organised crime. In: Trends in organized crime 24 (4), S. 506–525. DOI: 10.1007/s12117-021-09429-8.
- Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (Bonde, Alexander) (2014): Antrag der Abg. Dr. Friedrich Bullinger u.a. FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Illegale Hundetransporte der osteuropäischen Welpen-Mafia. Hg. v. Landtag von Baden-Württemberg (Drucksache 15 / 5139).
- Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (2022): Illegaler Welpenhandel – Vorsicht bei Angeboten aus dem Internet. Online verfügbar unter https://www.polizei-beratung.de/startseite-und-aktionen/aktuelles/detailansicht/illegaler-welpenhandel/, zuletzt geprüft am 17.10.2022.
- VIER PFOTEN (Hg.) (2013): Welpenhandel in Europa. Recherche über den Einfluss illegaler Geschäfte auf Märkte, Konsumenten, Tierschutz und das One-Health-Konzept.