Hundewolle vom eigenen Hund

Von Dorothee Roediger

Leicht, ­ultrawarm und kuschelig

Im Sommer 2003 tat sich auf dem Hof unseres landwirtschaftlichen Betriebes etwas Merkwürdiges: Der Wolfsspitz unseres Nachbarn, ein Viehhändler, kam zu uns. Er legte sich still in eine Ecke und ­beobachtete. Ich wusste, dass der Hund ­geschlagen, getreten und auf andere Art und ­Weise misshandelt wurde. Es war nicht klar, ob dieser Hund bissig war. Darum hatten meine Kinder die Anweisung den Hund zu ignorieren, wenn sie auf dem Hof spielten. Wobei ich natürlich immer anwesend war! Der Beginn einer großen Liebe.

Dieser Wolfsspitz, so zottelig und verwahrlost, von innerer und äußerer Not geplagt, lag da und guckte mich mit so einem eigenen Blick an. Eines Abends, das Abendessen lag hinter uns, durften die Kinder noch einmal raus zum Spielen. Außerdem lag ein Gewitter in der Luft, da war an Schlafen nicht zu denken. Sie malten mit Straßenkreide lauter bunte Hunde auf die Steine, und der Wolfsspitz lag da und schaute zu. Das Grummeln des Gewitters wurde immer lauter. Es war Zeit ins Haus zu gehen und die Türen zu schließen. So rief ich die Kinder und mit ihnen kam auch der Wolfsspitz. Seine Art drückte so viel Demut und Angst aus, dass ich, die ich von ­Hunden keinerlei Ahnung hatte, zwischen Mitleid mit dem Hund und Ratlosigkeit hin und her gerissen war. Ich ließ das Mitleid siegen und nahm ihn mit ins Haus. Eine ­Stunde später, das Gewitter entlud sich mit aller Macht, saßen wir gemeinsam im Kinderzimmer auf dem Fußboden. Auf meinem Schoß ein Kind, zwei weitere rechts von mir und auf der linken Seite lag der Hund. Dicht an mich gedrängt, als wollte er sich nie wieder von mir lösen. Tief in meinem Innern spürte ich, wie sich eine Sehnsucht zu erfüllen begann, von der mir so deutlich gar nicht klar war, dass es sie gab. Dieser Abend hat mein Leben verändert! Nur wusste ich es damals noch nicht.

Die folgenden Wochen waren unter anderem davon geprägt, die Besitz­verhältnisse bezüglich des Wolfsspitzes zu klären. Zwar war klar, dass der Hund auf jeden Fall aus seinen ursprünglichen Verhältnissen herausgeholt werden musste. Offiziell meine ich, denn inzwischen lebte Benni (so hatten wir ihn genannt) schon ganz bei uns, was allerdings gar nicht so einfach war. Dieser Nachbar, der Viehhändler, wollte den Hund auf keinen Fall abgeben. Er willigte aber zum Glück schnell ein, den Hund scheren lassen zu dürfen. Welch ein Maß an Erleichterung diese arme, geschundene Kreatur spürte, als die ein Zentimeter dicke Filzschicht von seiner Haut kam, die Spelzen nicht mehr ­stachen und die entzündeten Hautstellen mit lindernder Salbe bestrichen wurden, das kann mit Worten nicht ausgedrückt werden.

Liebelei mit Nachbarshündin
Mit der Kraft neuer Lebendigkeit knurrte Benni seinen Noch-Besitzer an, sobald er ihn sah. Nur wenige Tage und der gab nach – so war Benni endlich auch offiziell mein Hund. Die folgenden Wochen waren geprägt von einem neuen Lebensgefühl. Es erfüllte sich ein Kindheitstraum! Wir waren ein tolles Team. Alles, was ich auf dem Hof hinlegte oder stellte, bewachte er. Benni schirmte mich sogar gegen Menschen ab, von denen ich mich bedroht fühlte. Witzig war auch, dass Benni jeden Vormittag für etwa zwei Stunden verschwand. Erst als Benni gestorben war erfuhr ich, dass er seine (und unsere) Nachbarin besucht hatte. Nebenan wohnte nämlich eine Wolfsspitzhündin. Dort kratzte er an der Balkontür, wurde eingelassen und ruhte sich zusammen mit Leila aus, stand irgendwann wieder auf und ging/kam nach Hause.

Eines Tages biss Benni meiner ­Tochter vor Schreck in die Hand. Er ging da­zwischen, wenn sich die Kinder stritten. Kurzum, er wurde aggressiver. Aber warum auf einmal? Über diverse Kontakte fand ich eine Hundetrainerin, die mir riet, vor einem Verhaltenscheck eine medizinische Untersuchung durchführen zu lassen. Das Ergebnis war ernüchternd: Beidseitig hochgradige HD, eine schlecht verheilte Herzbeutelentzündung, die Lunge war vor Wurmknoten kaum mehr zu erkennen, und eine kaputt geschlagene Wirbelsäule. Benni einzuschläfern war eine Erlösung für diesen Hund. Für mich war die Zeit mit diesem Nachbarshund, der beschlossen hatte mich zu adoptieren, der Anfang wunderbarer Freundschaften. Er hat mir die Tür geöffnet, die ich mir womöglich nie selbst geöffnet hätte. Und so kam es, dass bald ein neuer Hund in mein Leben trat: Darjusch, ein Eurasier.

Hundewolle vom eigenen Hund
An der Kasse eines Supermarktes stehend, tippte mir jemand von hinten auf die Schulter. Die Dame, deren Finger meine Schulter kontaktet hatte, lächelte mich freundlich an und stellte mir eine Frage, die mir ein großes Fragezeichen ins Gesicht schrieb: „Darf ich Sie mal anfassen?“ Von mir kam ein irritiertes: „Hä???“ Die Dame zeigte auf meine Strickjacke: „Die sieht sooo kuschelig aus!“ Natürlich durfte sie. Beglückt und fasziniert bedankte sie sich und stellte sich wieder in die Reihe der Wartenden. Die Rede ist von meiner Strickjacke aus der Wolle meines Eurasier-Rüden Darjusch.

Mein erster „Hundewollkontakt“
Alles begann auf einer Rassehund­ausstellung. Dort waren an einem Stand Strickwaren aus der Wolle von Eursiern ausgestellt. So weich und warm. Augenblicklich stand fest: das will und kann ich auch! So begann ich die heraus­gekämmte Wolle zu sammeln.

In meiner Heimat, der Lüneburger ­Heide, kenne ich eine Dame, die den Umgang mit Wolle zu ihrem Beruf gemacht hat. Meine Freude war groß, zu hören, dass sie auch Erfahrung im Umgang mit Hundewolle hat. Das einzelne Haar der Hundewolle ist nämlich deutlich kürzer als das der Schafe. Darum ist das Spinnen der Hundewolle schwerer. (Das einzelne Haar gleicht fast der Darstellung einer akustischen Welle.)

Nun ist der Weg also folgender:
Nach dem Auskämmen werden die Puschel aufgelockert, d.h. vorsichtig auseinandergezupft, und von Unreinheiten befreit. Die Spinnerin fügt beim Spinnen ca. 20% Schafwolle hinzu. Dadurch wird der Faden stabiler. Er kann bei der Verarbeitung und hinterher beim Tragen des Kleidungsstückes nicht so leicht reißen, was bei der Verarbeitung von ausschließlich Hundewolle oft der Fall ist.

Weil die Wolle von Darjusch überhaupt nicht riecht, wasche ich sie nicht. So bleibt das Lanolin, das Wollfett, erhalten. Ich erkenne das Aroma der Schafwolle und bei Feuchtigkeit ein klein wenig auch den Hund. Das Warmhaltever­mögen dieser Wolle ist außerge­wöhn­lich! Es reicht locker an Angora oder Kaschmir heran und hat fast medizinischen Charakter. Die Leichtigkeit dieser Wolle bewirkt, dass schmerzende Muskulatur oder Gelenke eingehüllt und gelindert werden. Die Strickjacke zum Beispiel wiegt lediglich 900 Gramm.

Ein Genuss!
Allerdings nicht ganz preisgünstig. Für100 g fertig gesponnene Wolle zahle ich 20,- Euro. Dennoch – die Investition lohnt sich! Noch mehrfach wurde ich gebeten, die Jacke anfassen zu dürfen. Jedesmal verabschiedeten sich glück­lich und fasziniert lächelnde Berührerinnen …

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