Wenn der Hund das Auto meidet
Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe geht es um das Thema Hund im Auto.
Liebe Frau Adler!
wir sind Halter einer 5-monatigen Rhodesian Ridgeback/Labrador Retriever-Hündin aus einem „passierten“ Nachbarschaftswurf. Leider hat unsere Lubaya mit dem Autofahren sehr schlechte Erfahrungen gemacht, sodass sie nicht mehr in die Nähe unseres Autos geht. Sie sieht nur unser Auto und zieht die Rute mit stark gebogenem Rücken ein, hechelt und speichelt stark und hat unserer Meinung nach richtig Angst. Wir sind dadurch noch nicht oft mit ihr Auto gefahren – nur Tierarzt und Hundeschule. Leider hat sie sich bei jeder Autofahrt (egal ob sie im Kofferraum oder vorne mitfuhr) übergeben. Da wir eine sehr aktive Familie sind und gerne viel unternehmen würden, stellt uns dies vor ein großes Problem. Haben Sie vielleicht einen Rat?
Familie Roth
Antwort von Yvonne Adler:
Liebe Familie Roth,
anscheinend hat Ihre Hündin schlechte bzw. keine ausreichend guten Erfahrungen mit dem Auto gemacht, wenn sie das von Ihnen beschriebene Verhalten zeigt. Es ist verständlich, dass Sie als aktive Familie dadurch eine Einschränkung erfahren und dies ein großes Problem für Sie darstellt. Bitte seien Sie sich bewusst, dass ein „Hineinzwingen“ des Hundes ins Auto das Problem nur noch verschlimmern würde. Gerade das „geschmacksvermeidende Lernen“ ist bei Hunden sehr ausgeprägt. Wenn ein Hund etwas Schlechtes frisst und danach erbricht, entsteht eine nachhaltige Lernerfahrung, welche in der Natur sehr sinnvoll ist. Schließlich will er sein Überleben sichern und nicht mehrfach den gleichen Fehler machen. Aus diesem Grund und auch weil Ihr Hund sehr jung ist, haben sich vermutlich dieses Verhalten und die negativen Emotionen, die damit verknüpft sind, bei nur wenigen Wiederholungen im Auto nachhaltig etabliert.
Es sollte nun das Ziel sein, dass Sie Ihrer Lubaya das Auto wieder so richtig schmackhaft machen und mit positiven Emotionen verknüpfen. Hier müssen Sie wirklich Schritt für Schritt vorgehen und dürfen nichts übereilen. Zu Beginn ist es daher ein wichtiger Managementfaktor, dass Sie nicht mehr mit ihr Auto fahren und das Auto nur zu Trainingszwecken gebrauchen. Ein anderes Fahrzeug zu wählen, kann dabei durchaus hilfreich sein.
Der erste Schritt ist, dass die Mahlzeiten von Lubaya in der Nähe des Autos erfolgen und zwar in einem Abstand, bei dem sie noch keine starken Stress-Symptome zeigt. Wenn Sie also Lubaya zwei- bis dreimal am Tag füttern, bieten sich so schon Trainingsmöglichkeiten. Sie können auch Ihre normalen Übungen aus der Hundeschule, wie Sitz, Platz etc., in der Nähe des Autos durchführen. Das Ziel soll dabei sein, dass Sie sich mit dem Trainingserfolg immer mehr ans Auto annähern.
Sind Sie nach einer entsprechenden Trainingsdauer beim Auto angelangt, erfolgt das Training weiter im Inneren des Wagens. Unbedingt auch hier langsam vorgehen! Sie halten die Futterschüssel am Kofferraumrand (wenn Sie das Fahren im Kofferraum wieder antrainieren möchten). Alles, was sich Ihr Hund aus freien Stücken selbst zutraut, loben Sie ausgiebig, auch mit Ihrer Stimme. Vermeiden Sie aber negative Emotionen, wie ein „na geh“ oder Ähnliches, sollte Lubaya vielleicht zurückweichen. Ihr Hund bekommt diese Stimmungsübertragung mit und der Erwartungsdruck kann dann bei ihm noch größer werden.
Frisst Lubaya schon beim Kofferraumrand, dann können Sie die Schüssel immer weiter in den Innenraum hinein verfrachten.
So geht’s danach Schritt für Schritt weiter:
• Kofferraum in kleinen Etappen schließen – diese räumliche Einengung kann für Ihren Hund noch eine Herausforderung bedeuten.
• Im Auto sitzen, ohne dass Sie starten – beispielsweise ein Buch lesen und der Hund geht einfach nur mit Ihnen ins Auto.
• Motor starten, ohne dass Sie fahren.
• Nur kurz mit dem Auto rollen.
Seien Sie sich aber bitte bewusst, dass die Dauer, die Lubaya im Auto bleibt, genauso trainiert werden sollte wie die Annäherung und das Auto-Training selbst. Also geben Sie sich und Ihrer Hündin ausreichend Zeit, da nachhaltige Erlebnisse zum Festigen des neutrainierten Verhaltens zumeist genau so viel Zeit (Monate) benötigen wie das Training selbst.
Während des gesamten Trainings sollte Lubaya immer bereits das Autofahrgeschirr tragen und auch angeleint sein. Denn später wird es im Auto auch so sein und dies ist dann gleich mit antrainiert.
Bitte sprechen Sie auch mit Ihrem Tierarzt, da es zusätzlich helfen kann, wenn Sie bei den ersten wirklichen Autofahrten ein „Übelkeitsmedikament“ verabreichen. Denn wenn sich das Erbrechen nach der langen Trainingsdauer direkt wiederholt, können die schlechten Erfahrungen möglicherweise sofort wieder in Erinnerung gerufen werden und es kann einen massiven Rückschritt geben.
Ich wünsche Ihnen eine baldige angenehme Autofahrt mit Ihrem Hund.
Herzlichst,
Ihre Yvonne Adler
Pdf zu diesem Artikel: ratgeber_autotraining