Helfende Pfoten

Von Dr. Hans Mosser

Während in den angelsächsischen Ländern Tiere und insbesondere Hunde schon seit den 60er Jahren in der Therapie kranker und behinderter Menschen eingesetzt wurden, war dies in Österreich noch lange Zeit ein Tabuthema. Ein Hund im Krankenhaus – in Österreichs Hygienetempel unvorstellbar! Obwohl Hunde nur im Islam als unrein gelten, schienen auch im christlichen Abendland Hunde im Krankenhaus nicht opportun – auch wenn sie den Menschen dort helfen könnten, schneller gesund zu werden oder wenigstens die Krankheit leichter zu ertragen.
Die erste, die in Österreich dieses Thema systematisch und engagiert anging, war die Biologin Dr. Gerda Wittmann. Sie betrat auf diesem Gebiet absolutes Neuland, als sie 1988 ein Tierbesuchsprogramm im Wiener Pflegeheim Lainz – wenngleich vorerst nur im Park – einführte. Kennengelernt hatte sie die „animal assisted therapy“ während eines langjährigen Aufenthaltes in Australien. Überzeugt und begeistert von den Erfolgen dieser Arbeit mußten erst viele Hürden überwunden werden.

Hunde im Spital?
So war natürlich heftigster Gegenwind vorprogrammiert. Doch allen Schwierigkeiten zum Trotz konnte das Pflänzchen „Tiere als Therapie“ in Wien keimen und Dr. Wittmann bereits 1991 den Verein „Tiere als Therapie“ (TAT) gründen. Und bald begegnete man Tieren nicht mehr nur im Parkbereich, sondern auch im Pflegeheim selbst – und auch in den Betten mit Hautkontakt zum kranken Menschen. Das bei gepflegten und tierärztlich überwachten Tieren praktisch nicht vorhandene Hygieneproblem wird zudem bei weitem überwogen durch die großen Vorteile, welche dieser nahe Kontakt Tier-Mensch bewirkte: Positive Ergebnisse bei Patienten mit Alzheimerkrankheit mit Verbesserung der depressiven Stimmung, der Konzentrationsfähigkeit und der Motivation konnten bereits wissenschaftlich bewiesen werden (s. Kasten).
Im ärztlichen Bereich war es Primaria Dr. Fuchswans, die sich sehr für die tiergestützte Therapie im Pflegeheim Lainz einsetzte. Auf ihrer Station gab es – neben den „tierischen Besuchsdiensten“ – bald einige Vögel, Kaninchen und Meerschweinchen. Einzelne Schwestern erhielten die Genehmigung, auch ihren Hund in den Dienst mitzunehmen.

Was ist tiergestützte Therapie?
Nach Eigendefinition soll „die tiergestützte Therapie, zu der sich Hunde besonders eignen (die mit Besitzer als Team arbeiten), bei der Beseitigung oder Verminderung von Störungen des physischen, psychischen oder sozialen Wohlbefindens unter Einbeziehung von Tieren dienen.“ Mithilfe von Tieren sollen alte, kranke und/oder behinderte Menschen besser in ihr soziales Umfeld integriert werden. Und daß dies keine leere Formel ist, haben die wissenschaftlichen Auswertungen dieser Therapie, in der Tiere sozusagen als „Co-Therapeuten“ eingesetzt werden, dokumentiert.
Der Verein TAT hat seit 1997 seinen Sitz an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und wird von Univ.-Prof. Dr. Bubna-Littitz, Österreichs Verhaltensexperten für Tiere, geleitet. Von Wien ausgehend, gibt es nun bereits Außenstellen im Burgenland, in Oberösterreich, Niederösterreich, in der Steiermark und bald auch in Vorarlberg. Informationen zum Verein TAT im Kasten. TAT veranstaltet Kurse, in denen verantwortungsvolle Hundebesitzer und ihre vierbeinigen Partner zu einsatzfähigen Teams in der tiergestützten Therapie ausgebildet werden. In einem praktischen Teil werden die angehenden Mensch-Hunde-Teams von in Hundefragen und im Bereich der Tiertherapie erfahrenen Sozialpädagogen und Sozialmedizinern geleitet. Ein theoretischer Teil besteht aus Vorlesungen, die von Fachleuten aus den Bereichen der Psychologie, Pädagogik und Medizin gehalten werden.

Welche Hunde sind geeignet?
Hunde, die zusammen mit ihrem Halter in der tiergestützen Therapie ausgebildet und eingesetzt werden können, müssen bestimmte Voraussetzungen aufweisen: Der Hund muß gut sozialisiert sein, natürlich menschenfreundlich, mit einer hohen Reizschwelle und einer geringen Aggressionsneigung. Natürlich ist auch ein gewisser Grundgehorsam erforderlich und zwischen Hundebesitzer und seinem Vierbeiner soll eine gute Bindung bestehen. Die Gesundheit des Tieres wird natürlich tierärztlich überwacht, sodaß der Vierbeiner im Spital oder Pflegeheim keine Gefahr für die Hygiene darstellt. Verlangt wird ein Mindestalter von 18 Monaten, nach oben hingegen sind keine Grenzen gesetzt. Also auch ein Hundesenior kann – vorausgesetzt sein Gesundheitszustand läßt dies zu – einem Menschensenior Freude bereiten.
Nach Absolvierung der Ausbildung (siehe Kasten) werden die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten von Mensch und Hund in einer Abschlußprüfung dokumentiert, die aus einem praktischen und einem theoretischen schriftlichen Teil besteht. Bei der praktischen Prüfung werden Mensch und Hund auf ihre Belastbarkeit in Extremsituationen geprüft. Die Prüfungsordnung wurde von kompetenten Fachleuten, darunter der bekannte Tierpsychologe Univ. Prof. Dr. H. Bubna-Littitz und Frau Prim. Dr. Fuchswans, erarbeitet.
Nach erfolgreich abgelegter Prüfung wird das frischgebackene mensch-hundliche „Therapeutenteam“ die ersten Einsätze noch von bereits erfahrenen Mitarbeitern begleitet. WUFF-Leserinnen und -Leser, die sich für die Ausbildung oder die Arbeit eines TAT-Hundes interessieren, finden alle relevanten Kontakt-Informationen im Infokasten.
Neben dieser organisierten und ihre Arbeit wissenschaftlich dokumentierenden Initiative TAT gibt es in ganz Österreich auch viele private Hundehalter, die mit ihren Vierbeinern Altenheime, Behindertenhäuser und andere Institutionen besuchen, um Helfer auf vier Pfoten zu sein. Renate und Regina Schenk in St. Radegund bei Graz beispielsweise, die mit ihren drei Settern schon lange regelmäßig das „Haus der Senioren“ besuchen (siehe Renate Schenks Bericht auf der KidsPage). Auch in diesen privaten Initiativen zeigt sich die große Bedeutung des positiven Einflusses von Hunden auf das Leben und die Befindlichkeit der Menschen.

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Wissenschaft beweist: Hunde helfen bei Alzheimer

In einer klinischen Studie an der 2. Psychiatrischen Abteilung des Psychiatrischen Krankenhauses Baumgartner Höhe (Pavillon IV) untersuchte man in der Abteilung für Gerontopsychiatrie die Auswirkung des Patientenbesuchs mit Tieren auf den Krankheitsverlauf der Alzheimerschen Erkrankung. Die Studie wurde durchgeführt von Prim. Dr. Tölk, Frau Dr. Djalilian und Univ. Prof. Bubna-Littitz.

Methodik
27 Patienten mit Alzheimerscher Erkrankung wurden zweimal pro Woche für jeweils zwei Stunden von Studenten der Veterinärmedizinischen Universität mit ihren Tieren (Hunde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und Ratten) besucht. Parallell wurde von Frau Dr. Djalilian kognitives Gedächtnistraining dreimal pro Woche von jeweils 30 bis 45 Minuten durchgeführt. Insgesamt wurde jedem Patienten diese Behandlung acht Wochen zuteil. Zu Beginn und am Ende der Studie wurden die Patienten mittels standardisierter Tests (Alzheimers Disease Assessment Scale – ADAS-Test – und Mini-Mental-State – MMS-Test) geprüft.
Ergebnis: Großer Erfolg
Signifikante (p>0.05) Besserungen gab es bei folgenden Parametern:
• Depressive Verstimmung
• Abzeichnen von vorgegebenen Figuren
• Konzentrationsfähigkeit
• Wiedererkennen vorgegebener Begriffe.

Folgende Parameter zeigten zwar keine statistisch signifikante Besserung, ließen jedoch einen dahingehenden Trend erkennen (0.2<p>0.05):
• Freie Reproduktion (ein Gedächtnisparameter)
• Orientierung
• Sprachausdruck
• „Weinerlichkeit“ der Patienten.

Motivation steigt
Die Autoren vermuten, daß die wichtigste und tiertherapiespezifische Veränderung die Besserung der depressiven Verstimmung ist. Dadurch wird eine allgemeine Aktivierung und Anhebung des Motivationsniveaus erreicht, die auch die Bereitschaft zum kognitiven Gedächtnistraining beim Patienten erhöht.

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Philipp lacht wieder
Von Paul Cech

Philipp ist 12 Jahre alt. Ein ungeheuer lieber, fröhlicher Bursch, der „seinen“ Hund über alles liebte. „Puppe“, der ausgebildete Rettungshund des Vaters, mußte aber vor vielen Monaten krankheitsbedingt eingeschläfert werden. Philipp klagte schon länger über Kopfschmerzen, die plötzlich „rasend“ wurden. Die Ärzte attestierten ein Blutgerinsel im Gehirn – Notoperation. Es war knapp. Der einst fröhliche Bub lag – auch bereits wieder zu Hause – nur apathisch am Bett und fragte nach „Puppe“, dem Hund. Viel mehr Erinnerung hatte er nicht. An nichts. Also mußte rasch eine „neue Puppe“ her, ein Berner Sennenhund.

Mit Hund geht’s aufwärts …
Die Mitglieder der Rettungshundebrigade Güssing machten sich auf die Suche. Via Internet gab es Aufrufe. Aus Deutschland und Österreich meldeten sich Hundefreunde, um zu helfen. Bald gab es einen neuen Hund für den nun leicht geistig behinderten Philipp. Der Bub sah den Hund, versuchte zu lächeln, streckte, apathisch am Bett liegend, die Hand aus – und begann den Hund zu streicheln. Nach drei Tagen kehrte – zur Überraschung aller – Farbe ins Gesicht von Philipp zurück, er begann wieder besser zu essen … und er stand auf, um mit dem Hund zu spielen. Die Ärzte und Therapeuten waren begeistert. Es war ein Entwicklungssprung.

Hilfe von überall
Daß die Rettungshundebrigade Güssing für alle Kosten des Hundes aufkam, war selbstverständlich. Daß aber – auch aus Deutschland – E-Mails einlangten, in denen Hilfe angeboten wurde, war phantastisch. Die „neue Puppe“ schläft beim Buben im Bett – die zwei sind ein unzertrennliches Team. Philipp ist „aufgewacht“. Er kann schon wieder mit seinem Vater auf den Hundeplatz kommen. Zu Weihnachten wollte die gesamte Rettungshunde-Crew aus Güssing Philipp etwas schenken. Philipp will nichts – er hat ja „seine Puppe“ wieder … Ein Hund hat in kürzester Zeit geholfen, einem behinderten Kind die Lebensfreude wiederzugeben. Hundefreunde aus ganz Mitteleuropa sind in News- und Diskussionsgroups im Internet zu Tränen gerührt. Der – alleinerziehende – Vater des Kindes sagt nur noch: „Danke! Danke! Danke!“. Ein leider trauriger, aber doch wunderschöner Gegensatz zu den Hetzkampagnen der letzten Monate.

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TAT Kurzinfo + Kontakt

Verein „Tiere als Therapie"
Veter.medizin. Univ. Wien, Veterinärplatz, A-1210 Wien,
Telefon: +43/01/25077-3340
Fax: +43/01/25077-3391
Obmann: A.Univ.Prof. Dr. H. Bubna-Littitz

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Hundeausbildung bei „Tiere als Therapie"

In den Ausbildungskursen von „Tiere als Therapie“ wird der Hund mit vielen neuen Erlebnissen konfrontiert. Da bestimmte Behinderungen eines Menschen beispielsweise unkoordinierte, plötzliche Bewegungsmuster oder ein Aufschreien etc. bewirken können, soll sich der Hund dadurch natürlich nicht erschrecken. Daher werden alle Streßsituationen, die während des Therapieeinsatzes auftreten können, in der Ausbildung trainiert und vom ersten Moment an für den Hund positiv besetzt.

Geübt werden daher in der Praxis:
• ungewöhnliche Bewegungsmuster
• Geh-Hilfen und ähnliches (Fahrrad, …)
• verschiedene Geräusche (Schreie, Instrumente, Umweltlärm, …)
• ungewöhnliche optische Reize (Regenschirm, wehender Umhang, …)
• Ausgang (öffentliche Verkehrsmittel, Aufzug, Fiaker, Menschenmassen, Lokalbesuch, Benimmregeln in der Öffentlichkeit).
Außerdem lernt der Hund, sich ungeschickt angreifen zu lassen, da dies in einer Therapiesituation immer wieder der Fall sein kann.

Zwischen den Übungseinheiten gibt es immer Freilaufsequenzen, wo den Hunden freies Spiel geboten wird und die Möglichkeit Streß abzubauen.

Was lernt der Mensch?
Auch der Hundebesitzer profitiert in hohem Maße von der Ausbildung. Er lernt
1. seinen Hund besser zu verstehen, seine Reaktionen richtig zu deuten (Streß, etc.)
2. den praktischen Umgang mit den Geh-Hilfen (Rollstuhl, …)
3. den korrekten Umgang mit dem Patienten (Seh-, Hör-, Gehbehinderung, …)
4. im Team zu arbeiten
5. verschiedene Möglichkeiten tiergestützte Therapie mit Therapeuten durchzuführen.
Außerdem erhält der Mensch im theoretischen Teil Einblick in die Bereiche der Psychologie, Pädagogik und Tierpsychologie, die für die Tiertherapie relevant sind.

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Kyra hilft Bea

Seit etwa einem Jahr arbeitet Kyra einmal wöchentlich (im eigenen Garten) mit dem Therapiekind Bea, einem zehn Jahre alten spastischen Mädchen, die seit ihrer Geburt blind ist und zeitweise unter epileptischen Anfällen leidet. Die Therapiearbeit dauert drei Stunden, da Bea sehr schnell ermüdet, immer wieder Ruhepausen zwischendurch benötigt und manchmal sogar ein kleines Schläfchen einlegt (dann natürlich am Rücken von Kyra). Zwei kurze Schritte ohne Stütze gehen sind das Höchste der Gefühle für Bea, ansonsten ist sie an den Rollstuhl angewiesen. Das Zusammensein mit Kyra motiviert Bea sehr. Und Kyra läßt sich mit Gleichmut auch die manchmal etwas handgreiflichen Zärtlichkeiten gefallen. Damit sich Bea leichter aus dem Rollstuhl hochstemmen kann, wird in der Therapie ihre Oberarmmuskulatur gestärkt, indem Bea einen Ball, abwechselnd mit der rechten und linken Hand, in eine angedeutete Richtung wirft. Kyra holt diesen Ball dann wieder, legt ihn auf Bea’s Schoß und stupst mit der Schnauze Bea’s Hand zum Ball. Eine Stärkung der Muskulatur wurde von Bea’s Pysiotherapeutin festgestellt und somit eine Fortführung der Tier-Therapie befürwortet. Als zusätzlicher Gewinn ist noch die Stärkung ihres Selbstbewußtseins zu beachten, da Bea in ihrer Klasse die Einzige ist, die einen Therapiehund hat.

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