Bevor Sie diesen Artikel weiterlesen, können Sie Folgendes mit Ihrem Hund ausprobieren: Nehmen Sie zwei gleich aussehende Becher oder Dosen, stellen diese nebeneinander vor Ihren Hund und füllen Sie eine davon mit einem Leckerchen. Die andere Dose bleibt leer. Nun drehen Sie beide Dosen um, sodass das Leckerchen nicht mehr zu sehen ist. Dann verschieben Sie beide Dosen, indem Sie die linke Dose nach rechts und die rechte Dose nach links ziehen. Wo sucht Ihr Hund das Leckerchen?
Wir kommen gleich zum Ergebnis des Spiels zurück.
Das Hütchenspiel
Beim Hütchenspiel, wohlgemerkt dem ohne betrügerische Absichten, kann der Mensch mit seinen Augen relativ gut dem Hütchen folgen, unter dem etwas verborgen ist. Klar ist: auch wenn das Objekt nicht zu sehen ist, so ist es dennoch da – wenn es nicht vom Betrüger zuvor wieder entfernt wurde. Dieses Wissen um die Existenz der nicht sichtbaren Gegenstände nennt man Objektpermanenz. Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget untersuchte die kindliche kognitive Entwicklung und stellte fest, dass Kinder in einem Alter von etwa einem Jahr verstehen, dass ein Gegenstand trotzdem weiter existiert, auch wenn er nicht mehr zu sehen ist, weil er zum Beispiel mittels einer Sichtblende verdeckt wird. Wie sieht es nun mit unseren Hunden aus? Wo hat Ihr Hund sein Leckerchen zuerst gesucht? Wenn er es nicht riechen konnte, dann stupste er vermutlich die Dose an, die an der Stelle stand, an der Sie das Leckerchen hineingegeben haben. Er sucht also an der Stelle. Das Leckerchen dort vorzufinden, ist für ihn logisch.
Was ist überhaupt Logik?
Unter logischem Denken versteht man das Erkennen von Zusammenhängen, das Inbeziehungsetzen von Ursache und Wirkung sowie das Ziehen von Schlüssen. Zum Beispiel: Wenn wir in einen Kasten vier Gegenstände hineingeben und keinen herausholen, dann müssten auch noch vier Gegenstände drinnen sein, wenn der Kasten wieder geöffnet wird. Wird unsere Erwartung nicht erfüllt, dann stimmt etwas nicht, etwa weil wir gerade einem Zauberer zuschauen, der mit unseren Erwartungen spielt. Wir schauen dann verblüfft und vermutlich auch besonders lange hin, da wir nicht glauben können, was da gerade passiert ist. Dieses längere Hinschauen nutzen Wissenschaftler und werten es als Hinweis darauf, dass ein Tier mit dem, was es gerade erlebt, seine Schwierigkeiten hat, zum Beispiel, weil es etwas anderes erwartet hat.
Was finden Hunde unlogisch?
Genau wie kleine Kinder in einem gewissen Lebensalter, so können auch unsere Vierbeiner uns nicht mit Worten vermitteln, was ihnen seltsam im Sinne von unlogisch vorkommt. Um mehr über das logische Denken unserer Hunde zu erfahren, messen Forscher die Zeit, die vom Individuum auf das Betrachten einer Situation aufgewendet wird. So konnten vor einiger Zeit die englischen Wissenschaftler West und Young belegen, dass Hunde wissen, dass eins und eins die Summe zwei ergibt. Verschiedenen Hunden wurde ein Leckerchen gezeigt und hinter einer Trennwand platziert. Dann nahm einer der Wissenschaftler, der an der Durchführung der Experimente beteiligt war (sog. Experimentator), ein weiteres Leckerchen in die Hand und zeigte es deutlich dem Vierbeiner, bevor er es hinter der Wand zu dem anderen hinzufügte. Beim Entfernen der Trennwand sah der Hund das Ergebnis. Das, was der Hund erblickte, waren zwei Häppchen (1+1=2), also das, was er erwartet hatte. Man maß dann, wie lange der Vierbeiner diese beiden Leckerlis betrachtete („preferential looking time"), bis er wegschaute. Das war der Referenzwert. In einem weiteren Test tat man nur so, als würde man ein zweites Leckerchen hinter der Sichtwand hinzufügen. Bei Entfernung der Trennwand aber lag nur eines dort. Die getesteten Hunde schauten deutlich länger auf dieses unerwartete, rechnerisch falsche Ergebnis (1+1=1). Ähnlich verhielten sich die Hunde auch, wenn die Rechnung 1+1=3 ergab. Die Hunde hatten also eine bestimmte Erwartung an das Ergebnis und waren nun erstaunt über das, was sie zu sehen bekamen.
Was Hunden logisch und was ihnen unlogisch erschien, konnte man so herausfinden und fand somit einige Belege für hundliche Logik.
Menschliche Hinweisgeber
Hunde können also „rechnen" (zumindest bis 3 oder 4), scheitern aber beim Hütchenspiel. Woran mag das liegen? Wissenschaftler wollten es genauer wissen. Sie wandelten den Bechertest weiter ab. Sie gingen dabei von der Überlegung aus, dass das Rappeln beim Schütteln eines Bechers uns Menschen verrät, dass sich darin etwas befindet. Und dass in einem Becher, der nicht klappert, wenn man ihn schüttelt, auch nichts enthalten sein kann, zumindest kein Leckerchen oder ähnliches. Logisch, oder? Unsere Hunde aber „scheitern" bei diesem Test. Zunächst allerdings nicht, denn sie wählten beim ersten Durchgang des Versuchs den klappernden Becher, in dem war ein Stückchen Futter enthalten. Nun aber schüttelten die Leipziger Forscher, die diesen Test durchführten, den leeren Becher, und siehe da: nun interessierten sich die Vierbeiner für diesen. Unlogisch? Im Hundeuniversum vielleicht gar nicht. Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass Hunde schon so lange mit uns Menschen zusammenleben, mehrere Tausend Jahre, und so einfach gelernt haben, auf uns zu achten. Was wir berühren oder mit einer Bedeutung versehen (Schütteln), finden sie eben spannend. Soziale Hinweise nennt man das, worauf sie achten. Menschenaffen stellen jedoch den kausalen Zusammenhang zwischen dem enthaltenen Futter und dem Geräusch her, ebenso wie übrigens Graupapageien. Tröstlich: auch uns Menschen ist diese logische Schlussfolgerung nicht angeboren und entwickelt sich erst im Alter von etwa 3 Jahren.
Hundelogik unter die Lupe genommen
Was zunächst etwas widersprüchlich erscheint oder uns sogar ein wenig enttäuscht, ist jedoch gar nicht so erstaunlich. In der Welt der Kaniden, zu denen unsere Hunde genauso wie der Stammvater Wolf gehören, kommt es nun mal vor, dass Futterreste an einer bestimmten Stelle vergraben werden. Zu beobachten, dass das ein anderer Hund oder Wolf bzw. ein Nahrungskonkurrent tut, kann unter Umständen das Überleben sichern. Dabei muss die Stelle gemerkt werden. Und das tun Hunde, wenn sie sich beim Hütchenspiel auf den Ort und nicht auf den verschobenen Becher konzentrieren.
In der Lebenswirklichkeit unserer Hunde hat es sich ferner bewährt, auf uns Menschen zu achten. Das ist für sie zu einer Strategie geworden. Für unsere Vierbeiner ist es logisch, unseren Hinweisen zu folgen, sei es einer Zeigegeste oder dem Hantieren mit einem Gegenstand.
Wenn wir ihre Art zu denken besser verstehen, können wir oftmals vermeiden, ungeduldig oder gar ungerecht zu werden. Und wir sollten ihnen Denkaufgaben stellen, die sie bewältigen können. Denn das macht Spaß und verhindert Frust, auf beiden Seiten.
Literatur:
■ Juliane Bräuer, Klüger als wir denken: Wozu Tiere fähig sind. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg, 2014.
■ Juliane Kaminski, Juliane Bräuer, So klug ist Ihr Hund. Kosmos Verlag, Stuttgart, 2011.
■ Dr. Ádám Miklósi, Hunde. Evolution, Kognition und Verhalten. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2011.
■ Rooijakkers, Eveline F., Juliane Kaminski, and Josep Call. „Comparing dogs and great apes in
their ability to visually track object transpositions." Animal cognition 12.6 (2009): 789-796.
■ Topál, József, et al. „Differential sensitivity to human communication in dogs, wolves, and human infants." Science 325.5945 (2009): 1269-1272.
■ Tomasello, Michael, and Juliane Kaminski. „Like infant, like dog." Science 325.5945 (2009): 1213-1214