Experte des Naturschutzbundes: „Der Wolf zwingt die Gesellschaft dazu, sich zu verändern“
Bad Vigaun (Von Fritz Neumüller/APA) – Der friedliche Eindruck täuscht. Die drei Hunde, Rasse Maremmano-Abruzzese, auf der Weide sind groß und kräftig, bewegen sich aber erstaunlich leichtfüßig. Sie wurden gezüchtet, um Angriffe von Raubtieren abzuwehren. „Das sind keine Kuscheltiere“, sagt Georg Höllbacher. Der Salzburger Landwirt gilt als einer der Pioniere in Österreich, was den Einsatz von Herdenschutzhunden gegen Wölfe betrifft.
Seit das hierzulande einst ausgerottete Raubtier wieder verstärkt aktiv ist – seit Anfang April wurden in Salzburg mehr als 20 Schafe, Ziegen und Widder getötet – ist auch die Diskussion über den Umgang mit dem Wolf wieder voll entflammt. Viele Landwirte sind nach den jüngsten Rissen verunsichert und sehen ihre Existenz bedroht, Jäger fürchten um den Wildbestand.
„Als Schafsbauer habe ich auch keine Freude mit der Rückkehr des Wolfes“, sagt Höllbacher, zugleich Obmann des Bundesverbandes für Schafe und Ziegen und Leiter der Nationalen Beratungsstelle für Herdenschutz, am Mittwoch bei einem Pressegespräch an seinem Hof.
„Aber der Wolf wird nicht nur wieder kommen, er ist bereits da.“ Auf rund 17 bis 20 Tiere schätzt der Naturschutzbund die Zahl der Wölfe in Österreich derzeit. In Allentsteig in Niederösterreich lebt ein Rudel, der Rest sind Einzeltiere auf Wanderschaft oder auf der Suche nach einem Partner. „Es wird bei uns nicht morgen flächendeckend Rudel und Einzelwölfe geben. Aber wir müssen jetzt die Strukturen schaffen, wie wir damit umgehen“, fordert Höllbacher.
Allerdings müsse der Herdenschutz in Österreich erst aufgebaut werden. Bisher setzen nur eine Handvoll Landwirte Hunde zum Schutz ihrer Schafe und Ziegen ein. „Die Herausforderung ist dabei aber nicht, die Hunde in die Herden zu integrieren, sondern die Information der Bevölkerung“, sagt Höllbacher. Herdenschutzhunde sind eigenständige Tiere, die Gefahren selbstständig einschätzen und Entscheidungen treffen müssen. Sie sind von klein auf mit den Schafen und Ziegen sozialisiert und verteidigen die Herde nicht nur gegen wilde Tiere, sondern auch gegen vermeintliche andere Bedrohungen wie Wanderer, Jäger mit Jagdhunden oder Mountainbiker. Das führt naturgemäß zu Konflikten. In der Schweiz informieren Verhaltenstafeln über den richtigen Umgang mit Hunden. Dass Wanderer attackiert werden, kommt dort vor, wenn auch nur sehr selten.
Zugleich kostet die Ausbildung der Herdenschutzhunde Zeit, Zeit die viele Nebenerwerbslandwirte in Österreich nicht hätten. „Die Bauern werden sich die Maßnahmen nicht leisten können. Es braucht dazu finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand“, sagt Höllbacher. Über kurz oder lang werde man auch über eine Bejagung oder Entnahme von Wölfen reden müssen.
„Der Wolf gehört zur Artenvielfalt dazu. Er erfüllt als Gesundheitspolizei eine wichtige ökologische Funktion und er hat ein Recht auf Existenz“, erklärt hingegen Birgit Mair-Markart, Geschäftsführerin des Naturschutzbund Österreich. Experten hätten die Wiederansiedelung des Wolfs in Europa lange vorhergesagt, doch die Politik habe zu lange zugewartet.
Für den Naturschutzbund kann das Zusammenleben mit dem Wolf nur mit Schutzmaßnahmen für Weidetiere funktionieren. In Nachbarländern Österreichs haben sich Hirten, Elektrozäune oder Herdenschutzhunde bewährt. Doch die Maßnahmen sind aufwendig – und sie greifen in die Interessen Dritter ein. Die Jägerschaft hat etwa mit Zäunen keine Freude. „Wo der Wolf nicht hinein kommt, kommen auch andere Tiere nicht hinein“, sagt etwa Herbert Sieghartsleitner, stellvertretender Landesjägermeister von Oberösterreich. „Dadurch geht wertvoller Lebensraum für Schalenwild verloren, Wander- und Zugbewegungen werden blockiert.“ Das Bellen von Schutzhunden würde hingegen die Ruhe des Wilds stören. Sieghartsleitner plädiert heute für einen pragmatischen und vernünftigen Umgang mit dem Thema. „Es geht nicht darum, den Wolf auszurotten, bevor er sich wieder etabliert hat. Wölfe sind tolle Tiere. Aber für ein gutes Zusammenleben mit dem Wolf braucht es gutes Management und eine Veränderung des hohen Schutzstatus.“
„Der Wolf zwingt die Gesellschaft dazu, sich zu verändern“, sagt am Mittwoch auch Leopold Slotta-Bachmayr, Wolfsexperte des Naturschutzbundes. „Wir haben völlig verlernt, mit dem Wolf umzugehen. Wir müssen die Bewirtschaftung anpassen und dazu braucht es Entscheidungen der Politik. Denn sonst zwingt man Betroffene dazu, illegal die Büchse in die Hand zu nehmen und Selbstjustiz zu üben.“