Außerordentlich hohe Intelligenz, ausgeprägte Motivation zur Zusammenarbeit mit dem Menschen/Schäfer und durchdachtes Handeln sind typische Eigenschaften der Hütehundeschläge. Sie gelten als leichtführig, als „Kinderkumpel“ und unkomplizierte Familienhunde. Dabei werden häufig Rasse spezifische Eigenheiten übersehen, die Hütehunde zu etwas ganz Besonderem machen. Je nach Hüteanlagen, können diese kleinen „Eigenheiten“ von ausdauerndem Bellen bis hin zum „Fersenzwicken“ reichen. Schauen wir uns die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Hütehunde an.
Unterschiedliche Hüteeigenschaften
Eine große Rolle bei der Selektion von Hütehunden auf Arbeitsweise, Arbeitsleistung und Herangehensweise an ihre Aufgabe spielte das Vieh, an dem die Hunde eingesetzt werden. Schafe und Kühe auf den Shetlandinseln z.B. sind wesentlich kleiner, daher werden kleinere, zurückhaltendere Hunde verwendet. Im Gegensatz zu Hunden, die bei schweren Rinderrassen schon auch mal „herzhaft zuzwicken“ dürfen. So ein Koloss von bis zu 1 Tonne Gewicht muss vom Hund schon mal „überzeugt“ werden, eine bestimmte Richtung einzuschlagen.
Im Laufe der Zuchtauslese verlagerten sich Verhaltensweisen, so dass aus einem Zwicken ein klapperndes Schnappen wurde, welches vor allem Langhaar Collies gerne zeigen. Bei Shelties ist ausdauerndes Bellen charakteristisch, sie setzen also vorrangig Stimme statt Zähne ein, was die Zwerg-Nutztiere der Shetlands vor Verletzungen bewahrt. Cattle Dog und Australian Shepherd haben sich das vehemente „in“ das Vieh Gehen bewahrt und der Kelpie unternimmt regelrechte Klettertouren über die Rücken der Schafe.
Collie, Sheltie und Co. – eher laut als leise
Die Gruppe der Britischen Hütehunde zeigt die variabelsten Charakterzüge, wobei diese behutsamer, in der Regel ohne körperlichen Einsatz, an das Vieh heran gehen. Die „Briten“ werden vorwiegend an Schafen, der Sheltie auch an den zwergwüchsigen Shetland Cattles, eingesetzt. Das typische „Anstarren“ der Schafe ist beim Border Collie einmalig unter den Hütehunden, kein anderer Hund zeigt dieses Verhalten so ausgeprägt. Sie hüten in der Regel sehr leise, mit typischem Anschleichen. Der Border Collie arbeitet flach über dem Boden, sie warten in der Regel auf Anweisungen des Schäfers und halten sich häufig hinter der Herde auf.
Sheltie, Langhaar, Kurzhaar und Bearded Collie umkreisen die Herden ausdauernd. Die Kreise werden immer enger gezogen, bis die Herde „ordentlich“ steht. Collies setzen ein auffälliges „Zähneklappern“ ein und agieren wesentlich lauter als der Border Collie. Unterschätzt wird häufig, dass es sich um Schäferhunde handelt. Sie wurden teilweise für den Schutz der Herden verwendet, weshalb diese Hunde auch schon mal eigenständige Entscheidungen fällen und nicht immer auf Anweisungen des Schäfers warten.
Der Bobtail stellt unter den Briten eine Ausnahme dar. Er war nicht nur Hütehund, sondern wurde auch zum Schutz der Herden eingesetzt. Mit „viel Stimme“ und durch robusteren Körperbau kommen sie ganz gut mit größerem Vieh wie Rindern zurecht.
Kelpie und Cattledog – die „Eishockey-Spieler“ unter den Hütehunden
Kelpie und Cattledog gehören zu den Australischen Hütehunden, wobei der Cattle zusätzlich als Treibhund eingesetzt wird. Der Kelpie wird in zwei Linien gezüchtet, der Australian Kelpie, der auch als Sport- und Familienhund gehalten wird, und der Working Kelpie, für den es keinen Rassestandard gibt. Der Working Kelpie wird heute noch ausschließlich auf Arbeits- und Hüteleistung selektiert und gezüchtet. Er zeigt, ähnlich dem Border Collie, das „Anstarren“ und „Anschleichen“. Eine Besonderheit beim Working Kelpie ist der sogenannte „back run“.
Die Hunde laufen über die Rücken der Schafe an ihren Einsatzort, wenn sonst kein Durchkommen mehr ist. Working Kelpies sind sehr ursprünglich und man kann an ihnen sehr gut den Übergang vom selbständig handelnden Schäferhund (z.B. schottischer Collie) zum auf Anweisung wartenden Border Collie beobachten.
Der Australian Cattledog ist der „Eishockey-Spieler“ unter den Hütehunden. Er geht schon auch mal „zur Sache“. Diese Hunde werden hauptsächlich an Rindern eingesetzt und müssen sich durchsetzen können. Der „silent heeler“ (leiser Hüter) setzt im Vergleich zu den anderen Hütehunden mehr seinen Körper ein. Cattle Dogs mussten riesige Rinderherden über große Strecken bewegen, da ist Überzeugungskraft, Selbständigkeit und Mut oberstes Zuchtziel.
Die Altdeutschen Hütehunde – Gelb Backen und Deutsche Tiger
Es gibt sieben Basis-Varietäten, mit regionalen Abweichungen, der Altdeutschen Hütehunde. Sie sind das deutsche Pendant zum Border Collie, was leider häufig nicht beachtet wird. Alle Schläge werden heute noch auf Arbeitsleistung selektiert und gezüchtet. Die Rassen sind von der FCI nicht anerkannt, es gibt keinen offiziellen Rassestandard. Äußerliche Rassemerkmale stehen nicht im Vordergrund der Zucht. Diese Hunde können sehr eigenständig sein, mit großem Arbeitswillen, und sind zusätzlich mit ausgeprägtem Schutztrieb ausgestattet. Schäfer nennen es „druckvoller, sauberer Griff“, was nicht weniger heißt, als dass der Altdeutsche auch seine Zähne einsetzt, um das Vieh zu „überzeugen“. Als Familienhunde und/oder Alltagsbegleiter sind diese weniger oder nicht geeignet. Entscheidet man sich doch für einen dieser optisch sehr anziehenden Hunde, sollte man im Vorfeld ausführliche Informationen einholen.
Ausbildung – angeborenes Verhalten kontrollieren und verfeinern
Die Hüteanlage ist den Hunden angeboren. Schon wenige Wochen alte Welpen zeigen ganz spezifische Verhaltensweisen wie z.B. das Umkreisen oder Treibversuche. Während der Ausbildung geht es eher darum, die genetische Veranlagung zu verfeinern und in kontrollierbare Bahnen zu lenken als um Ausbildung im klassischen Sinne. Die „Hüte Eignung“ kann an in einem kleinen runden Gatter eingezäunten Schafen getestet werden. „Profi-Hütehunde“ werden in der Regel gleich an die Herde gelassen, wobei der Junghund nicht unerheblich vom Althund lernt.
Ausbildung mit Kommandowörtern
Die Hunde erlernen, je nach Anspruch, ca. 9 Grundkommandos (deutsch oder englisch). Am häufigsten verwendet werden: to me (komm her); lie down (Platz); get up (gerade laufen); right (rechts); left (links); steady (langsam); back (lauf zurück); out (komm raus aus der Herde); in (lauf rein in die Herde). Die Grundkommandos können sich je nach Verwendung und Einsatz der Hunde unterscheiden.
Ausbildung mit Pfeifsignalen
Bei Herden, die in den windigen Weiten der schottischen Highlands gehütet werden, kann der Schäfer den Hund über „Worte“ nicht mehr gut erreichen. Diese Distanzen überwindet er mit einer Pfeife, der „Sheepdog Whistle“ oder „Herding Pipe“. Die Wortkommandos werden durch unterschiedliche Pfeifsignale ersetzt.
Und nach der Arbeit?
Der Hütehund, auch wenn er als Familienhund gehalten wird, braucht keine 24-Stunden-Bespaßung. Werden die Hunde außerhalb der Hütesaison nicht gebraucht, sind diese sogar sehr faul. Es ist von Land zu Land und Schäfer zu Schäfer sehr unterschiedlich, wie alte Hütehunde gehalten werden. Kleine Schäfereien behalten oder vermitteln ihre „Senioren“ in der Regel, die dann im Privathaushalt ihre „Rente“ verbringen. In der konventionellen Viehhaltung, vor allem in der Massentierhaltung, die häufig in Australien vorkommt, werden alte Hütehunde in der Regel aussortiert.
Das Leid der Aussortierten
Dieses Thema ist leider noch immer ein Tabu. Tierschutz wird häufig auf südliche Länder fokussiert, das Leid der „nördlichen Hunde“ ist noch immer zu wenig bekannt. Eignet sich ein Hund nicht zum Hüten, zeigt er aggressives Verhalten gegenüber dem Vieh und anderen Hunden oder ist er zu alt, wird dieser gnadenlos aussortiert. Die romantische Schäferwelt zeigt hier ihr „kaltes“ Gesicht. Ungeeignete oder überzählige Welpen/Junghunde werden in Schuppen gesperrt – den Rest „erledigt“ die Zeit. Alte Hunde, die nicht mehr mithalten können, werden in den Schafställen „vergessen“ oder, so hart dies jetzt klingt, ereilt das gleiche Schicksal wie die aussortierten Renn-Hunde in Großbritannien. Vielleicht gibt es ja den ein oder anderen Schäfer in Österreich oder Deutschland, der sich einmal über die „geretteten“ informieren möchte. Der Verein „Irische Hunde in Not“ mit seinem Vorstand Gerald Klein steht Ihnen als kompetenter Partner gerne zur Verfügung.
Hütehund vs. Herdenhund
Natürlich gibt es noch viel mehr Hütehunderassen. In Spanien z.B. den Gos d‘Atura, in Frankreich den Berger Picard, in Ungarn Mudi und Pumi. Wir wollten Ihnen hier die geläufigsten vorstellen, die Vielfalt dieser Rassen würde sonst den Rahmen sprengen. Nicht verwechselt werden dürfen Hütehunde mit den Herdenhunden. Häufig werden diese in einen Topf geworfen, es sind jedoch völlig unterschiedliche Hunde. Die beeindruckenden Herdenschutzhunde stellen wir Ihnen im nächsten Berufsporträt vor.
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