Hundeausstellung im Fokus zelebriert und kritisiert

Von Daniela Antoni

Es gibt Assoziationen, die passieren unwillkürlich. So schnell wie Bilder zu dem Wort »Hundeausstellung« in blinkender Werbemanier in den Kopf kommen, so schnell geht meist auch die Schublade auf, in die wir derartige Veranstaltungen packen. Da stecken wir die akkurat getrimmten Pudel mit Haarspray rein, nebst dem rosa Schleifchen vom Haar des Yorkshire Terriers, oder wie hier beim Bild unten einen Shih Tzu. Den Menschen im adretten Outfit, der sich selbst oder seinen Hund an einer dünnen Leine zur Schau stellt, stopfen wir gedanklich auch noch dazu. Fertig ist das Vorurteil.

Sind solche Klischees zur Hundeausstellung gerecht – und vor allem wo genau ergibt sich der Zusammenhang mit potenziell tierschutzrelevanten Züchtungen? Als jemand, der sich seit knapp 20 Jahren mehr oder weniger oft in dieser Hundeszene bewegt, möchte ich mit einigen Vorurteilen aufräumen – Kritik vertiefen, aber eben dort, wo sie auch angebracht ist.

Ein Zeichen setzen
Mittlerweile schämt man sich fast als verantwortungsvoller Züchter, Deckrüdenbesitzer oder schlicht als Aussteller zu dem System zu gehören, das für viele Extreme in der heutigen Rassehundezucht mitverantwortlich ist und so großes Leid über manche der Rassen gebracht hat. So etwas darf nicht sein, denn eigentlich ist die Grundidee durch ein durchdachtes Verfahren gewahrt. Das System bietet jedoch an wesentlichen Stellen Raum für Fehler und das Ausstellungswesen gehört leider neben dem Käufer und den schwarzen Schafen unter den Züchtern dazu. Hundezucht mit all ihren Bestimmungen und Zuständigkeiten ist nicht so einfach von außen zu verstehen, deswegen möchte ich heute gerne über folgende Punkte informieren:

• Wie kam es zum heutigen »Qualzucht«-Dilemma bei manchen Rassen?
• Kann man Hundeausstellungen nicht einfach abschaffen?
• Was kann man zukünftig gegen Extreme in der Zucht tun?

Hundeausstellung – ein Schönheitswettbewerb?
Die wohl unkorrekteste Aussage, die es in Bezug auf das Ausstellungswesen gibt und trotzdem hält sie sich hartnäckig: »Es geht doch um den schönsten Hund von allen,
oder etwa nicht?« Leider wird durch diverse Medien oft ein sehr emotional verurteilendes Bild gezeichnet, das selten fachliche Zusammenhänge wiedergibt und korrekt darstellt. Pauschal werden Behauptungen aufgestellt und Zucht wird in einen Topf geschmissen mit »Zucht«. Dabei gibt es gerade in diesem Punkt stark gegensätzliche qualitative Ausgangsvoraussetzungen. Mittlerweile kann ich das unspezifische Bashing gegen die Veranstalter sogar verstehen.

Wenn ich mir das jährlich wiederkehrende Brimborium um die großen Ausstellungen anschaue, ist die übertriebene Inszenierung mehr als greifbar und das Wesentliche steht im Schatten des gleißenden Scheinwerferlichts. Es geht um vieles auf Ausstellungen, aber um den »schönsten Hund« sicherlich nicht. Des Pudels Kern ist ein anderer, beziehungsweise WAR die Grundidee eine andere. Hundeausstellungen entfernen sich immer mehr von der Grundidee, auf die sie zurückgehen, und das ist schlecht. Schlecht für das positive Image, welches Züchter einmal hatten, und vor allem schlecht für einige Hunderassen, die unter die Räder dieser Entwicklung kamen. Immer öfter dreht sich alles vorrangig um das Extreme im Erscheinungsbild. Erst dann folgt irgendwann die moralische Frage, ob sich ein Hund überhaupt noch mit den äußeren Merkmalen und Problempäckchen wohl fühlt, die man ihm über die Jahrzehnte auferlegt hat durch die Auslegung des jeweiligen Rassestandards.

Geschichte der Hundeausstellung – wie alles begann
Die ersten Hundeausstellungen liefen unter dem bekannten Motto »form follows function«, denn damals hatten Rassehunde in erster Linie einen bestimmten Zweck, für den sie gezüchtet wurden. Der funktionale Körperbau folgte der Funktion (dem Einsatzgebiet) eines Hundes und stellte somit die oberste Prämisse dar. Es überrascht diesbezüglich nicht, dass sich gerade Jagdhunde auf den ersten Ausstellungen versammelten.

Statussymbol statt Funktion?
In England fand 1859 (Newcastle) die erste große nationale Hundeausstellung statt, die ein paar Jahre später, 1863 (Chelsea) in eine internationale Hundeausstellung weiterentwickelt wurde. Seit 1891 (damals noch London) findet jährlich die größte Hundeausstellung der Welt, die Crufts statt (mittlerweile Birmingham), und bereits zu dieser Zeit waren Einflüsse spürbar, die nicht nur auf die Funktion eines Hundes abzielten, sondern den Hund als Statussymbol umfunktionierten. Ein Prioritätenwechsel begann, welcher bis heute noch nachhaltig das Ausstellungswesen beeinflusst. Auch in anderen Ländern der Welt etablierten sich in der damaligen Zeit Rassehundeclubs nach dem Vorbild des Kennel Clubs in England und um diese entstanden die uns heute bekannten 3 großen Hundeausstellungen Crufts, Westminster Kennel Club Dog Show und Welthundeausstellung.

Die Hundeausstellung als mediale Grossveranstaltung – kritisiert und zelebriert zugleich
Gerade solche Veranstaltungen sind es jedoch, die uns verantwortungsvollen Vereinsmitgliedern, die sich für seriöse Zucht engagieren, den Wind aus den Segeln nehmen. Wie soll man einem Welpeninteressenten oder einem Rassehundkritiker erklären, dass seriöse Zucht etwas Wertvolles sein kann, wenn nahezu jedes Jahr potenziell tierschutzrelevante Hunde auf dem Siegertreppchen dieser Shows landen und auch rassetypische Eigenschaften im Zuge der Showzucht immer mehr verloren gehen? Schauen wir uns also das System und seine zwei großen Schwachstellen innerhalb des Ausstellungswesens ein klein wenig näher an. Im Ausstellungsring wird, wie bereits erwähnt, nicht der schönste Hund prämiert, sondern derjenige, der dem sogenannten Rassestandard am nächsten kommt. Das ist entscheidend für ein tieferes Verständnis aller Zusammenhänge in der Hundezucht, denn mit ihm steht und fällt das äußere Erscheinungsbild eines Hundes – und somit auch die extremen Merkmale.

Der Rassestandard
Jede Rasse hat ihr Ursprungsland. Der Dalmatiner zum Beispiel stammt aus Kroatien, der Neufundländer aus Kanada, der Basenji aus Zentralafrika, der Hovawart aus Deutschland etc. Die internationale Liste der unter der FCI gelisteten Rassen ist lang und umfasst aktuell 360 Hunderassen (Stand September 2018), für die alle ein Rassestandard hinterlegt ist. Der Rassestandard ist eine Art Idealbild in schriftlicher Form. Er befasst sich sowohl mit dem äußeren Erscheinungsbild einer Rasse (Exterieur), als auch mit dem Charakter, dem Wesen und den rassetypischen Eigenschaften, die ein typvoller Vertreter seiner Rasse mitbringen sollte. Gehört die Rasse zu einer Arbeitsrasse, ist dort auch eine nötige Arbeitsprüfung erwähnt. Ebenfalls sind Fehler genannt, die aus diversen Gründen nicht vorkommen sollten und die in der Regel eine schlechte Bewertung des Hundes zur Folge haben und ein Zuchteinsatz somit meist sehr unwahrscheinlich wird.

Die Auslegung des Rassestandards
Innerhalb einer Rasse kann es verschiedene Linien geben, die teilweise auch in ihrer Funktion (z.B. Arbeitslinie/Showlinie) weit auseinander gehen. Klassisch für die verschiedenen Linien innerhalb einer Zucht sind hier als visuelle Beispiele der Deutsche Schäferhund, auch Setter, Collies und viele der Retriever Rassen zu nennen. So kann es mitunter vorkommen, dass der Idealtyp einer Rasse unterschiedliche Erscheinungsbilder aufweist, sprich, sich optisch stark von anderen Rassevertretern unterscheidet, obwohl die Rasse an sich dem Rassestandard unterworfen ist. Teils unterscheiden sich die Vertreter einer Rasse auch sehr stark von Land zu Land, was gerade auf Amerika und England zutrifft, mit deren reiner Showzucht ohne Arbeitsnachweise der betreffenden Rassen. Es existiert also trotz schriftlicher Normen eine ungenaue Definition für einzelne Merkmale.

Genehmigung Rassestandard
Unter seriösen Dachverbänden wird auf Hundeausstellungen nach einheitlichen Vorgaben für alle gerichtet. Der Rassestandard wird von Mitgliedsvereinen der FCI eingereicht, und zwar vom jeweiligen Gründerverein der betreffenden Hunderasse. Änderungen im Rassestandard können nur über Mehrheitsbeschluss über den betreffenden Verein (= Ursprungsverein, der den Rassestandard eingereicht hat) erwirkt werden.

Verständnisbeispiel:
Der Rassestandard des Deutschen Schäferhundes wurde vom Verein für Deutsche Schäferhunde (SV) e.V. über den VDH eingereicht und am 30. August 1976 nach diversen Änderungsvorschlägen, Überarbeitungen und Ergänzungen (seit der Urfassung vom 20. September 1899) katalogisiert und genehmigt. Bei der FCI ist jede Rasse mit Rassestandardnummer und letzter Änderung, nebst Ursprungsland in folgender Schreibweise hinterlegt: FCI-Standard-Nr. 166/23.03.2010/D
Die Beschreibung von Augen, Kopf, Gebiss, wichtigen Größenverhältnissen, Winkelungen, Farbe, Brusttiefe und allem anderen, was das Äußere betrifft, wird im Rassestandard festgehalten und zwar für jede einzelne Rasse so detailliert wie möglich bzw. meist auch nur so grob wie nötig. Dieses Vorgehen soll ein weltweit einheitliches Erscheinungsbild einer Rasse ermöglichen und auch das Wesen und den Charakter gut einschätzbar machen. Dieses verschriftlichte Bild wird von einem Richter auf einer Hundeausstellung überprüft bzw. interpretiert. Er interpretiert (!) den jeweiligen Rassestandard. Um u.a. einen möglichst großen genetischen Pool über die Zeit aufrecht zu erhalten, sind die Formulierungen innerhalb des Rassestandards jedoch sehr weit gefasst. Bei der Beurteilung im Ring ergibt sich für den Richter also ein recht großer Auslegungsspielraum, in dem er oder sie entscheiden kann.

Wie eine Hundeausstellung Extreme in der Zucht fördert
Ein Richter/eine Richterin sucht auf einer Hundeausstellung, wie bereits mehrfach erwähnt, niemals nach dem schönsten Hund, sondern er oder sie betrachtet jeden Hund nach den Angaben, die im jeweiligen Rassestandard hinterlegt sind. Anschließend wählt er oder sie denjenigen Vertreter, der dem Idealbild des Rassestandards am nächsten kommt. Die Hunde treten also nicht gegeneinander an, sondern der Richter setzt den Vergleich zum Standard bei jedem einzelnen Hund im Ring neu. Mehrere Hunde im Ring vereinfachen jedoch die Entscheidung, da z.B. Rückenlinien, Hinterhandwinkelungen, Farbtiefe etc. direkt verglichen werden können. Hundeausstellungen unter seriösen Ausstellungsordnungen erfüllen aufgrund dieses Qualitätsanspruches einen sehr hohen Wert. Sollte man sie dennoch abschaffen?

Die andere Seite der Medaille
Auch wenn die Münze im Laufe der Jahre insgesamt stark an Glanz verloren hat, treffen sich auf eben diesen Ausstellungen der Dachverbände Züchter und Aussteller etlicher seriöser Vereine mit den höchsten Zuchtkriterien innerhalb der Zuchtordnungen (welche unabhängig vom Rassestandard existieren). Viele der gerade auf den Onlineportalen existierenden, selbsternannten Zuchtvereine haben weder gesundheitliche, noch andere Voraussetzungen innerhalb der Zucht. Außerhalb der großen Dachverbände ist es leider in vielen undurchsichtigen Vereinen möglich, mit einem silbernen Labrador Weltsieger in Hintertupfing zu werden, obwohl der Großvater ein Weimaraner war und seine Mutter eine ungewollte Schärfe an viele der Wurfgeschwister weitervererbt hat. Das ist in der reinrassigen Zucht mit eindeutigem Abstammungsnachweis und qualitativer Zuchtordnung nicht möglich.

Die Organisatoren und Vereine unabhängig von den überwachenden Zuchtverbänden geben Qualitätsstandards vor, die außerhalb in den seltensten Fällen erfüllt oder auch nur ansatzweise durch Vorgaben reglementiert und überprüft werden. All diese Zusammenhänge kennt man leider nur, wenn man sich in den jeweiligen Vereinen und Dachverbänden informiert oder sich darin bewegt und sich vor allem die jeweilige Zuchtordnung ganz genau anschaut, unter der gezüchtet wird. Auch wenn durch den Richter Fehler in der Auslegung des Rassestandards passieren können, sind Ausstellungen bis heute durch den direkten Vergleich auch die größte Chance für eine Rasse, sich wieder in eine moderatere Richtung zu bewegen. So positiv dieser Punkt auch hervorsticht, so hat er doch eine zweite Negativseite – den Richter.

Irren ist menschlich
Ein Tabuthema – das Anzweifeln richterlicher Fehlentscheidungen. Dabei gibt es sie wie Sand am Meer und sie haben uns u.a. in die missliche Lage gebracht, der man sich heute oftmals gegenüber sieht, wenn man seriöse Rassehundezucht verteidigen möchte. Aber handelt man nicht selbst höchst subjektiv in dem Moment des Anzweifelns?

Fragliche Richterentscheidungen
Richter und Richterinnen sind auch nur Menschen, das ist nun mal so. Ob bewusst oder unbewusst – es passieren Fehler. Folgende Punkte können selbst bei einem sehr erfahrenen Richter bzw. einer erfahrenen Richterin eine Rolle spielen:
• persönliche Präferenzen (subjektives Empfinden)
• schlechte Interpretation der Beschreibung im Rassestandard (Deutungsfehler)
• soziale Sympathien/Freundschaften/Gefälligkeiten/Vereinspolitik (strategische Erwägungen bedingt durch das Umfeld)
• charakterliche Defizite/unzureichendes Durchsetzungsvermögen/fehlende Klarheit (menschliche Schwächen)
• usw.
Alles, was der Mensch an Schwächen mitbringt, prägt die richterliche Entscheidung. Ein Mensch ist niemals völlig objektiv.

Zuchtrichter/Zuchtrichterinnen von seriösen Vereinen durchlaufen eine lange und wirklich durchdachte Ausbildung, dennoch kann es zu schwerwiegenden Fehlern in der Auslegung des Standards kommen, (der z.B. beim Basset leider eine zu weite Definition innerhalb der Verschriftlichung zulässt). Da nützen leider auch die Rundbriefe der Dachverbände nichts, die immer mal wieder den Weg in die Briefkästen der Entscheidungsträger finden, um dafür zu sensibilisieren.

Wie äussern sich diese Fehler in puncto Zucht?
Bleiben wir beim Rassebeispiel von oben, dem Schäferhund: Der Rassestandard beim Schäferhund lässt eine Kruppe bis 23% Neigung zu. Ein Richtwert, der lediglich das Maximum vorgibt, aber den Bereich vorher offen lässt. Der bewertende Richter/die bewertende Richterin hegt nun eine Vorliebe für eher steile Kruppen, findet die anderen Hunde in der Konkurrenz aufgrund eines anderen Merkmals schlechter im Idealtyp, oder es kommt ein anderer Grund zum Tragen. Er oder sie vergibt das Championat an einen Hund, der am oberen Extrem liegt, anstatt sich für eine moderatere Neigung der Kruppe unterhalb zu entscheiden. Die Bewertung an sich suggeriert erst mal, dass man es hier mit einem sehr typvollen Vertreter seiner Rasse zu tun hat.

Gewinnt ein Hund, der sich am Randextrem bewegt, öfter mit Höchstwertung, kann es passieren, dass er unter Umständen vermehrt in der Zucht eingesetzt wird und somit auch seine Anlagen in Bezug auf die Kruppe an die Nachkommen weitergibt. Das Beispiel der Kruppe beim Schäferhund lässt sich für alle anderen Rassen ebenso durchspielen und gilt für alle Punkte des betreffenden Rassestandards, der schriftlich bei der FCI katalogisiert ist und bei dem innerhalb der Formulierung ein Spielraum vorhanden ist.
Haarlänge (Bewegungsabläufe), Brusttiefe (potenzielle Neigung zur Magendrehung), Gewicht (Gelenkbelastungen) oder wie beim Basset die Hautfalten. Die Liste der möglichen Extreme ist ellenlang – alle Spielräume können zu Problemen für einen Hund führen, wenn sich ein Extrem durchsetzt.

Die richterliche Bewertung als Extrem
Passieren Entscheidungen wie aus unseren Beispielen öfter zugunsten eines Randextrems, werden Trends gefördert. Nicht nur auf den großen Ausstellungen (Internationale Hundeausstellung), auch auf den kleinen Vereinsausstellungen (Nationale Hundeausstellung). Der Idealtyp einer Rasse verschiebt sich, was zur sog. Übertypisierung führt. Der Richter/die Richterin ist ins Extrem verfallen. Potenziell tierschutzrelevante Ausprägungen (Qualzuchtausprägungen) können so über die Länge der Zeit gefördert werden. Der Spielraum im geltenden Rassestandard (Vereinszuständigkeit), nebst der richterlichen Entscheidung (Richter) hat Folgen, teils fatale, und der Dachverband hat hier keine Befugnis, weil die Zuständigkeit nicht greift.

Fazit aus den zwei Schwachstellen des Ausstellungswesens
Auch wenn Ringrichter jahrelange Erfahrung haben, Rassestandards studieren und unzählige Stunden damit verbringen, die Feinheiten zu verinnerlichen: es passieren Fehler bei der Auslegung, das ist menschlich. Ein Zuchtrichter/eine Zuchtrichterin hat durch die Bewertung im Ring direkten Einfluss darauf, in welche Richtung sich ein Idealtyp einer Hunderasse bewegt und sollte den Rassestandard deswegen nicht am Extrem ausrichten, sondern auf Ausgewogenheit achten. Die Auslegung des Rassestandards ist ein machtvolles Instrument, das jedoch in gewissem Maße der Subjektivität unterworfen ist. Passieren Fehler, wirkt sich das unter Umständen direkt auf die Gesundheit und die Funktionalität der Hunde in den nachkommenden Generationen aus.

Kritik an der Hundeausstellung
Das Bild und der Anspruch, den wir seriöse Züchter bzw. Deckrüdenbesitzer oft und gerne mit unseren Rassehunden vertreten, muss wieder mehr Anerkennung erhalten, dafür steht dieser Artikel. Es kann nicht sein, dass ich meinen Hund einem System zur Verfügung stelle und qualitativ als das durchdachteste und beste anpreise, in dem jedes Jahr auf den Hundeausstellungen dieser Welt Hunde gewinnen, die kaum atmen, laufen oder sehen können. Selbst beim Welpenkäufer ist mittlerweile eine tiefe Unsicherheit spürbar und das pauschale Bashing der Hundedachverbände, das von vielen Außenstehenden geführt wird, bewirkt nicht selten das Gegenteil von verantwortungsvoller Zucht. Nämlich den Gang zum Hinterhofzüchter oder zu scheinbar seriös wirkenden Onlineanzeigen, die gesundheitliche Defizite hinter schön formulierten Anzeigen verbergen.

Die Englische Bulldogge mit ihrer übertypisierten Kurzköpfigkeit dürfte das prägnanteste Beispiel sein, das aufgrund einer extremen Auslegung des Rassestandards entstanden ist und nun zu noch bedenklicheren Exemplaren mit gesundheitlichen Defiziten führt, denn in Deutschland wird vom VDH kein Verein dieser Rasse mehr unterstützt und die Nachfrage muss anders gedeckt werden. Mittlerweile unterliegen Bulldoggen aufgrund des Fehlens eines akzeptierten Vereines der Zuständigkeit des VDH direkt und im Jahr 2017 kamen gerade einmal 9 Welpen auf die Welt, während die unseriöse Zucht abseits weiter boomt. Laut Tasso, dem größten Heimtierregister Deutschlands, rangiert die Bulldogge in einigen Bundesländern noch immer unter den Top 10 der registrierten Hunderassen. Wo all diese Tausende Welpen wohl herkommen? Trotz des illegalen Welpenhandels und anderer Zuchtbestrebungen außerhalb stehen auch auf den oben genannten Hundeausstellungen übertypisierte und das Idealbild verzerrende Hunde auf dem Treppchen, da helfen leider auch die qualitativ strengen Zuchtregularien nicht – und das schmerzt. Gerade unter dem AKC und dem KC zeigen sich meiner Meinung nach häufig fragliche Richterentscheidungen.

Es wird also Zeit, nicht länger wegzuschauen im Ehrenring. Aufgrund der unkonkreten Formulierung im TSchG (und selbst im sog. Qualzuchtparagraphen) kann keine Intervention gegen die einzelnen Zuchtvereine erfolgen, die den Rassestandard nicht konkretisieren möchten zur Verminderung von Fehlern in der Auslegung. Findet dort über Mehrheitsbeschluss keine Änderung statt, bewertet ein Richter weiter innerhalb der breiten Auslegung, bzw. kann zugunsten eines fraglichen Randextrems einen Champion aufs Treppchen stellen – und genau DAS sollten wir beanstanden auf der nächsten Ausstellung. Denn es ist unser Ruf, der Ruf der seriösen Hundezucht, der verloren geht. Extremshowzucht sollte gerade von uns auf das Schärfste verurteilt werden. Wir Aussteller, wir Züchter, wir Rasseliebhaber haben es mit in der Hand, hier den nötigen Wandel herbei zu führen, denn wie sagte ein großer Mann einmal? Wer deutliche Kritik äußert, ist kein Nestbeschmutzer – im Gegenteil: Gerade wer Hundeausstellungen schätzt und verantwortungsvoll gezüchtete Rassehunde liebt, hat die Aufgabe, auf Probleme hinzuweisen, um die Hundeausstellung in ihrem eigentlichen Sinne wiederherzustellen.

Da die Funktion, also das Einsatzgebiet heutzutage bei vielen Rassen nicht mehr existent ist, wäre es nicht mehr zeitgemäß, »form follows function« zu fordern, aber das äußere Erscheinungsbild sollte definitiv nicht an erster Stelle stehen. Es geht um vieles auf Ausstellungen, aber um den schönsten Hund sicherlich nicht.

Pdf zu diesem Artikel: hundeausstellung

 

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