Das Telefon läutet: „Sie sind meine letzte Hoffnung, Herr Doktor! Mein Hund kratzt sich seit Monaten wie verrückt und hat schon so viele Spritzen bekommen. Sie wirken immer einige Zeit, dann kommt dieser Juckreiz wieder. Ich will diese Injektionen aber nicht mehr, er trinkt dann immer so viel und hat ausgesprochenen Heißhunger. Können Sie uns helfen?“
Solche Anrufe bekomme ich täglich. Die Hilferufe beziehen sich auf alle bekannten Beschwerden, wie Durchfall und Erbrechen, Lahmheiten, sehr häufig Hautprobleme, Ohrenentzündungen, Nierenschwäche (besonders bei alten Hunden und Katzen), Husten (betrifft vor allem Pferde) und vieles mehr. Immer wieder treten auch Verhaltensauffälligkeiten auf, wie übermäßige Angst vor Geräuschen, allgemeine Schreckhaftigkeit, Eifersucht, Kummer nach Verlust von Artgenossen oder menschlichen Gefährten mit psychosomatischen Beschwerden in Form von Appetitlosigkeit, Teilnahmslosigkeit und sogar Verdauungsstörungen oder Juckreiz, besonders an den Pfoten. Auch hyperaktive Tiere werden mir immer wieder zur Behandlung gebracht, weil sie mit ihrer Unruhe und Hektik ihre Besitzer in den Wahnsinn treiben. Ständiges Winseln, Hecheln, Bellen, ständiges Hin- und Herlaufen in der Wohnung, dem Frauchen oder Herrchen stets auf den Fersen, auf der Straße, der Hundewiese oder dem Abrichteplatz keine Spur von Hören auf Zurufe, das zermürbt die besten Nerven.
Verstimmte Lebenskraft
Die Ursachen jeglicher Erkrankung sieht die Homöopathie in einer „verstimmten Lebenskraft“, wie Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, es bezeichnet. Das bedeutet, dass ein Lebewesen, sei es Mensch oder Tier, auf äußere Reize mit Krankheitssymptomen reagiert.
Ein Beispiel: ein Hund bekommt von einem wohlmeinenden Zweibeiner die berühmte Knackwurst, die ja bekanntlich sehr viel Fett und Gewürze enthält und kein geeignetes Futter darstellt. Stunden später hat er fürchterlichen Durchfall. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, warum diese Beschwerden aufgetreten sein können:
1. Ist der Hund sehr klein, z.B. ein Chihuahua mit zwei Kilogramm Körpergewicht, dann bedeutet das, dass er absolut zu viel Fett aufgenommen hat und es nicht verdauen kann. Homöopathie kann nun die Produktion der Verdauungssäfte anregen und weiterreichende negative Auswirkungen dieses Diätfehlers vermeiden helfen, wie etwa eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse.
2. Oder es handelt sich beispielsweise um einen Schäferhund, und er hat auch nur einen kleinen Bissen der Wurst bekommen. In diesem Fall ist eine Verdauungsschwäche für Fett anzunehmen, denn normalerweise müsste ein so großer Hund eine so kleine Menge einer Knackwurst mit allem Fett, Gewürzen etc. problemlos aushalten können. Diese Schwäche kann nun entweder angeboren oder erworben sein und stellt eine chronische Erkrankung dar, auch wenn die Beschwerden akut erscheinen.
Unterschiedliche Therapie
Im ersten Fall genügt also eine Behandlung der akuten Beschwerden. Im zweiten Beispiel jedoch werden solche Reaktionen immer wieder auftreten, wenn ich nur die akuten Erscheinungen dieser chronischen Krankheit behandle. Hier muss ich die Anfälligkeit, die Schwäche einzelner Organsysteme beseitigen, so gut es nur geht. Dazu braucht der Homöopath möglichst viele Informationen über den Patienten im Allgemeinen, nicht nur im Zusammenhang mit den aktuellen Beschwerden. So werde ich nach allen Erkrankungen fragen, die der Hund in seinem Leben je gehabt hat. Ich werde fragen, wie sein Appetit ist, ob er Vorlieben für oder Abneigungen gegen bestimmte Geschmacksrichtungen hat, insbesondere süß und salzig, ob er bestimmte Nahrungsmittel schlecht verträgt, wie eben Fett oder Milch, Eier, Kartoffel etc.. Ich muß herausfinden, ob er noch andere Schwächen hat, ob er z.B. eine empfindliche Haut hat oder zu rheumatischen Beschwerden neigt, ob diese Beschwerden durch bestimmte Witterungsverhältnisse positiv oder negativ beeinflusst werden. Treten Symptome vorzugsweise auf der rechten oder linken Körperseite auf, welchem Konstitutionstyp entspricht er, wie tolerant ist der Patient gegenüber Stress, wie reagiert er in verschiedenen Situationen (mit Angst, Aggression, Eifersucht), ist es ein ruhiges oder sehr lebhaftes Tier, bleibt es problemlos alleine zu Hause oder verwüstet es die Wohnung? Das war jetzt nur ein Auszug aus dem umfangreichen Fragenkatalog des homöopathisch arbeitenden Tierarztes. Je besser der Besitzer seinen Schützling (gleich, welcher Tierart er angehört) kennt und beobachtet, desto besser kann er diese Fragen beantworten und dem Arzt damit helfen, das richtige Arzneimittel zu finden. In den weiteren Beispielen (siehe Kästen) werden Patienten vorgestellt, denen die Homöopathie noch helfen konnte, obwohl die herkömmliche Medizin bereits aufgegeben hatte.
>>> FALLBEISPIEL
Prinz hatte Durchfall
Der 2-jährige Deutsch-Kurzhaarrüde „Prinz“ wurde mir wegen akuten Durchfalles vorgestellt. Die Beschwerden traten plötzlich auf und waren so heftig, dass er es kaum bis auf die Straße schaffte, wenn der Stuhldrang einsetzte. Der Kot spritzte wie Wasser mit Druck aus dem After und stank bestialisch. Es war das erste Mal, dass „Prinz“ krank war, und außer dieser Verdauungsstörung war auch jetzt alles in Ordnung. Er war am Tag davor während einer Wanderung einmal ins Gebüsch verschwunden und nach einiger Zeit – sich genüßlich die Lefzen schleckend – wieder aufgetaucht. Eine bakteriologische Kotuntersuchung hatte lediglich die Auswirkungen der akuten Krankheit gezeigt. Die einseitige Vermehrung von Bakterien kann nur erfolgen, wenn die „Lebenskraft“ geschwächt ist. Der Durchfall wird dann wohl von den Bakterien verursacht, die Beseitigung der Keime durch Antibiotika stoppt möglicherweise auch den Durchfall, ändert aber nichts an der geschwächten Abwehrlage, sodass eine Anfälligkeit für solche Verdauungsstörungen ab diesem Zeitpunkt zurückbleiben kann und der Hund somit chronisch krank wäre. „Prinz“ bekam von mir aufgrund der Beschwerden und der Tatsache, dass es sich um eine akute Störung handelte, eine Gabe Podophyllum D200, und am nächsten Tag arbeitete der Darm wieder normal.
>>> FALLBEISPIEL
Eros litt unter ständigem Nasenbluten
Der 91/2-jährige Schäferrüde „Eros“ litt seit einem Jahr an Nasenbluten. Es trat das erste Mal nach Baden im kalten Wasser auf und wiederholte sich ab diesem Zeitpunkt fast täglich. Von Beginn an war die gesamte Schnauze hochgradig schmerzempfindlich, man durfte ihn dort nicht berühren, und selbst beim Fressen war er sehr vorsichtig und brauchte eine tiefe Schüssel, damit er mit der Nase nicht am Boden anstieß. „Eros“ hatte auch schon als Welpe Probleme mit den Ohren, die mit den herkömmlichen Medikamenten behandelt und scheinbar beseitigt wurden. Allerdings fing das Nasenbluten an, als die Ohrenentzündungen „geheilt“ schienen. Dieser zeitliche Zusammenhang und der Auslöser durch das Baden sind für die Wahl des entsprechenden Arzneimittels von großer Bedeutung gewesen. Weiters war eine HD links festgestellt worden, und zwischen drei und sechs Jahren war mehrmals eine akute Rachenentzündung aufgetreten, die aber jedes Mal wieder von selbst abheilte. Der Hund wurde ein Jahr lang mit herkömmlichen Medikamenten behandelt, jedoch leider ohne bleibenden Erfolg. Kaum jemand wird auf die Idee kommen, dass alle diese Beschwerden für die Behandlung des Nasenblutens relevant sein könnten. Dennoch hätte ich ohne diese Informationen nie das richtige Heilmittel gefunden. Unter Einbeziehung sämtlicher Symptome fiel mir die Entscheidung für Belladonna D200 jedoch nicht allzu schwer.
Nach drei Monaten kam „Eros“ zur Kontrolle. Er hatte in diesem Zeitraum nur ein einziges Mal Nasenbluten, das im Gegensatz zu früher aber in kurzer Zeit von alleine wieder aufhörte. Die Schnauze war auch nicht mehr schmerzempfindlich, sein Verhalten beim Fressen und Schnüffeln war wieder ganz normal. Die Behandlung seiner chronischen Erkrankung ist noch nicht abgeschlossen, aber die am meisten belastenden Symptome sind verschwunden.
>>> WUFF STELLT VOR
Der Autor
Dr. Michael Fischer ist Lehrbeauftragter für Homöopathie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und führt als Fachtierarzt für Homöopathie eine Praxis in Wien.