Neben dem Futter und dem Sozialkontakt ist die dritte Säule einer verantwortungsvollen Hundehaltung die ausreichende Bewegung des Hundes. Damit jedoch sei es bei vielen Hundehaltern nicht so gut bestellt, gut 40% würden mit ihrem Vierbeiner nicht regelmäßig Gassi gehen, so eine Studie. Was motiviert also Halter, mit ihren Hunden regelmäßig Gassi zu gehen, und was hält sie davon ab? WUFF-Herausgeber Dr. Hans Mosser hat einige Studien über dieses Thema recherchiert und deren Ergebnisse für Sie zusammengefasst.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt für Erwachsene eine körperliche Aktivität von 150 Minuten pro Woche (WHO 2016). Regelmäßig ausreichende Bewegung ist bekanntermaßen wirksam zur Vorbeugung einer Reihe von Erkrankungen, v.a. des Herz-Kreislaufsystems, aber auch von verschiedenen Krebserkrankungen. Es ist daher das Bestreben der Verantwortlichen für die öffentliche Gesundheit, Bewegung zu fördern. Den von der WHO empfohlenen Wert von 150 Minuten pro Woche, also knapp 22 Minuten täglich zu erreichen, dürfte für Hundehalter wohl kein Problem sein. Denkt man. Tatsächlich aber gehen nur 60% der Frauchen und Herrchen mit ihrem Vierbeiner regelmäßig Gassi , wie eine Auswertung von 29 Studien über körperliche Aktivität von Menschen mit und ohne Hund aufzeigt (Christian 2013). Trotzdem zeigen aber Studien insgesamt, dass Menschen mit Hund körperlich deutlich aktiver sind als Menschen, in deren Haushalt kein Hund lebt (Cutt 2007, Feng 2014, Christian 2013). Diese vermehrte Bewegung ist allerdings nur bei einem Teil der Hundehalter durch das Gassigehen bedingt. Denn immerhin gehen 40% zwar nicht regelmäßig Gassi, sind aber trotzdem körperlich aktiver als Menschen ohne Hund. Das lässt sich vielleicht dahingehend interpretieren, dass Menschen, die grundsätzlich aktiver sind, sich eher einen Hund anschaffen. Dennoch bleibt die Frage, warum gehen so viele Hundehalter mit ihrem Hund nicht regelmäßig Gassi?
Gassigehen: Was motiviert?
Dass Gassigehen in erster Linie für den Hund wichtig ist, nicht nur um sich lösen zu können, sondern auch wegen des nötigen Auslaufs, ist einsichtig. Psychologen haben in Studien herausgefunden, dass dies auch die stärkste Motivation ist. Hundehalter, die gegenüber ihrem vierbeinigen Familienmitglied ein größeres Verantwortungsbewusstsein haben, würden auch deutlich häufiger Gassi gehen und damit auch selbst zu mehr Bewegung kommen, so eine kanadische Studie (Brown 2006). Tatsächlich aber scheint der größte Motivator zum Gassigehen der Hund selbst zu sein. Er ist es, der Frauchen oder Herrchen zum Gassigehen drängt, manchmal sogar nötigt (Westgarth 2014). Für viele Hundehalter sei der Hund sogar wie ein Sport- bzw. Fitnesskamerad, d.h. sie würden ihren Halter sozial unterstützen, sich körperlich zu bewegen. Natürlich hängt dies auch vom Typus bzw. der Rasse des Hundes ab. Es gibt Hunde, die deutlich mehr Auslauf benötigen als andere. Etwas, das ohnehin jeder Hundeinteressent schon vor der Anschaffung eines Hundes in Betracht ziehen soll.
Auch wenn das Drängen des Hundes und die Einsicht des Halters in den Nutzen für seinen Vierbeiner die größten Motivatoren zu sein scheinen, gibt es noch andere wichtige Gründe, die Hundehalter zum Gassigehen motivieren oder sie davon abhalten. Einer davon ist die Umgebung. Rasch erreichbare Auslaufzonen, d.h. innerhalb eines 1,6 km-Radius von der Wohnung entfernt, erleichtern das Gassigehen, denn immerhin gehen 50–60% der Hundehalter in ihrer Wohngegend Gassi (Cutt 2008). Parks, interessante Gassiwege, beleuchtete Wege und Flächen, weite Wiesen usw. sind Parameter, die Gassigehen fördern. Auch wollen (und sollen) Hundehalter ihren Hunden Freilauf ermöglichen können (Cutt 2008, Westgarth 2014, Schneider 2015). Umzäunte Hundezonen, wie sie in vielen Städten zu finden sind, sind eher nur als Notlösung zu betrachten, weil meist zu klein und zu wenig hundegerecht strukturiert. Und – in diesen verbringen Hundehalter selbst die Zeit meist sitzend (Lee 2009).
Was hält vom Gassigehen ab?
Fehlende Auslaufmöglichkeiten oder eine unwirtliche Umgebung sind natürlich dem Gassigehen nicht gerade förderlich. In diesem Fall muss man sich die Mühe machen, solche Umgebungen aufzusuchen, ggf. längere Wege dorthin in Kauf zu nehmen oder das Auto zu benutzen. Man könnte sich auch mit anderen Hundehaltern zusammentun und gemeinsam etwas unternehmen.
Es gibt allerdings auch weitere Faktoren, die es Hundehaltern nicht gerade erleichtern, dem Bewegungsbedürfnis ihres Vierbeiners nachzukommen. So bspw. wenn ihr Hund ständig extrem an der Leine zieht oder wenn er auf entgegenkommende Personen und/oder Artgenossen sehr unfreundlich reagiert. Wenn das Gründe sind, die Gassigehen weitgehend minimieren, dann sollte Frauchen oder Herrchen unbedingt einen Hundetrainer aufsuchen, um Hilfe zur Reduzierung dieser Probleme zu bekommen. Das lohnt sich auf alle Fälle für Hund und Halter!
Gut für Hund & Halter
Hundetrainer betonen immer wieder, wie wichtig eine – an den Hundetypus angepasste – regelmäßige Bewegung des Vierbeiners ist. Hat er zu wenig davon, sind Unausgeglichenheit und durchaus auch unerwünschte Verhaltensweisen die Folge. Aber auch für den Hundehalter hat die regelmäßige Bewegung (idealerweise zusammen mit seinem Vierbeiner) positive körperliche und psychische Auswirkungen. Zahlreiche Studien beweisen dies und zeigen u.a. positive Einflüsse auf die emotionale und psychische Gesundheit (Beck 1996) oder auf das kardiovaskuläre Risiko (Levine 2013). Das geht so weit, dass Studien nachweisen können, dass Hundehalter der Gesellschaft geringere medizinische Kosten verursachen würden als Menschen ohne Hund (Headey 2007, Zheng 2010).
Gassigehen bei Schlechtwetter?
Bewegung ist also gesund, für Hund und Halter. Wie sieht es nun aber damit bei Schlechtwetter aus? Bei Regen und Kälte wird es kaum jemanden ins Freie ziehen, um gemütlich spazieren zu gehen; keinen, außer Hundehalter. Das haben auch Psychologen der Universität von Exeter, einer Stadt im Südwesten Englands, erkannt. Die Wissenschaftler interessierten sich dafür, inwieweit schlechte Wetterbedingungen (Regen, Kälte) die körperliche Aktivität von Menschen mit und ohne Hund im Vergleich zu sonnigem Wetter beeinflussen (Wu 2017). Die Ergebnisse dieser im Kasten oben beschriebenen Studie zeigen, dass sowohl bei Regen als auch bei kaltem Wetter das Bewegungsausmaß regelmäßiger, d.h. täglicher Gassigänger deutlich weniger sinkt als bei »gassifaulen« Menschen, die nicht täglich Gassi gehen, oder bei Menschen ohne Hund. Diese frönen bei schlechtem Wetter offensichtlich viel eher dem Couch potating als der Bewegung.
Interessant ist dabei jedoch, dass es nicht allein der Spaziergang der regelmäßigen Gassigeher ist, der deren vemehrte Aktivität verursacht. Zwar erhöht das Gassigehen natürlich die tägliche Bewegung, aber nicht in dem Ausmaß, dass es allein für diese Erhöhung verantwortlich ist. Dies bedeutet, dass diese Menschen sich in ihrem Alltag auch grundsätzlich mehr bewegen, also aktiver sind als gassifaule Hundehalter oder hundelose Menschen.
Diese englische Studie unterstützt somit Beobachtungen, wie sie in anderen Studien publiziert wurden. So zeigte eine Untersuchung von 428 Erwachsenen in Calgary (Kanada) auf, dass Hundehalter sich im Winter doppelt so lang spaziergehend im Freien aufhielten als Menschen ohne Hund (Lail 2011). Eine ähnliche Studie untersuchte die Besucher von sieben öffentlichen Parkanlagen in Victoria (British Columbia, Kanada) in Abhängigkeit von den Wetterbedingungen. Während bei schlechtem Wetter die Zahl der Parkbesucher ohne Hund
drastisch sank, blieb sie bei den Besuchern mit Hund annähernd gleich (Temple 2011).
Wie gassifaule Hundehalter motivieren?
Eine Studie hat nachgewiesen, dass Schuldgefühle gegenüber dem Hund kein Motivator zum Gassigehen sind (Lim 2016). Kein Wunder, denn negative Gefühle haben selten eine nachhaltige Wirkung zur Motivation. Information über die Bedeutung und den Nutzen regelmäßigen Gassigehens für den Hund hat offensichtlich eine größere Wirkung als wenn man an das schlechte Gewissen appelliert (Rhodes 2012, Richards 2016). Und je nachdem, wie stark die Bindung zum und das Verantwortungsgefühl für den Hund ausgeprägt sind, wird dieses Wissen dazu helfen, die Bereitschaft zum Gassigehen zu erhöhen. Bestimmte Gassizeiten festzulegen und diese Aktivität gegenüber anderen bewusst zu priorisieren kann ebenso wie auch soziale Aspekte (z.B. Gassigruppen, Familienspaziergang) eine gute Strategie sein, um faule Gassigeher zur guten Gewohnheit regelmäßiger Bewegung mit ihrem Hund zu motivieren. Wenn das regelmäßige Gassigehen dann tatsächlich zu einer Gewohnheit wird, ist das Ziel erreicht.
Walking in the rain …
Bei schlechtem Wetter bewegen sich Menschen seltener im Freien als bei gutem. Wissenschaftler aus England haben untersucht, ob und inwieweit dies auch auf Hundehalter zutrifft (Wu 2017).
Die Wissenschaftler untersuchten mit einem Accelerometer, der körperliche Bewegung jedweder Art in Minuten aufzeichnet, sieben Tage lang die Aktivität von 3.123 Personen (57% weiblich, 43% männlich) zwischen 49 und 91 Jahren (Durchschnitt 69,5), wovon rund 20% einen Hund im Haushalt hatten. Die Personen waren in drei Gruppen eingeteilt: 1. Hundehalter, die regelmäßig Gassi gingen (d.h. mindestens 1 Mal pro Tag), 2. Hundehalter, die dies nur gelegentlich taten (nur einige Male pro Woche) und 3. Menschen ohne Hund.
Die gemessene Zahl der Bewegungs-Minuten pro Tag wurde bei allen Studienteilnehmern mit den jeweils vorherrschenden Wetterbedingungen (v.a. Niederschlag und Außentemperatur) korreliert. Die Ergebnisse zeigten, dass die Hundehalter, die angaben, mit ihrem Hund regelmäßig Gassi zu gehen, grundsätzlich auch im Alltag mit durchschnittlich 300 Minuten (also 5 Stunden) pro Tag deutlich mehr körperliche Aktivität aufwiesen als Hundehalter, die nur gelegentlich Gassi gingen und als Menschen, die keinen Hund hatten. Zu betonen ist hier, dass die angegebenen Zeiten der körperlichen Aktivität sich auf jedwede Art von Bewegung beziehen, also auch die, welche zu Hause oder im Fitness-Studio durchgeführt wird!
Bei Regenwetter sank bei allen drei Gruppen das Ausmaß der körperlichen Aktivität, allerdings fiel diese Senkung mit 37 Minuten bei den regelmäßigen Gassigehern deutlich geringer aus als bei den beiden anderen Gruppen, deren körperliche Aktivität sich um 80 Minuten reduzierte. Die Senkung korrelierte mit dem Ausmaß des Regens und war am stärksten bei einer Niederschlagsmenge von über 2,8 mm. Leichter Nieselregen (0,2–0,6 mm Niederschlag), wie er in England bekanntermaßen recht häufig ist, hatte hingegen einen nur minimalen Einfluss auf die körperliche Aktivität aller drei Gruppen.
Und auch bei Temperaturen unter 10°C sanken die Werte der körperlichen Aktivität, aber auch hier bei den Hundehaltern mit regelmäßigem Hundespaziergang deutlich geringer als bei den beiden anderen Gruppen.
Man kann diese Ergebnisse nun dahingehend interpretieren, dass Hundehalter, die mindestens 1 Mal täglich mit ihrem Hund Gassi gehen, sich genau um diese zeitliche Gassilänge mehr bewegen als die „gassifaulen« Hundehalter bzw. hundelose Menschen. Eine genaue Analyse der Daten zeigt jedoch, dass dies nicht der Fall ist. D.h. dass der zusätzliche Spaziergang mit dem Hund zwar natürlich die tägliche Bewegung erhöht, aber nicht in dem Ausmaß, dass das Gassigehen allein für diese Erhöhung verantwortlich ist. Dies bedeutet, dass sich diese Menschen in ihrem Alltag auch grundsätzlich mehr bewegen, also aktiver sind.
Literaturquellen
Die im Artikel zitierte Literatur in alphabetischer Reihenfolge.
• Brown SG, Rhodes RE. Relationships among dog ownership and leisure-time walking in Western Canadian adults. Am J Prev Med. 2006;30:131-136.
• Christian HE et al. Dog ownership and physical activity: a review of the evidence. J Phys Act Health. 2013;10:750-759.
• Cutt H et al. Dog ownership, health and physical activity: a critical review of the literature. Health Place 2007;13:261–272.
• Cutt H et al. Encouraging physical activity through dog walking: why don’t some owners walk with their dog? Prev Med. 2008;46:120–126.
• Feng Z et al. Dog ownership and physical activity in later life: a cross-sectional observational study. Prev Med 2014;66:101–106.
• Headey B, Grabka MM. Pets and human health in Germany and Australia: national longitudinal results. Soc Indicators Res. 2007;80:297-311.
• Lail P et al. Does dog-ownership influence seasonal patterns of neighbourhood-based walking among adults? A longitudinal study. BMC Public Health 2011;11:148.
• Lee HS et al. Evaluation of off-leash dog parks in Texas and Florida: a study of use patterns, user satisfaction, and perception. Landscape Urban Planning 2009;92:314–324.
• Richards E et al. Evaluation of the Dogs, Physical Activity, and Walking intervention: a randomized controlled trial. Nurs Res. 2016;65(3):191-201.
• Rhodes RE et al. Pilot study of a dog walking randomized intervention: effects of a focus on canine exercise. Prev Med. 2012;54:309-312.
• Schneider K et al. Barriers and facilitators to dog walking in New England. Comparative Exerc Physiol. 2015;11:55-63.
• Temple V et al. Unleashing physical activity: an observational study of park use, dog walking, and physical activity. J Phys Act Health 2011;8:766–774.
• Westgarth C et al. How might we increase physical activity through dog walking? A comprehensive review of dog walking correlates. Int J Behav Nutr Phys Act. 2014;11:83.
• WHO Physical activity factsheet 2016 http://ec.europa.eu/sport/library/factsheets/uk-factsheet_en.pdf
• Wu Y et al. Dog ownership supports the maintenance of physical activity during poor weather in older English adults: cross-sectional results from the EPIC Norfolk cohort. J Epidemiol Community Health 2017;71:905-911.
• Zheng H et al. Economic evaluation of the direct healthcare cost savings resulting from the use of walking interventions to prevent coronary heart disease in Australia. Int J Health Care Finance Econ. 2010;10:187-201.
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