Gemeinsam sind (wären) wir stark! Loyalität unter Hundehaltern

Von Martina Stricker

Einen Hund zu erziehen, ist wahrlich kein Zuckerschlecken und die Anforderungen und deren Umfang an den jeweiligen Hundehalter sind so unterschiedlich wie die Charaktere der einzelnen Hunde. Sollten wir Hundemenschen das nicht eigentlich wissen und uns dementsprechend gegenseitig unterstützen, anstatt uns kritisch zu bewerten?

Es ist manchmal schon schwer zu ertragen, dass unsere Hunde in der Öffentlichkeit immer wieder unter Generalverdacht gestellt werden und selbst mancher unangeleinte Hund, sei er noch so gehorsam, argwöhnisch beäugt wird. Sogar bei Tierschützern werden unsere Gefährten meist als weniger schützenswert eingestuft als Feldhamster, Frösche, Fledermäuse & Co. Hunde gelten eher als Störenfriede denn als gleichberechtigte Mitbenutzer von Wald und Flur. Dass auch Hunde Tiere sind und eine artgerechte Haltung mit Freilauf in Mutter Natur benötigen, scheint manchmal aus dem Fokus zu geraten.

Gleiche Interessen
Wir Hundemenschen sitzen alle im gleichen Boot. Jedes Fehlverhalten eines Hundes, das möglicherweise auch noch medienwirksam dramatisiert wird, verstärkt den Argwohn der Mitbürger uns allen gegenüber. Doch wir profitieren auch vom guten Eindruck, den sorgsam sozialisierte Hunde hinterlassen. So sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass sich Hundehalter gegenseitig auf dem Weg zum wohlerzogenen Hund Hilfestellung leisten, um möglichst schnell den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Doch leider kommen Kritik und unverhohlene Ablehnung nicht selten aus den eigenen Reihen.

Unterschiedlichste Voraussetzungen
Wenn der Halter eines Berner Sennenhundes prahlt, dass sein Vierbeiner noch nie hinter einem Reh herjagte, muss das nicht unbedingt ein Indiz für dessen herausragende Erziehungsleistung sein. Vielleicht profitiert das Herrchen eher von der realistischen Selbsteinschätzung seines Hundes, das Reh niemals einholen zu können. Doch solche Statements frustrieren den Magyar Vizsla-Besitzer, der trotz fleißigem Anti-Jagd-Training noch immer keine wirklich zuverlässigen Erfolge verbuchen kann. Seinem Retriever abzugewöhnen, sich, wann immer sich eine unbeaufsichtigte Gelegenheit bietet, in einer Pfütze zu suhlen, egal ob mit Regenwasser oder sonst einer abgestandenen Brühe gefüllt, verlangt dessen Besitzer einiges ab. Hingegen kann sich der Nachbar, dessen wasserscheues Exemplar um jede feuchte Stelle einen Bogen macht und dementsprechend immer wie aus dem Ei gepellt daherkommt, wenigstens in diesem Punkt ohne eigenes Zutun entspannt zurücklehnen.

Der stark reaktive Hund benötigt wesentlich mehr Impulskontrolltraining als ein trägeres Exemplar. Diese Aufzählung ganz spezifischer Problemstellungen lässt sich ewig fortführen und zeigt, dass mancher Hundebesitzer vor wirklich großen Herausforderungen steht, während es andere vergleichsweise leicht haben.

Es bleibt immer ein Restrisiko
Hinzu kommt die Tatsache, dass das Training nie wirklich als 100 % erfolgreich und damit abgeschlossen gelten kann. Gehen wir schrittweise ein Fehlverhalten unseres Vierbeiners an, kommen wir hoffentlich irgendwann an den Punkt, zu überprüfen, ob das langwierige Üben gefruchtet hat. Und trotz aller Umsicht kann es passieren, dass die Fellnase entgegen der inzwischen begründeten Erwartung seines Menschen doch wieder rückfällig wird. Monatelang hat man, abgesichert mit einer Schleppleine, den Rückruf trainiert und sich anschließend eine Ablenkung nach der anderen gesucht, um ihn auch zu festigen. Meter für Meter wurde die Leine gekürzt und dann endlich die ersten Versuche im Freilauf gestartet, um nun doch wieder enttäuscht und frustriert hinter dem Hund herzurufen.

Deprimierende Kommentare
Was einem dann noch fehlt, sind schnippische Bemerkungen des Hundebesitzers, zu dessen Vierbeiner der eigene Hund ausbüxte. »Wenn Sie Ihren Hund nicht abrufen können, dürfen Sie ihn auch nicht ableinen!« Sicher, der »gegnerische« Hundebesitzer hat absolut recht. So etwas sollte nicht passieren. Doch hat man nicht alles getan, um genau das zu verhindern?

Wo bleibt das Verständnis?
Es geht um Lebewesen, die wir trainieren, aber eben nicht programmieren können. Der Gefahr, Mensch-Hund-Gespanne nur aufgrund eines einzigen Vorfalles und nur anhand der Erfahrungen mit dem eigenen Hund ungerecht zu beurteilen, erliegen wir nur allzu leicht.

Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es!
Wer mit seinem Hund an den Problemen arbeitet, hat Respekt verdient, selbst wenn er noch nicht am Ziel angelangt ist, selbst wenn ihm der eine oder andere Fehler dabei unterläuft. Er bemüht sich. Das allein sollte uns freundlich stimmen und Empathie aufkommen lassen. Einzig nichts zu unternehmen ist verwerflich!

Was tun?
Wie soll es nach einem Fehltritt weitergehen? Soll in obigem Beispiel der Hund den Rest seines Lebens vorsichtshalber an der Leine bleiben? Eigentlich war das Training doch bislang erfolgreich gewesen. Bewerte ich das nun Erlebte als einmaligen Ausrutscher und ignoriere ihn? Bessere ich das Training nochmals eine Zeit lang nach oder kapituliere ich endgültig, um auf der wirklich sicheren Seite zu sein und mir keine Blöße mehr geben zu müssen?

Packen wir’s an!
Wie fast immer im Leben ist der Mittelweg der richtige, wobei die Maßnahmen dem Risiko entsprechend gewählt werden müssen. Ist der Vierbeiner »nur« zum Kollegen entwischt, hat sich dort moderat verhalten und bedrängte oder gefährdete niemanden, reicht vielleicht eine, dem Charakter des Hundes angepasste, einmalige Maßregelung aus. Jagte der Vierbeiner, muss natürlich nochmals intensiv trainiert werden, bis man erneut den Eindruck hat, dass er gut abrufbar ist. Zu groß ist das Risiko, dass er sich und andere in Gefahr bringt.

Hilfe tut Not
Doch vieles an Fehlverhalten lässt sich eben alleine nicht üben und mit gutem Timing korrigieren. Um den Vierbeiner davon abzuhalten, zu Artgenossen auszubüxen, braucht es andere Hunde und deren Menschen, die nach Absprache mit dem Hundehalter reagieren oder, wenn es beispielsweise um forderndes Verhalten des Hundes geht, bewusst nicht reagieren. Doch nicht immer bietet der Familien- oder Freundeskreis genügend Trainingspartner, die das leisten können oder wollen. Zudem braucht man ab und an Menschen, die dem Hund fremd sind. Letztendlich sollte jeder Hundebesitzer bereit sein, falls erwünscht, helfend einzuspringen, loyal und mit Empathie für Hund und Halter. Vom Erfolg profitieren wir alle.

Diplomatie ist unerlässlich
Das ist aber wahrlich nicht einfach. Das Angebot zu helfen liegt auf dem schmalen Grat zwischen Besserwisserei und freundlicher Unterstützung und bedarf diplomatischen Fingerspitzengefühls. Wer schon offensichtlich kritisch auf das erlebte Fehlverhalten des fremden Hundes blickt, hat seine Chance, etwas zum Guten beizutragen, bereits verspielt. Der geplagte Hundehalter fühlt sich in die Enge getrieben und driftet gegebenenfalls in eine abwehrende Verteidigungshaltung ab. Nach dem Frust über den eigenen Hund folgt nun auch noch die Verärgerung über den »Klugscheißer«.

Wann immer es einem möglich ist, sollte man freundlich bleiben, Verständnis signalisieren und, wenn das Gegenüber darauf erleichtert reagiert, ganz vorsichtig nachfragen, ob und wie man ihm möglicherweise helfen kann, die Situation vielleicht nochmals zum Üben nachzustellen. Natürlich muss man sich an den Wünschen des Hundebesitzers orientieren. Es geht schließlich um seinen Hund. Umgekehrt sollte man versuchen, auch fremde Hundemenschen, die beim Aufeinandertreffen einen freundlichen Eindruck machen, um Unterstützung beim Training zu bitten. Schließlich attestiert man dadurch seinem Gegenüber die Fähigkeit, einen zielgerichtet unterstützen zu können, was schon eine Wertschätzung beinhaltet.

Es ist immer einen Versuch wert
Warum schaffen wir es nicht, ehrlich miteinander umzugehen, Mängel einzugestehen, aber auch verständnisvoll auf Probleme anderer zu reagieren? Der häufig benutze Ausspruch »Das hat er noch nie gemacht!« ist oft nur der hilflose Versuch, seine Schwierigkeiten zu verschleiern, weil man nicht mit Verständnis rechnet. Ohne Zweifel wird man sowohl mit dem Angebot als auch mit der Bitte um Unterstützung ab und an auf ablehnende oder selbstgefällige Hundebesitzer treffen, die sich trotz aller Freundlichkeit belästigt beziehungsweise bevormundet fühlen. Es besteht aber auch die Chance, mit Gleichgesinnten ins Gespräch zu kommen und letztendlich erfolgreicher miteinander trainieren zu können. Viele Menschen würden gerne Hilfe annehmen, trauen sich jedoch nicht, darum zu bitten. Schade eigentlich!

 

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