Hunde als Partner von Macht und Größe – und des Lebens –

Von Dr. Dietmar Stutzer

Der Antwerpener Maler Jan Brueghel der ­Ältere wird oft auch der Blumenbrueghel genannt, doch man könnte ihn auch den ­„Hundebrueghel" nennen, so viele Hunde hat er in seinen großen ­Gemälden aus der antiken Mythologie und in seinen ­Gemälden herrschaft­licher Jagden und in ­seinen ­Tierstudien gemalt.

Der Mensch des Mittelalters und der frühen Neuzeit hat sich mit einem leidenschaftlichen Interesse, das uns Heutigen völlig unverständlich ist, mit den Zyklen von Entstehen und Vergehen, mit dem Tod, dem körper­lichen Zerfall und der Verwesung, auch in ihren ver­störendsten Formen, beschäftigt und sie illustrieren lassen, und dies immer nur aus der Sicht der Vergänglichkeit. So hängen über der mittelalterlichen Welt vor allem Licht und Trauer der Vergänglichkeit. Dahinter steht aber, so erstaunlich es wirken mag, eine konstruktive, sogar ­optimistische Lebenssicht, die sich schließlich auch auf das Tier übertragen hat, am meisten auf Hunde und Pferde.

„Die Wahrheit ist ganz einfach die, dass der Mensch nie eine so leidenschaftliche Liebe zum Leben gefühlt hat, wie dies im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit der Fall war, und dass die Überlieferung jener Jahrhunderte eine nie ausgesungene Klage über den Verlust des Irdischen enthält, Verzweiflung und einen Abgrund an Trauer darüber, was alles man lassen müsse: Die Jagd, die Pferde, die ­Hunde, die Waffen, den Weinberg, bald auch große Gemälde, bisweilen auch Frau, Sohn und Tochter, fast immer die Enkel, und ein unaufhörliches ­‚Memento mori – Bedenke, dass Du sterben wirst‘ mit der Gewalt einer Fuge das Leben durchhallt hat und deshalb die Kunst geschaffen wurde, um dem Tode zu widerstehen."

Diese Worte stammen von dem französischen Kultur- und Mentalitätshistoriker Philippe Ariès (1911-1981). Über den französischen Staatslenker und Kardinal Jules Mazarin (1602-1661) haben seine Diener berichtet, dass er in den Nächten seines langen Sterbens durch sein Palais gewandert sei und seine Möbel, seine Skulp­turen, immer als erste die seiner Hunde, ­seine Gemälde und sein ­Silber berührt und dazu gemurmelt habe: „Dies alles muss ich verlassen!". Er hat ­mindestens für die damals ­Großen und ­Reichen in ganz Europa ­gesprochen.

Hunde und Pferde in der Kunst
Die Kunst ist entstanden, weil der spätmittelalterliche Mensch dem Tode und dem Vergehen widerstehen und weil er sich ein Reich schaffen wollte, in dem er der Schöpfer ist und über Zeit und Raum gebietet. Zu ­diesen Mitgebietern sollten auch seine Hunde und Pferde gehören.

Sieht man die Renaissance und ihre Kunst auch als Lebens- und Wertzeugnisse des Lebens von Hunden und Pferden, dann zeigt sich ein einzigartiger Aufstieg beider Tierarten, am meisten der Hunde, zu großen Gestalten des inneren und äußeren Lebens langer Generationen bis ­heute. Seit der Renaissance dokumentiert die Kunst die Entwicklung des ­Hundes zum Lebenspartner, oft des einzigen,den es überhaupt gegeben hat.

Die europäische Kunstgeschichte ist mit Hundebildern reich versehen, vor allem seit mit der Renaissance die Malerei immer mehr zum Mittel persönlicher Selbstdarstellung und der Demonstration von Macht, Geltung (dann auch von Geld) und individueller Schönheit wurde. Vornehme Windspiele oder mächtige Wolfs- und Jagdhunde waren als Dekoration und Demonstrationsmittel adeliger ­Exklusivität und vor allem ­fürstlicher Macht und militärischer Größe ebenso unentbehrlich wie vornehme – und teure Salon-und Schoßhunde zur Betonung weiblicher Schönheit und ihrer Kleiderpracht. Doch die meisten dieser Hunde, selbst wenn sie mit ­Kindern dargestellt werden, erscheinen zunächst nicht als lebendige ­Tierpersönlichkeiten, sondern als Dekorationen, die in Posen erstarrt sind und nur den Daseinszweck haben, die Größe der Dame oder des Herrn zu unterstreichen, denen sie dienen.

Der „Hundebrueghel"
Dann waren es die Maler selbst, die das geändert haben. Sie erkannten die Natur als den Ort und die Tiere, Blumen und Landschaften als Zeugen der großen Magien des Lebens und machten sie als Hieroglyphe der Schöpfung lesbar. Keiner der flämischen Maler hat so sehr von diesem uni­versalen Landschafts-, Pflanzen- und Tierverständnis umfassend profitiert, es aber auch gleichzeitig so mitgestaltet und weiterentwickelt wie Jan Brueghel der Ältere (1568-1625), eine zentrale Gestalt der Antwerpener Maler­familie Brueghel. Die Alte Pinakothek in ­München besitzt selbst 49 Gemälde von ihm und hatte dazu Leihgaben aus dem Prado, den Uffizien, dem British Museum, dem Louvre und anderen Museen und Sammlungen geholt, neben Bildern auch Zeichnungen und Druckgrafiken, die vom 22. März bis zum 16. Juni dieses Jahres in ­München gezeigt wurden. Dies in einer Vollständigkeit, die es so noch nicht gegeben hat.

Gezeigt wurden auch Werke, die Jan Brueghel d.Ä. in Zusammenarbeit mit Künstlerkollegen gemalt hat, etwa die berühmte „Madonna im Blumenkranz" mit Peter Paul Rubens und der „Jahreszeiten"-Zyklus mit Hendrik van Balen. Der Antwerpener Maler wird oft auch der Blumen­brueghel genannt, doch man könnte ihn auch den Hunde­brueghel nennen, so viele Hunde hat er in seinen großen Gemälden aus der antiken Mythologie und in seinen Gemälden herrschaftlicher Jagden und in seinen Tierstudien gemalt. Hinzu kommt, dass es kein Landschafts- und kein städtisches Markt- oder ländliches Arbeitsbild und vor allem kein Reisebild von ihm gibt, auf dem nicht mehrere Hunde auftreten. Viele sind das, was man füher einmal „Straßenköter" genannt hat, die vor allem für sich selbst sorgen und ein Auge auf alles haben, was für sie abfallen könnte. Doch die meisten sind größere Rassehunde, die für ­Herrschaften bestimmte Aufgaben erfüllen. Zu den Reisekutschen, besonders wenn Damen reisten, gehörten immer Warn-und Schutzhunde. Aber auch Einzelreisende zu Pferd waren von ihren Hunden begleitet. Die Brueghel-Bilder machen auch eine Aufgabe deutlich, für die Hunde überall gebraucht ­wurden: Den Schutz vor allem von Frauen, Kindern und Gebrechlichen vor den damals freilaufenden Hausschweinen. (Stallfütterung von Mastschweinen hat die Agrargeschichte nicht gekannt) Die domestizierten Schweine waren meist auf freier ­Futtersuche unterwegs, im Herbst zur Suche nach der „Eichelmast" im Wald. Doch in bebauten Siedlungen wären sie ohne Hunde als „Ordnungsmächte" nicht duldbar gewesen.

Aus seinen Bildern erschließt sich auch, dass eine Terrierrasse, die heute „Westhighland White Terrier" (Westie) genannt wird, damals eine ver­breitete Kleinhunderasse gewesen sein muss. Er lässt ihre pfiffigen Gesichter bevorzugt aus halboffenen Türen oder Stallluken schauen.

Brueghel und Rubens
Jan Brueghel d.Ä hat einige seiner bedeutendsten Werke in Gemeinschaft mit dem sonst so ganz anders malenden Rubens geschaffen. Der „Aufbruch Dianas zur Jagd" ist eines davon, von einer Heerschar stämmiger großer Hunde umgeben, die große Körperkraft, aber auch große Gefühlskraft mitteilen können. Die Waldnymphe, die ihrem Lieblingshund das Halsband anlegt, zeigt dabei auch, was der Hund für sie bedeutet. Eine Untersuchung der ­Maltechniken von Brueghel und Rubens, die auch dieses Bild gemeinsam gemalt haben, macht deutlich, dass die Hunde und das Wild allein von Brueghel gestaltet wurden, die menschlichen Gestalten hingegen von Rubens. Die Hundegesichter und vor allem ihre Blicksprache ­zeigen, dass bei den Eliten ihrer Zeit die ­Hunde in ihrer Rolle als Lebenspartner schon lange angekommen waren. Auch die Nachfrage nach großen Jagd- und Hundebildern in dieser Zeit zeigt es. Brueghel und Rubens hatten ihre Werkstätten ­darauf passgenau eingestellt. Zugleich drückt sich in ihr auch das magische Lebens- und Überlebensverständnis der Antike aus. Wenn die Flucht der Jahre den einen Hund mitgenommen hatte, folgte ihm der nächste und war zugleich der vorherige, auch auf großen Ge­mälden. Beim Dialog mit seinem Hund ist es für den Menschen ähnlich wie mit der „Unvollendeten" von Franz ­Schubert: Sie ist unvollendet in sich selber, man meint, die Tonfolge gehe immer ­weiter, so wie der Dialog mit dem Hund, der sich mit jedem neuen Hund immer wieder neu verwirklicht.

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