Giftköder

Von Kristina Ziemer-Falke

Die versteckte Gefahr bannen

Was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die Hunde mit präparierten Ködern schwer verletzen oder sogar töten – wir wissen es nicht. Und wir können es leider auch nicht verhindern. Doch wir können unsere Hunde mit gezieltem Training schützen. Kristina Ziemer-Falke und Jörg Ziemer erklären, wie.

Vergiftetes Fleisch, Brot mit Nadeln versetzt, Wurst mit Plastikteilchen, Reißnägeln oder Angelhaken. Der grausamen Fantasie so genannter „Hundehasser“ scheint wahrlich keine Grenze gesetzt. Und unsere Hunde sind ihnen hilflos ausgeliefert. Denn wenn die ­Giftköder auf Wiesen oder an Wegrändern versteckt sind, haben wir keine Chance, sie rechtzeitig zu erkennen, und unser Hund hat sie schneller verschlungen als wir „Aus!“ rufen können, damit der Hund den Köder wieder ausspuckt. Mit fatalen Folgen. Jedes Jahr werden in Deutschland und Österreich über 2000 Ver­giftungsfälle gemeldet. Manche ­Hunde wie Labrador Retriever, der ­Beagle oder Cocker Spaniel sind besonders ­gefährdet, denn sie sind häufig auf der Suche nach Fressbarem. Es wird Zeit, etwas zu tun …

Köder unbedingt melden
Das Auslegen von Giftködern ist eine Straftat. Jeder, der ein verdächtig präpariertes Brot, Wurststück, Hackbällchen oder Ähnliches findet, sollte dies sofort zur Polizei oder zum Ordnungsamt bringen. Denn ohne die Mithilfe der Hunde­halter besteht kaum eine Chance, die Täter zu fassen. Betroffene Hundehalter können oft nicht mehr nachvollziehen, wo ihr Hund den Köder aufgenommen hat. Doch man kann zumindest durchgeben, welche Gassi-Strecke man gegangen ist, und so eine ungefähre Angabe machen. Die Polizei nimmt Anzeigen in der Regel ernst und geht diesen auch nach. Zwar sind die Untersuchungen nicht immer von Erfolg gekrönt, aber wenn genügend Hinweise eingehen, dann kann die Polizei die Täter durchaus ermitteln. Und jeder gefasste Hundehasser ist ein wichtiger Schritt.

Training ist die einzige Sicherheit
Wir sind den „Attacken“ der Hunde­hasser leider recht hilflos ausgeliefert und können sie nicht verhindern. Die einzige Chance besteht darin, aufzupassen und den Hund zu trainieren, nichts Gefundenes zu fressen. Auch ein Maulkorb kann den Hund daran hindern, ­herumliegendes Futter aufzunehmen, aber die meisten Menschen scheuen sich vor dieser Maßnahme. So bleibt also nur ein konsequentes Training. ­Grundsätzlich gibt es drei Ansätze, um zu verhindern, dass Hunde Giftköder aufnehmen. Wir stellen Ihnen diese vor und beschreiben weiter unten auch, welche Empfehlung wir Ihnen dazu geben.

1. Aufpassen und verbieten
Bei diesem Ansatz muss der Hund während des Spaziergangs eigentlich ständig beobachtet werden. Falls er Futter oder irgendetwas anderes Verdächtiges aufnimmt, muss ihm das sofort verboten werden. Sprich: Er soll es von sich aus wieder ausspucken oder sich von Ihnen aus dem Fang nehmen lassen.

Vorteile: Dies ist relativ einfach zu trainieren und kann auch von Hundeanfängern umgesetzt werden.

Nachteile: Auf die Dauer leider sehr anstrengend für den Hundehalter. Und in der Praxis nicht tauglich für Hunde, die wirklich gezielt auf Futtersuche gehen, sondern nur für Vierbeiner, die ab und an mal etwas fressen, was sie ­gefunden haben. Kluge Hunde entwickeln außerdem recht bald Gegenstrategien. Sie ­laufen zum Beispiel mit dem gefundenen „Schatz“ einfach weg, schlucken ihn schnellstmöglich herunter oder versuchen ihn heimlich irgendwo im Gebüsch zu fressen.

2. Eine Aversion erzeugen
Dabei wird dem Hund sozusagen der „Spaß am Fressen“ von aufgestöberten Dingen gründlich verleidet. Das bedeutet: Im dazugehörigen Training erfährt er jedes Mal, dass ein „gefundenes Fressen“ eine äußerst unangenehme Folge hat.

Vorteile: Bei gelungenem Training kann man sich ziemlich sicher sein, dass der Hund keine Dinge mehr auf dem ­Spaziergang frisst.

Nachteile: Das Training ist sehr schwierig, weil es ein sehr gutes Timing für den Einsatz des sogenannten „aversiven Reizes“ braucht. Man benötigt außerdem technische Hilfsmittel wie zum Beispiel ein Funk-Sprühhalsband, um die entsprechende Aversion zu erzeugen. Diese Geräte sind aber sehr anfällig für Störungen aller Art. So verklebt häufig der Einfüllstutzen für die Druckluft oder sie können durch andere Sender wie ferngesteuerte Spielzeuge usw. ausgelöst werden. Außerdem werden Sprühhalsbänder als tierschutzrechtlich bedenklich eingestuft. Das Training müsste des Weiteren mit einer Attrappe vervollkommnet werden, damit der schlaue Hund nicht lernt, dass er nur dann nicht fressen kann, wenn das Sprühhalsband umgelegt ist und andernfalls nach Herzenslust stöbert.

Darüberhinaus ist ein solches ­Training nicht für alle Hunde geeignet. Es besteht die Gefahr, dass der aversive Reiz entweder nicht ausreichend ist und ­somit unwirksam, oder er ist zu intensiv und löst beim Hund ein Trauma aus. Solche Hunde trauen sich dann beispielsweise nicht mehr nach draußen oder weichen während des Spaziergangs aus Angst nicht mehr von der Seite ihres Menschen. Das sind ­fatale Folgen. Falls Sie sich dennoch für ein solches Training entscheiden, sollten Sie es nur sehr bedacht und gemeinsam mit einem guten Hundetrainer durchführen. Er kann am besten einschätzen, ob Ihr Hund dafür überhaupt geeignet ist, und Ihnen ggf. beim richtigen Timing helfen.

3. Anzeigen gegen Belohnung
Bei dieser Methode muss der Hund ähnlich wie beim Anti-Jagdtraining lernen, dem Menschen anzuzeigen, dass er etwas aufgestöbert hat, ohne es zu fressen oder auch nur aufzunehmen.

Nachteile: Für diese Methode ist ein langes und sorgfältiges Training nötig. Dem Hundehalter wird einiges an Fachwissen abverlangt und eine mehrwöchige Betreuung durch eine Hundeschule oder einen Trainer ist unbedingt nötig, da Dinge wie Umkonditionierung nicht einfach so geübt werden können. Eine fachkundige Anleitung ist nötig – aber es lohnt sich in jedem Fall!

Vorteile: Der Hundehalter wählt damit einen Weg, der völlig straffrei für den Hund ist. Es besteht kein Risiko, den Hund zu verängstigen oder zu traumatisieren.

Es gibt außerdem eine Reihe von sehr positiven Nebeneffekten: Das gute Verhältnis zwischen Hund und Mensch wird bei diesem Training gefördert und die Bindung optimiert, weil beide eng zusammenarbeiten. Der Hundehalter lernt außerdem viel Wissenswertes über Hundetraining im Allgemeinen und kann die Elemente auch für andere Probleme oder Ziele mit seinem Hund einsetzen. Und last but not least: Das Training ist gleichzeitig eine hervor­ragende Auslastung für Hunde.

Auch, wenn Sie zur Umsetzung einen Fachmann benötigen, möchten wir Ihnen einen Einblick geben, aus welchen Elementen ein Anti-Giftköder-Training besteht. Das Trainingsziel ist, dass der Hund die Gier und den Glauben daran verliert, dass gefundenes Futter das Beste der Welt ist. Wir müssen ihm allerdings eine lohnenswerte Alternative bieten und herausfinden, was sein absolutes Lieblingsfutter ist. Dabei wird wie folgt vorgegangen: Zuerst besorgen Sie diverse Leckereien: Verschiedene Käsesorten, Fleischwurst, Gehacktes und natürlich Leberwurst. Es darf alles dabei sein, was ein Hund verträgt und schmackhaft ist. Nun findet ein Geschmackswettbewerb statt. Dazu werden dem Hund immer zwei Leckereien zu gleichen Zeit präsentiert. Welches Stückchen nimmt er zuerst? So finden wir z.B. heraus, dass ihm Leberwurst besser als Käse schmeckt. Nun wird Leberwurst mit Gehacktem verglichen. Er entscheidet sich für Gehacktes. Als mögliches Ergebnis kommt vielleicht heraus:

1. Gehacktes
2. Leberwurst
3. Käse (Gouda)

Nun wird ein sogenannter Marker eingeführt: Wir sagen ein Wort wie „Jep!“ und geben unmittelbar darauf ein Stückchen Leberwurst (Geschmacksklasse 2). Dies wird mehrere Male wiederholt. Nun sind wir bereit für das eigentliche Training. Ein Stückchen Gouda (Geschmacksklasse 3) wird gut sichtbar auf den Boden gelegt. Wir gehen mit dem Hund daran vorbei, ohne dass er sich das Stückchen nehmen kann. In dem Moment, in dem der Hund den Käse wahrnimmt, geben wir das Markerwort. Der Hund dreht sich zu uns um und will sich die Leberwurst holen (denn das hat er ja schon gelernt: „Jep“ = Leberwurst). Zur Belohnung bekommt er jetzt nicht nur die Leberwurst, sondern hinter­her auch noch den Gouda. Dadurch lernt er, dass er nichts verpasst und er sich bei gefundenem Fressen getrost zunächst uns zuwenden kann.

Haben wir unseren Hund erfolgreich ­davon überzeugt, geht es an die sogenannte „Anzeige“. Aber wie soll der Hund uns zeigen, dass er etwas gefunden hat? Im Trainingsalltag hat sich dabei das SITZ bewährt. Das heißt, der Hund setzt sich vor das gefundene Futter und wartet bis sein Mensch bei ihm ist und ihn wieder aus dem SITZ entlässt. Natürlich bekommt er auch eine Belohnung dafür. Das A und O dabei ist aber, das Gefundene nicht mehr zu fressen. Und dies ist nun der schwierigste Teil. Um diesen Schritt umzusetzen, bedarf es möglicherweise eines Zwischenschrittes. Denn der Hund muss perfekt SITZ beherrschen, damit es im richtigen Moment abgerufen werden kann. Das bedeutet, der Hund muss in der Lage sein, sich auf ein Signal sogar während des Freilaufs und aus der Bewegung heraus hinzusetzen. Kann er das nicht – was bei vielen Hunden der Fall ist – muss dies zuerst geübt werden. Im dritten Schritt geht es darum, dass der Hund unter immer schwierigeren Bedingungen gefundenes Futter anzeigt. Dazu gehört fremdes Gelände, aber auch Futterverlockungen in der Qualität von Gehacktem. Auf diesem Trainingsweg gibt es eine Reihe von Fallstricken und individuellen Schwierigkeiten. Deshalb ist anzuraten, mit einem erfahrenen Hundetrainer zu arbeiten.

Aus unserer Trainersicht ist Variante drei trotz des hohen Trainingsaufwands die empfehlenswerte und sozusagen der „Königsweg“. Denn Nummer eins ist für richtige „Schatzsucher“ und ­„Staubsauger“ einfach nicht ausreichend sicher genug und verschlimmert möglicherweise das Verhalten des Hundes, falls das Timing, die Intensität und die Konsequenz nicht richtig umgesetzt werden. Variante zwei sehen wir aus ethischen und tierschutzrechtlichen Gründen als ungeeignet an.

Für den Notfall und bis Ihr Training abgeschlossen ist, geben wir Ihnen gerne noch eine Alternative zum Trainieren an die Hand:

1. Weitergehen: Hier lernt der Hund auf das Signal „Weiter!“ nicht stehen zu bleiben, obwohl er das eigentlich möchte, weil er interessante Dinge am Boden gefunden hat. Das Instrument kann dann hervorragend benutzt werden, wenn wir selbst etwas gesehen haben wie altes Butterbrotpapier, mögliche Giftköder oder ein Taschentuch etc. Bevor unser Hund also diesen Leckerbissen aufnimmt, fordern wir ihn zum Weitergehen und damit zum Ignorieren des Gefundenen auf. Wir können „Weiter!“ aber auch dann anwenden, wenn wir ein typisches Schnupper- oder Suchverhalten des Hundes bemerken, das uns verrät: Aha! Er hat etwas Fressbares gefunden!

2. Herausgeben: Der Hund lernt auf das Signal „Aus!“ oder „Gib!“, etwas aus dem Maul fallen zu lassen. Damit er das allerdings sicher und zuverlässig macht, muss er es gerne tun. Aus diesem Grund wird diese Übung häufig über ein Markertraining oder einen Tausch aufgebaut. Das bedeutet: Der Hund gibt uns den Gegenstand aus seinem Maul und bekommt dafür von uns ein feines Leckerchen.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Training!

Wichtige WUFF-Information

Wie erkenne ich, dass mein Hund einen Giftköder gefressen hat?
Es ist leider nicht einfach, da jeder Giftköder unterschiedlich präpariert sein und unspezifische Symptome zeigen kann. Grundsätzlich gelten jedoch, insbesondere dann, wenn Sie bemerken, dass Ihr Hund auf dem Spaziergang irgendetwas gefressen hat, die üblichen Vergiftungserscheinungen als Alarmzeichen: Hecheln, starker Durst, auffälliges Speicheln, Unruhe, Atemnot, Zittern und Er­brechen. Da verschiedene Gifte unterschiedlich lange brauchen, bis sie Wirkung zeigen, kann man allerdings hier keine Zeitangaben machen. Wie schnell ein Gift wirkt, kommt unter anderem auf die Größe, das Alter, den Stoffwechsel und den Allgemeinzustand des Hundes an. Köder mit Nägeln oder Ähnlichem sind fatal, da es meist zu spät ist, wenn sich die ersten Symptome wie Blut-spucken zeigen. Grundsätzlich sollte man bei jeglichem ungewöhnlichen Verhalten, das auf starkes Unwohlsein hindeutet, hellhörig werden und nachdenken, ob der Hund auf dem Spaziergang möglicherweise etwas gefressen hat, was er nicht sollte. Die Tierschutz­organisation PETA rät außerdem: „Bitte lassen Sie keine wertvolle Zeit vergehen und unterlassen Sie ­eigenmächtige Behandlungsver­suche, denn nur ein Tierarzt kann die ­nötigen Maßnahmen fachkundig einleiten. Die Mitnahme von Erbrochenem kann die Bestimmung des Giftes und somit eine schnellere und ­adäquatere Behandlung ermög­lichen.“

WUFF-Information

• Wertvolle Tipps zum Thema und aktuelle Meldungen über Gift­köder-Funde finden Sie unter
www.giftwarnung.info oder
www.giftkoeder-radar.com

• In dem Buch „Anti-Giftköder-Training“ (Cadmos Verlag) von Sonja Meiburg finden Interessierte wichtige Informationen.

• Einen 6-wöchigen Onlinekurs gibt es unter: www.anti-giftkoeder-training.de. Hier wird mittels Videos, Webinaren und trainerbetreutem Forum gezeigt, wie der Hund lernt, dem Halter Gefundenes zu zeigen anstatt es zu fressen.

Pdf zu diesem Artikel: giftkoeder

 

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