Hundeausbildung mit Zwang und Stachelhalsband – aber ohne Publikum!

Von Gerald Pötz

Am 9. Oktober 1999 fand in Wien ein Seminar der ÖHU (Österreichische Hundesport Union) für Fährte, Unterordnung und Schutz unter der Leitung von Leistungsrichter Obmann Christian Fritz und seinem Stellvertreter Karl Baronyai statt. Zufällig fallen mir die „Lehrunterlagen“ zu diesem Seminar in die Hände und – an ständiger Weiterbildung interessiert – beginne ich zu lesen. Was ich dann aber lese, läßt meine Nackenhaare sträuben, so unglaublich und skandalös ist der Inhalt dieser Lehrunterlage.

Leinenführigkeit
„Wer Hunde lehren will, muss sie verstehen, muss selbst erst in die Schule gehen.“ Fürwahr, ein kluger Satz, denke ich mir und lese weiter. Seite 1 Unterordnung – Leinenführigkeit. „Dem Freiheitstrieb des Hundes muss mit Zwang entgegengesetzt werden …“ oder „… prellt der Hund vor, so ist dies sofort mit einem Ruck an der Leine mit gleichzeitigem Hörzeichen Fuß zu korrigieren …“ Einstellungssache, denke ich mir und lese weiter. „Nachdem der Hund seine anfängliche Ängstlichkeit abgelegt hat, setzt härterer Zwang ein.“ Nun wird’s spannend. Ich lese wieder weiter und lerne folgendes dazu: „Der Hund soll nun erfahren, das Verlassen des Platzes an der linken Seite seines Führers ist weit unangenehmer, als das Verweilen dortselbst“ oder „… nur ein kräftiger Ruck mit der Leine bringt den Erfolg.“

Das Ablegen
Weiter in der „Lehrunterlage“ zum Ablegen. Jetzt bekomme ich Mitleid mit den unter „fachlicher Anleitung“ gequälten Kreaturen. „Bei dieser Übung wird sofort Zwang angewendet, dies kann den Hund anfänglich etwas einschüchtern“, folglich heißt es „niederdrücken mit der Hand“. Zum Abschluß der Übung lerne ich noch „Es ist besser, bei vorgeschrittener Abrichtung den Zwang nicht aufzuheben, so lange der Hund abgelegt ist.“

Auf die Zehen treten
Zum Absitzen: „Da es öfter vorkommt, daß der Hund sich dabei hinlegt, ist dem entgegenzuwirken, entweder durch Hochziehen an der Leine. Oder man tritt den liegenden Hund ein wenig auf die Zehen, mit der Einwirkung Sitz.“ Ich bin sprachlos.

Flucht vor Zwang vereiteln?
Wir fahren mit dem selben Schema bei der Steh-Übung fort: „Dabei ist der Hund genauso wie bei allen anderen Übungen an der Leine zu halten, um dessen Fluchtversuch vor dem unerwünschten Zwang entgegen zu wirken.“

Zwangsanwendung
Vom Meutetrieb über den Jagdtrieb bis zum Katzenjagen werden alle Gründe für das Herkommen oder Nichtherkommen aufgezählt. Doch mitten im Absatz geht´s wieder los: „Überall dort, wo der Hund das vom Hundeführer Verlangte nicht freiwillig ausübt, muss dieses mit Zwangsanwendung erlernt werden.“

Schmerz ist unentbehrlich?
Um Ihnen, lieber Leser, die sich rasant aufsteigende Übelkeit zu ersparen, zitiere ich das Thema Bringen nur kurz: „Setzt das Spielbringen keinen Erfolg, muss Starkzwang angewendet werden.“ usw. usw. „… wobei Schmerz unentbehrlich ist.“ Ich nenne dies Anleitung zur Tierquälerei: „Der Hund hat ein Stachelhalsband um, das möglichst nahe der Schulter liegt.“

Ohne Publikum
Schließlich heißt es am Ende der Anleitung zum Zwangsbringen: „Dieses Zwangsbringen sollte nur von erfahrenen Hundeführern und ohne Publikum ausgeübt werden.“

Voran: dem Zwang entrinnen
Die Übung Voranschicken ist nach der Vorstellung der ÖHU-Hundelehrer besonders einfach, denn „den meisten Hunden bereitet es Freude, dem Zwang an der Seite des Hundeführers mit Galoppsprüngen zu entrinnen.“ Wie recht diese Hunde-Profis haben – hoffentlich galoppieren die vorangeschickten Hunde auf Nimmerwiedersehen davon und landen bei einem Eckhard Lind oder Heinz Weidt, wo sie mit Futter- und Spielmotivation wieder aufgebaut werden.
Das „spezielle Grundwissen“ zur Fährten- und Schutzarbeit habe ich überflogen, um meinen Zorn in Grenzen zu halten. Somit möchte ich auch Ihnen diese Anleitung zur Tierquälerei ersparen. Nicht ersparen kann ich Ihnen aber die Schlußworte des Herrn ÖHU-Vizepräsidenten Karl Baronyai: „Diese Unterlagen zum Seminar sind zum Teil aus Erfahrung, zum Teil aus Fachbüchern zusammengestellt, in der Hoffnung, daß dieser Beitrag für unsere Abrichter eine kleine Hilfe für ihre aufopfernde Aufgabe ist, wünsche ich allen viel Geduld und Freude bei der Arbeit mit unserem Freund, dem Hund.“ Aus diesen Schlußworten des ÖHU-Vizepräsidenten geht auch die Zielgruppe dieser Seminarunterlagen hervor, nämlich „Abrichter“ der ÖHU. Ich kann aber nicht glauben, daß wirklich jeder Hundeausbildner der ÖHU dieser Meinung ist – und die ÖHU-Hundesportler schon gar nicht, oder?

Entsorgung
Wenn man diese Einstellung nämlich konsequent weiterdenkt, dann nehme man nach dieser Abrichte-Prozedur seinen gebrochenen und verstörten Hund, versuche es mit noch mehr Zwang, mit Elektrohalsbändern oder Dunkelhaft vor der Prüfung. Wenn das alles nicht hilft, entsorge man das „Hascherl“ unauffällig im Tierheim (Hundehaarallergie, etc.) und beginne mit einem neuen Opfer wieder von vorne. Sie glauben, so etwas gibt es nicht? Dann fragen Sie sich einmal, warum manche Hundesportler, die solchen Methoden frönen, innerhalb kürzester Zeit zehn Hunde „verbrauchen“ und wo denn die neun vorherigen sind …

Positiv bestärken
Ist das ein Modewort oder das Allheilmittel? Wie ist das mit Ihnen? Arbeiten Sie lieber, wenn Sie jemand dazu zwingt, oder wenn Sie dafür etwas Angenehmes bekommen (Geld, Zuneigung, etc.)? Dem Hund kann man Zwang auferlegen, da er sich meist nicht wehren kann. Aber wem kann es Spaß machen, anderen Lebewesen Schmerz oder Zwang zuzufügen? Wenn man schon großartig schreibt „mit unserem Freund, dem Hund“, dann sollte man seinen Hund auch wie seinen Freund behandeln! Hunde sind Sozialpartner des Menschen. Sie finden verschüttete Opfer, therapieren behinderte Kinder, führen Blinde durchs Leben und sind manchmal auch Kind-Ersatz. Ich hoffe nur, die „ewiggestrigen“ Hundesportler sterben bald aus und die neuen Methoden der Hundeausbildung (nicht Abrichtung!) setzen sich bald endgültig durch, auch in den Lehrbehelfen der ÖHU. Stressfrei ohne Angst und Zwang lernt der Hund schneller und freudiger und Hundeausbildung wird für beide Teile zum nützlichen Spaß und nicht zur Tortur.

>>> WUFF – INFORMATION

WUFF-Buchtipps

Buchtipps zur artgerechten Hundeausbildung:
Positiv bestärken (Karen Pryor), Kosmos Verlag
Hundeerziehung 2000 (Dr. Roger Mugford), Kynos Verlag
Das Wesen des Hundes (H. Weidt/D. Berlowitz), Naturbuch Verlag
Kosmos Erziehungsprogramm f. Hunde (N. Hoefs/P. Führmann), Kosmos Verlag
Hunde auf der Couch (Dr. Roger Mugford), Kynos Verlag

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