Hundliche Verhaltensstörungen in der Verhaltenstherapie

An der tierpsychologischen Beratungsstelle der Veterinärmedizinischen Universität Wien langen telefonische Anfragen von Tierbesitzern und Tierärzten in Zusammenhang mit Verhaltensproblemen bei Hunden ein. Ordnet man die so an mich herangetragenen Verhaltensstörungen nach ihrer Häufigkeit, so steht an erster Stelle Aggressivität und an zweiter die gesteigerte Erregbarkeit.

Am häufigsten: Aggressivität
Unter den verschiedensten Formen der Aggressivität steht wieder die Dominanzaggression im Vordergrund. Ursache für diese spezielle Form der Aggressivität ist sehr oft Fehlverhalten des Besitzers. Ein kurz gefasstes Fallbeispiel soll dies verdeutlichen: Unlängst wurde mir ein Irish Setter vorgestellt, der Aggression gegenüber seinem Besitzer zeigte. Das Besitzerehepaar hatte bereits vorher immer wieder Irish Setters gehabt, die stets völlig unproblematisch waren. Der jetzigen Hündin ist ihrem Wesen nach eine Alpha-Position zuzuordnen. Die Besitzer gingen mit dieser Hündin genauso um, wie mit den früheren Hunden. Sie wird manchmal vom Tisch gefüttert, bekommt zwischendurch Belohnungen und hat im Haus der Besitzer völlige Freiheit.
Bei dieser  Hündin mit dem sozusagen „Alphawesen“  führte dies tatsächlich zur Übernahme der Alpha-Position gegenüber dem Besitzer. Die Besitzerin hat übrigens keine Probleme mit diesem Hund. Dieses Problem entstand also aus dem Fehlverhalten des Besitzers heraus. Die Therapie kann nur als reine Verhaltenstherapie durchgeführt werden: Unter Anleitung eines erfahrenen Hundeausbilders muß der Tierbesitzer den richtigen Umgang mit dem Hund lernen. Dies wird aber sicher nicht im Rahmen der üblichen Gruppenarbeit möglich sein, sondern nur in Einzelarbeit mit dem Tierbesitzer.
Sehr oft zeigt sich diese Problematik auch, wenn der Tierbesitzer dem Hund physisch nicht gewachsen ist: Manchmal kann man dies bei älteren Menschen beobachten. Sie hatten z.B. immer Schäferhunde und schaffen sich in höherem Lebensalter wieder einen an und bedenken nicht, daß sie aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht mehr in der Lage sind, dem Hund entsprechenden Auslauf zu verschaffen oder gar den Hund adäquat auszubilden.

Gesteigerte Erregbarkeit
Die allgemein gesteigerte Erregbarkeit ist das zweithäufigste Problem. Man versteht darunter, daß der Hund in vielen Situationen überreagiert, sei es mit gesteigerter Unruhe oder mit Angst. Letzteres ist häufiger der Fall. Dies kann so weit gehen, daß sich der Hund nicht mehr zum Versäubern auf die Straße traut. In diesen Fällen, die leider anscheinend immer häufiger auftreten, ist die Vorgeschichte meist sehr ähnlich: Der Hund stammt von einem Züchter, der sehr entlegen wohnte, sodaß die Welpen keinerlei Kontakt mit fremden Menschen hatten, nie mit Verkehrslärm und der Geräuschkulisse der Großstadt konfrontiert waren.
Eine andere Möglichkeit ist die, daß der Hund aus einer sog. „Hundefabrik“ stammt. Es wird dort mit einer großen Zahl von Hündinnen gezüchtet, die stets nur in Zwingern untergebracht sind. Ein Kontakt der Welpen mit Menschen kommt nur während der Reinigung des Zwingers und der Fütterung zustande. Sehr häufig – nicht ausschließlich – betrifft dies Hunde, die aus den Oststaaten stammen.
Die Therapie kann nur in einem vorsichtigen Gewöhnen des Hundes an die ihm unbekannten Reize (Desensibilisierung) stehen. Dies sollte unter kompetenter Anleitung auf einem ruhig gelegenen Ausbildungsplatz durchgeführt werden, damit nicht zufällig auftretende Störreize das Desensibilisierungsprogramm gefährden. Sehr oft ist die Gabe eines sorgfältig ausgewählten Psychopharmakons über einen Zeitraum von einigen Monaten unumgänglich.

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