Sie haben etwa weiße Flecken im Fell oder kürzere Schnauzen
Zürich (APA/sda) – In den vergangenen 15.000 Jahren haben die Menschen verschiedenste Wildtiere domestiziert, um sie als Nutz- oder Haustiere zu halten. Damit beispielsweise aus wilden Wölfen zahme Hunde werden, wählten die Menschen jeweils die am wenigsten aggressiven, beziehungsweise ängstlichsten Tiere für die Weiterzucht aus. Zahmheit war somit das zentrale Selektionsmerkmal.
Mit der Zeit änderte sich nicht nur das Verhalten der Tiere, sondern auch ihr Aussehen, wie die Universität Zürich am Freitag berichtete. So haben gezähmte Hasen, Hunde und Schweine weiße Flecken in ihrem Fell. Zudem haben sie schlappe Ohren, kleinere Gehirne und kürzere Schnauzen. Dieses Domestikationssyndrom entstand also übereinstimmend bei unterschiedlichen Tierarten.
Ein Forschungsteam um Anna Lindholm vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich hat das Phänomen auch bei verwilderten Hausmäusen (Mus musculus domesticus) festgestellt, die in einer Scheune in der Nähe von Zürich leben. Auch bei ihnen veränderte sich innerhalb eines Jahrzehnts der Phänotyp: weiße Flecken und kürzere Schnauzen.
Dabei haben die Forscher die Mäuse nicht absichtlich selektioniert, wie sie im Fachjournal „Royal Society Open Science“ berichten. Sie versorgten die Tiere nur regelmäßig mit Wasser und Nahrung. Die Nager verloren allmählich ihre Angst und entwickelten Domestizierungsmerkmale – „allein durch den regelmäßigen Kontakt zu uns“, wird Lindholm in der Mitteilung zitiert. Die Forscherin studiert die Hausmäuse seit rund 15 Jahren.
Für den Wandel von Verhalten und Aussehen ist eine kleine Gruppe von Stammzellen im frühen Embryo verantwortlich, die Neuralleiste. Von diesen Stammzellen stammen etwa der Knorpel in den Ohren, das Dentin der Zähne und die Melanozyten, die das Hautpigment produzieren, ab. Außerdem entsteht die Nebenniere, in der die Stresshormone gebildet werden, aus diesen Stammzellen. Die Selektion von weniger ängstlichen Individuen führt zu kleineren, weniger aktiven Nebennieren. Damit sind die Tiere zahmer. Die Veränderungen im Fell und in der Kopfgröße sind also unbeabsichtigte Nebenwirkungen der Domestizierung.
Die Beobachtungen von Madeleine Geiger, Erstautorin der Studie, helfen zu verstehen, wie Hausmäuse vor rund 15.000 Jahren begannen, in der Nachbarschaft von Menschen zu leben. Sie wurden von Lebensmittelabfällen angezogen und gewöhnten sich alleine durch die Nähe an die Menschen und wurden zahmer. Diese Selbstdomestizierung führte nebenbei auch zur allmählichen Veränderung ihres Aussehens.
Evolutionsbiologen gehen davon aus, dass die Entwicklung vom wilden Wolf zum zahmen Hund anfangs ebenfalls ohne menschliche Selektion verlief. Wölfe, die sich in der Nähe von Menschen aufhielten, wurden mit der Zeit weniger ängstlich und aggressiv – der erste Schritt zum Wandel vom Wild- zum Haustier.
(S E R V I C E – Fachartikelnummer DOI: 10.1098/rsos.172099)