Herdenschutzhunde (HSH), Hirtenhunde … oder gar Hütehunde? Oftmals kennen nicht einmal die Besitzer dieses uralten Hundetyps den Unterschied und wissen Bescheid über die traditionellen Aufgaben ihrer Hausgenossen: Schutz und zuverlässige Verteidigung der ihnen anvertrauten Herden – sowohl gegen vierbeinige als auch gegen zweibeinige Eindringlinge. Viele Herdenschutzhunde leben alleine mit den Herden, so dass für diese Arbeit ein selbstbewusster Hund vorausgesetzt wird, der zu eigenständiger Arbeit ohne menschliche Anleitung fähig ist. Da Beutegreifer bevorzugt in der Dämmerung und in der Nacht angreifen, ist zu diesen Zeiten der Schutztrieb besonders ausgeprägt.
Schutztrieb und Territorialverhalten
Dieser Schutztrieb und das starke Territorialverhalten gehören zu den herausragenden Eigenschaften des Herdenschutzhundes. Grundsätzlich wird alles Fremde innerhalb seines Territoriums zurückhaltend und misstrauisch betrachtet, wobei die Strategie zum Schutz der ihm Anvertrauten in der defensiven Abwehr liegt. Alles andere wäre unökonomisch, da eine negative Kosten-Nutzen-Rechnung zu befürchten wäre. Das Territorium des HSH umfasst für gewöhnlich nicht nur das mit dem Gartenzaun eingefasste eigene Grundstück, sondern auch das weitere, sichtbare Umfeld, sowie häufig besuchte Plätze und Spazierwege.
Häufig falsche Erwartungen
Anstatt sich die aus dem ursprünglichen Verwendungszweck resultierenden Eigenschaften der HSH vor Augen zu halten, wird leider allzu oft den vollmundigen und verkaufsfördernden Beschreibungen von Hundehändlern und unseriösen Züchtern Glauben geschenkt – die niedlichen Fellbündel mit dem Bärchenimage im Arm tun ein Übriges. Auch werden leider immer wieder Hunde als vermeintliche „Schnäppchen" oder aus Mitleid aus den Herkunftsländern mitgebracht. So werden sie oft mit völlig falschen Erwartungen angeschafft, die in krassem Gegensatz zu den wirklichen Bedürfnissen der instinktstarken, territorialen und eigenwilligen Herdenwächter stehen, deren vorrangiges Bestreben in jedem Fall eines NICHT ist: ihrem Herrn in harmoniestrebender und anhänglicher „Familienhund"-Manier zu Gefallen zu sein.
Vorher genau informieren
Dabei kann man den Hunden sehr wohl auch in unserer dichtbesiedelten Umwelt zu einem ausgelasteten und zufriedenen Leben verhelfen. Wer mit einem Herdenschutzhund harmonisch leben möchte, muss sich im Vorfeld der Anschaffung genau über die Eigenschaften, auf die dieser Hundetyp seit Jahrhunderten in den ursprünglichen Herkunftsländern selektiert wurde, informieren und sie im Alltag akzeptieren und kanalisieren. In diese Aufgabe kann mensch hineinwachsen, sofern er offen ist und die Bedürfnisse seines Tieres ernst nimmt. Leider stellen viele HSH-Besitzer erst nach dem Erwerb des Hundes und einer mehr oder minder ausgeprägten Leidensgeschichte fest, dass der Hund so gar nicht dem Bild des erwünschten unkomplizierten Hausgenossen entspricht. In glücklichen Fällen werden Erwartungen relativiert, und das Gespann wächst trotzdem zusammen.
„Beziehungsgescheitert"
Häufiger geht es für den Hund allerdings nicht so glimpflich ab, sondern es wird eine folgenschwere Entscheidung getroffen: der Hund muss weg … Die erfolgreiche Vermittlung von solchen bereits „beziehungsgescheiterten" Herdenschutzhunden ist durchaus möglich, wenn auch der Weg dahin mitunter steinig und langwierig sein kann. Voraussetzung hierfür ist die korrekte Einschätzung des jeweiligen Hundes, die umfassende Information der Interessenten und die Zusammenführung des passenden Gespanns.
Nicht Kuschelbär noch Wolfsbezwinger
Herdenschutzhunde sind weder große Kuschelbären noch allzeit abwehrbereite und nicht handhabbare „Wolfsbezwinger". Sie sind lediglich Hunde mit besonderen Ansprüchen. Pauschalierungen sind nicht angebracht, und es ist sehr wohl möglich, anhand einer kompetenten und objektiven Einschätzung der jeweiligen Mensch-Hund-Umwelt-Konstellation auch erwachsene Herdenschutzhunde erfolgreich in einen neuen Familienverband zu integrieren.
>>> WUFF – INFORMATION
Herdenschutzhunde in Not!
von WUFF-Redakteurin Iris Strassmann
In jüngster Zeit geraten immer häufiger HSH in Not, und viele Tierheime sind mit diesen Hunden völlig überfordert. WUFF möchte mit dazu beitragen, dieses sich anbahnende Hundeelend zu bekämpfen, und stellt Ihnen deshalb heute u.a. zwei Vereine vor, die sich um in Not geratene HSH mit großem Sachverstand und viel Hingabe bemühen. Im Rahmen unserer Recherchen konnten wir eine länderübergreifende Zusammenarbeit initiieren zwischen Deutschland, wo bereits sehr massive Probleme existieren, und Österreich, wo auch schon die ersten Schwierigkeiten mit diesen Rassen und ihren Mischlingen auftauchen. Wenden Sie sich bitte an die unten genannten Ansprechpartner, wenn Sie Rat oder Hilfe benötigen, aber auch, wenn sie selber aktiv helfen und mitarbeiten möchten.
– Kontakt in Österreich:
Gabriela Höllbacher („Allgemeiner Hirten- und Hütehunde Club", ÖKV),
A-3481 Fels am Wagram, Untere Marktstr.14.
Email: 106642.2123@compuserve.com ,Tel.: +43-(0)2738-7011,
Internet: www.ahhc.4u.to
– Verein „Tier und Mensch – Hilfe für Herdenschutzhunde e.V."
Dieser Verein klärt über die Bedürfnisse der HSH auf und unterstützt Interessierte bei der Entscheidungsfindung – und ggf. danach. Als wichtige Ziele werden u.a. genannt: Beratung, dauerhafte Vermittlung, Unterstützung nach Übernahme des Hundes, Unterbringung von bedürftigen Hunden zur (Re-)Sozialisierung in vereinseigenen Pflegestellen, Schaffung von dauerhaften und lebenswerten Unterbringungsmöglichkeiten für nicht mehr vermittelbare Herdenschutzhunde, Netzwerk zum Informationsaustausch, Zusammenarbeit mit Tierheimen, Veterinären und Privatleuten, zentrale Sammlung von Daten über in Not befindliche Herdenschutzhunde, Betreibung der Homepage www.herdenschutzhundhilfe.de, auf der neben zu vermittelnden Hunden auch Wissenswertes rund um den Hund zu finden ist. Der Verein hat zwei sehr informative und empfehlenswerte Broschüren herausgegeben: „Herdenschutzhunde – Information und Entscheidungshilfe" und „Integration eines erwachsenen Hundes in eine bestehende Hundegruppe". Für detailliertere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Tier und Mensch – Hilfe für Herdenschutzhunde e.V., Gernsheimer Straße 78, D-64319 Pfungstadt. Internet: www.herdenschutzhundhilfe.de.
Kontakt: Mirjam Cordt, Email: mic@herdenschutzhundhilfe.de, Tel.: +49-(0)6157/93 07 35, und Ira Vaculik, Email: iva@herdenschutzhundhilfe.de, Tel.: +49-(0)2644/80 88 81
– Das „RESCUE-Team FdHSH e.V."
Das „RESCUE-Team FdHSH e.V." der „Freunde des Herdenschutzhundes e.V." hilft, für die stetig steigende Zahl an HSH-Notfällen ein neues Zuhause zu finden. Dabei wird rasse- und organisationsunabhängig gearbeitet, zu Gunsten aller in Not geratener HSH, seien sie nun reinrassig mit Zuchtpapieren oder Mischlinge. Um Notfälle zu verhindern, wird auch schon im Vorfeld beraten und aufgeklärt. Hundehalter, die mit ihrem HSH nicht mehr zurecht kommen, erhalten ebenso Hilfe wie Tierheime oder Tierschutzorganisationen, die inzwischen regen Gebrauch von der Möglichkeit machen, ihre Schützlinge in der Rescue-Datenbank zu veröffentlichen.
Kontakt: Freunde des Herdenschutzhundes e.V., Birgit Meyer, Rescue-Beauftragte FdHSH e.V., Email: birgit.meyer@herdenschutzhund.de , Tel.: +49-(0)9721-387622, Internet: www.herdenschutzhund.de
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