Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe geht es um ein Problem, mit dem sich sehr viele Hundehalter konfrontiert sehen.
Liebe Frau Adler!
Ich bin mit meinem Hund schon etliche Male in der Hundeschule gewesen, habe wochenlang geübt und doch klappt es nicht. Leo, mein „Ca de Bestiar“, zieht immer stark an der Leine – mal wild mit der Nase am Boden, mal die Nase in die Luft haltend, oder er läuft quer vor mich, so dass ich stolpere. Nur bei unserem „Frühstücksweg“, einer Straße mit breiten Fußwegen, klappt es. Sowie ich aber in einen neuen Weg biege, ist es vorbei. Bleibe ich stehen, dreht er mir den Rücken zu und schnuppert und guckt in die Luft (in Laufrichtung), kehre ich um, läuft er einfach einen Kreis. Nur bei oben genannter Strecke geht er neben mir und schaut mich bzw. die Hand mit Leckerli an. Am schlimmsten ist es in der Stadt mit vielen Leuten. Da ist er furchtbar zappelig. Haben Sie einen Rat für mich?
Liebe Grüße
Marion Bürger
Liebe Frau Bürger!
Zuerst sollten Sie verstehen, dass es für den Hund kein angeborenes Verhalten ist, langsam an der Leine zu gehen. Es ist für ihn normal, mit dem Hunderudel bzw. mit uns Menschen im Familienverband zu laufen, und zwar in seinem zügigen Tempo. Ein Hund, besonders die von Ihnen erwähnte Rasse, geht grundsätzlich nicht langsam spazieren, denn das natürliche Grundtempo des Hundes ist ein langsamer Trab, der auf jeden Fall schneller ist als unser normaler Gang. Der Hund muss also lernen, sich an zwei Dinge anzupassen: die Einengung durch die Leine und die langsame Geschwindigkeit.
Wenn der Hund nun das erste Mal an die Leine kommt, wird er begrenzt und gebremst. Jeder Hund lehnt sich zuerst dagegen auf, weil viel Neues auf ihn wartet (Gerüche/Umgebung etc.) und er unbedingt alles entdecken möchte. Dann entsteht der Gegendruck vom Hundehalter und der Hund hält natürlich dagegen, weil dies für ihn der einzige Weg ist, um schnell nach vorne zu kommen. Zusätzlich setzt eine Art Teufelskreis ein: der Hund schnürt sich selbst die Luft ab, das Gehirn wird unterversorgt und der Körper schüttet Stresshormone aus. Der Hund zieht dadurch noch mehr. Frust setzt beim Hund ein, denn er will sein Ziel schnellstmöglich erreichen, wird aber daran gehindert. Der gestresste Halter wird noch gestresster und eine Abwärtsspirale beginnt. Für den Hund, der solche Erfahrungen gemacht hat, wird die Leine daher negativ verknüpft.
Negativspirale durchbrechen!
Wichtig ist hier, diese Negativspirale zu durchbrechen. Zum Beispiel sollte bei einem ziehenden Hund auf eine Halskette oder ein dünnes Halsband komplett verzichtet werden und stattdessen ein gut sitzendes Brustgeschirr oder ein ganz breites weiches Halsband gewählt werden. So wird dem Hund die Luft nicht abgeschnürt, es werden weniger Stresshormone ausgeschüttet und der Spaziergang kann harmonischer verlaufen. Außerdem muss die Leine mit positiven Assoziationen verknüpft werden. Es muss sich für den Hund lohnen, an lockerer Leine zu laufen!
Damit sind wir gleich beim Training: Bevor Sie starten, müssen Sie sich im Klaren sein, was „an der Leine gehen“ bedeutet. Ein Hund kann nicht permanent bei Fuß gehen und dabei Blickkontakt mit dem Besitzer halten. Dies ist im Alltag weder für die Haltung gesund, noch zielführend. Der Hund soll lernen, dass er sich im Spielraum der Leine bewegen darf und dabei jedoch keinesfalls ziehen soll.
Was tun?
Sie ziehen Leo also ein gut sitzendes, bequemes und passendes Brustgeschirr an und nehmen dazu bitte eine 2,5 bis 3 Meter lange Leine (eine zu kurze Leine bietet keinen Spielraum und ist deshalb ungeeignet). Zu Beginn sollten Sie eine ablenkungsarme Umgebung fürs Training wählen – das kann ruhig auch der eigene Garten sein. Außerdem müssen Sie sich mit ausreichend guten Leckerchen ausstatten. Sie trainieren nun Leo ein Kommando mit dem Hörzeichen „langsam Leine“ an. Dies funktioniert folgendermaßen: Ihr Hund geht entspannt mit Ihnen den Garten entlang und Sie achten darauf, die Leine locker bis schlaff in der Hand zu halten (Sie haben ja einen angenehmen Spielraum von ca. 2 Metern). Immer wenn die Leine locker ist, sagen Sie Ihr Bestätigungskommando wie „fein“ und „langsam Leine“. Sie können Leo durchaus zusätzlich ein Leckerchen geben.
Darüber hinaus sind Sie selbst ein entscheidender Faktor. Auch Sie dürfen nicht an der Leine ziehen! Also selbst wenn Sie es eilig haben und Leo stehen bleibt, sollten Sie mit einem Hörzeichen wie „komm weiter“, Ihrer Körperhaltung und einer einladenden Handbewegung den Hund zum Weitergehen auffordern (wo es ab und zu auch mal ein Leckerchen im Trainingszeitraum geben kann).
Wenn dies gut funktioniert und Leo das Kommando verstanden hat, können Sie in eine andere (ruhige) Umgebung wechseln. Wenn Ihr Hund nun durch Ablenkung beginnt zu ziehen, bleiben Sie einfach stehen. Erst wenn sich Leo zu Ihnen „korrigiert“, gehen Sie mit dem Kommando „langsam Leine“ weiter. Leckerchen und ausgiebiges Lob gibt es nur für „langsam Leine“, also wenn der Hund wirklich an lockerer Leine läuft, ohne in die Spannung zu gehen.
Zusätzlich gibt es zu beachten, dass jeder Hund ausreichend Auslauf benötigt. Wenn Leo noch jung ist und viel Energie hat, kann es zum Beispiel zu Beginn notwendig sein, dass Sie Ihrem Hund zuerst ausreichend Auslauf in Form eines Spieles geben, bevor Sie mit dem Leinentraining beginnen. Nehmen Sie sich auch wirklich Zeit, um das Kommando gut einzutrainieren. Für ein entspanntes Gehorchen braucht man auch einen entspannten Hundehalter, um ein positives Gefühl gemeinsam mit dem gelernten Hörzeichen zu verinnerlichen.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Hund Geduld und Einfühlungsvermögen beim Training!
Ihre Yvonne Adler