Französische Bulldogge

Von Liane Rauch

Herzensbrecher auf Französisch

1632 taucht in ­Großbritannien­­ erstmals der Name Bulldog auf. In einer sehr wechselhaften ­Geschichte wird aus einer ursprünglich für den Tierkampf gezüchteten Rasse ein kleiner Gesellschaftshund. In Frankreich schließlich wird aus der ursprünglichen Bonddogge, dem Bullen­beißer und dem Toy-Bulldog Großbritanniens die Französische Bulldogge. Die ­Briten waren von dieser Entwicklung nicht sonderlich begeistert, auch die Steh­ohren der früher Rosen­ohren ­tragenden Rasse fanden dort zuerst keine große Zustimmung. Heute hingegen begeistert das Französchen neben ­seinem ­Wesen gerade auch mit den ­Fledermausohren die Liebhaber der Rasse.

Zunächst möchte ich in eine Zeit entführen, die für uns fast unvorstellbar ist. In eine Zeit, in der René Descartes (1596-1650) ein Tier als „mechanischen Gegenstand“ bezeichnet und die Schreie gequälter Tiere dem Quietschen einer nicht geölten Maschine gleichsetzt. In eine Zeit mit völlig anderen Wertvorstellungen als wir sie heute kennen. Einerseits geprägt von einer fast hysterischen Religiosität und andererseits an unchristlicher Grausamkeit gegenüber Mitgeschöpfen, egal ob Mensch oder Tier, nicht zu übertreffen. Geschichtsbücher geben uns einen genauen Einblick in diese Zeit, in der die Entwicklung der sich heute völlig anders darstellenden Rasse begann.

Zurück in dunkle Zeiten ­Großbritanniens
Wir schreiben das Jahr 1500. England und das nördliche Festland kämpfen noch immer mit der Pest. Die Bevölkerungszahl Britanniens ist auf den niedrigsten Stand aller Zeiten gesunken. Noch immer leidet das Volk unter den Folgen des 100-jährigen Krieges, unzählige beschäftigungslose Söldner treiben sich auf der Insel herum. In dieser Zeit wurde erstmals eine sogenannte „Bolddogge“ oder „Bonddogge“ (vorher auch Alan oder Alouentz genannt) erwähnt. Es waren kleine missmutige und rauflustige Hunde mit kurzen Nasen, die in abscheulichen Tierkämpfen verheizt wurden. An Grausamkeit nicht zu überbieten, widersprachen diese Kämpfe, in denen Hunde gegen Bullen, Bären und Esel in den Ring geschickt wurden, dem damals vehement gepredigten Christentum.

In seinem Drama „König Heinrich IV.“ aus dem Jahr 1598 verwendet William Shakespeare noch den alten Namen Bonddogge. Nur ein Jahr später, in „Heinrich V.“, schreibt er vom Bullenbeißer. Erst 1632 taucht zum ersten Mal der noch heute verwendete Name „Bulldog“ auf. Prestwick Eaton aus San ­Sebastian bestellte in einem Brief an George ­Willingham „zwei Bulldoggen, die den Stier gut mit den Zähnen packen können …“. Im ausgehenden 16. Jahrhundert sind Kämpfe zwischen Hunden und ­Bullen noch immer eine beliebte sportliche Unterhaltung der britischen Oberschicht.

Auf dem Weg zum „Gesellschaftshund“
Königin Elisabeth I. (1533-1603) unterhielt selbst eine große Zucht von Mastiffs und Bulldoggen, die hauptsächlich in sogenannten „Bearbitings“ eingesetzt wurden. Der französische Naturwissenschaftler René ­Descartes bezeichnet Tiere in dieser Zeit als „bewegliche Sachen“. Der Philosoph gesteht ihnen keine Gefühle zu, was die Durchführung solcher Tierquälereien auch noch wissenschaftlich entschuldigte. Kämpfe zwischen Hunden wurden im Laufe des 17. Jahrhunderts immer populärer.

Erst als im Jahr 1802 in Britannien die Bullenhatz verboten wurde und das britische Parlament 1820 sogar das Verbot der Bulldoggenzucht durchsetzen wollte, verloren die Kämpfe in der Öffentlichkeit an Bedeutung. 1822 wurde in Britannien ein erstes Tierschutzgesetz erlassen, vorab jedoch nur für Großtiere wie Pferde, Kühe und Schafe. Langsam veränderte sich aber die Zucht der Bulldoggen und das Zuchtziel von bisher rauflustig und bissig hin zu einem gutmütigen kleinen Gesellschaftshund. Im Jahr 1836 wurden die ersten sogenannten „Toy-­Bulldoggen“ auf einer Hunde­ausstellung in London vorgestellt.

Mit dem endgültigen Verbot von Tierkämpfen 1858 verschwanden die Organisatoren solcher „Veranstaltungen“ aus dem öffentlichen Leben. Tier- und Hundekämpfe fanden nur noch im Verborgenen statt. Wären zu dieser Zeit nicht die Weber und Spitzenklöppler in Ost-London und Nottingham dem Charme der inzwischen sehr beliebten Gesellschaftshunderasse verfallen, gäbe es heute keine mehr.

Auszug nach Frankreich
Ab etwa 1860 verkauften britische Händler immer mehr Hunde nach Frankreich. Sehr zur Ausbreitung der Rasse auf dem Kontinent trugen auch die immer häufiger in die Gegend um Calais auswandernden britischen ­Weber und Spitzenklöppler bei. Um den spärlichen Monatslohn aufzubessern, züchteten sie die nun als Begleiter immer geschätzter werdende Rasse weiter. Bisher noch immer unter dem Namen Toy-Bulldog.

Als Erste entdeckten französische Jäger diese Hunde für die Jagd auf Dachs und Fuchs. Denn noch immer kam das alte Erbe der „Bullenbeißer“ ansatzweise durch, noch immer etwas grimmige Hunde, die herzhaft zubeißen ­konnten. Die Linien des Grafen Le Coulteux de Caumont und die „Jagdbullies“ des Georges de Geoffrey St-Hilaire fanden reißenden Absatz in der französischen Jägerschaft.

Als Graf Le Coulteux de Caumont 1870 erstmals der stehohrigen Gesellschaftsvariante ansichtig wurde, soll er empört ausgerufen haben: „Sie verderben ja die Rasse, was kann man mit solchen Hunden bei der Jagd noch ausrichten!“ Man kann also davon ausgehen, dass in dieser Zeit unabhängig voneinander zwei verschiedene Linien der „Klein-Bulldoggen“ entstanden und gezüchtet wurden. Eine der Grafen und Herzöge für die Jagd und eine der Spitzenklöppler und Weber als kleiner, anspruchsloser Gesellschaftshund. Vermischt haben sie sich anscheinend nicht, zumindest konnte ich auf meinem Weg durch die Vergangenheit dazu keine ­Hinweise finden. Dem empörten Grafen Le ­Coulteux wäre das auch sicher nicht recht gewesen. Bis 1895 wurde seine Linie in Paris noch weiter gezüchtet, was danach mit den Hunden geschah, ist nirgendwo belegt.

Die ersten tonangebenden Züchter wie z.B. Charles Roger hatten keinerlei Interesse daran, wieder das „alte Blut“ zu erhalten. Schließlich war nun ein umgänglicher Begleiter im täglichen Leben gewünscht. Im Alter von erst 14 Jahren kaufte Roger bereits seine erste Hündin, die aber bei einem Kutschenunfall tragisch ums Leben kam. Wirklich verfestigt hatte sich seine Zielvorstellung auch mit der dritten Hündin „Perpète“ noch nicht. Doch Roger gab nicht auf. Leider hinterließen die Pioniere der Zucht keine Aufzeichnungen und man kann nicht mehr nachvollziehen, was in den 1850er Jahren geschah. „Man lebt unter Seinesgleichen und schert sich keinen Deut um die Reichen, die nichts von der Hunderasse verstehen, die sie kaufen. … Man züchtet die Hunde in erster Linie für sich selbst“, schrieb Roger später über seine Zucht.

Bereits 1870 kamen mit dem Rüden „Snob“ des Prinzen von Coburg die ersten „Frenchies“ nach Österreich. Etwa zur gleichen Zeit begann die Bully-Zucht in Deutschland mit dem damals bekannten Großzüchter Max Hartenstein aus Plauen. Ein gewisser Herr Krümbock züchtete 1885 Bulldoggen in Wien, und 1898 verblüffte die erste gestromte Hündin die Wiener Gesellschaft. Das Stehohr hat sich in Österreich aber erst im Jahr 1901 durchgesetzt, vorher bevorzugte man noch das Rosenohr.

Ende der 1880er Jahre wurde der erste Verein „Terrier-Boules“ in Paris gegründet, 47 Mitglieder umfassend, ­Mitgliedsbeitrag 50 Centimes, der aufgrund der noch immer bunt zusammengewürfelten Rassefreunde mit teilweise fragwürdigen Berufen mal mehr, mal weniger pünktlich bezahlt wurde. Die ersten Zuchtbücher wurden etwa in dieser Zeit eröffnet und 1888 gab es eine erste Beschreibung der Rassemerkmale.

Überliefert ist uns eine Liste mit Züchter­namen aus bürgerlichen Kreisen. Charles Roger, wie schon erwähnt einer der tonangebenden Züchter in der Anfangszeit in Paris, warb für seinen ­Verein so „extravagante“ Mitglieder wie den Weinhändler Dupin, den Möbelschreiner Charles Petit (Beaubourg-Zwinger), den Wirt Ruffier mit Kennel de la Mare, den Pferdehändler Bernard und auch dunklere Gestalten wie Lebeau, dessen Beruf mit „Geldwäscher“ angegeben wird. „Feine Kynologen“ aus der Oberschicht, wie z.B. Jean Pierre Mégnin, werteten die „neuen Bulldoggen“ ab: „Was haben diese kleinen vierschrötigen Hunde mit den komischen Ohren neben unseren vornehmen Jagdhunden, Terriern und Pudeln zu suchen …“

Zurück nach Großbritannien: Reif für die Insel
Inzwischen aufgestiegen zum bevorzugten Begleiter der französischen Bürger­schaft, wurde die Rasse in Britannien absolut nicht mit offenen Armen empfangen. „Das ist nichts anderes als die Wiedergeburt unserer Toys. Man kann nicht sagen, er hätte sich während ­seines Aufenthalts in Frankreich zum Besseren entwickelt. Um 1890 kehrte er mit perfektem französischen Akzent zurück, mit ausgezeichneten Manieren, aber mit abscheulichen Fledermausohren und einem unangenehm vorstehenden Kiefer …“ Dies schrieb Lady Kathleen Pilking 1893 spöttisch in der britischen Kennel-Gazette über die aus Frankreich ins Vereinigte Königreich zurückkehrende Französische Bulldogge.

Doch – das muss man heute sagen – der Aufenthalt in Frankreich hat diesem jetzt so entzückenden Hund sehr gut getan. Wäre die „Bolddogge“ in Britannien geblieben, wäre diese Rasse vor über 150 Jahren wohl schon ausgestorben. Und auch der feine französische Akzent hat der Rasse sicherlich nicht geschadet.

Konkurrenzangst war, wie schon so oft in der Rassehundezucht, der Auslöser für die nun teilweise heftigen Feind­seligkeiten unter den Züchtern. Die Züchter der Toy Bullies gingen sogar so weit, einen Prozess anzustrengen, in dem sie verlangten, die Französische Bulldogge als englische Rasse anzuerkennen. Mangels eines eigenen Standards wurden die „boule dogs“ (boule, Französisch = Kugel) nämlich in der gleichen Klasse wie die englischen Bulldoggen gerichtet. Doch der streitbare Richter Mr. Krehl, der jedes Jahr in Paris auf Hundeausstellungen richtete, gewann diesen Streit. Der kleine lustige Hund durfte Franzose bleiben.

Reinzucht
Der Rüde Loupi, ein dunkelgestromter und mit 25 Pfund recht schwerer Vertreter der Rasse – gezüchtet von dem Pariser Tischler Charles Petit – gilt als Stammvater der modernen Zucht und taucht so gut wie in allen Stammbäumen auf. Mit einem Sohn von Loupi, dem auf Bildern schwarz aussehenden Rüden „Rabot de Beaubourg“, verdiente der Lumpensammler Michel Mangés, auch bekannt unter dem Namen ­Michel-le-Bancal (Michel Krummbein), ein kleines Vermögen. Er ließ seine ­Hündin Coquette von Loupi decken und gab Rabot für damals sagenhafte 3.000 Francs an andere Züchter weiter.

Die Kynologen E. Trenkle, Gebhardt und Haucke erwähnen die Einkreuzung von Terriern und dem Mops. Nur, wo kommt das Stehohr her? Vom Mops kann es nicht sein. Selbst auf uralten Bildern hat er immer hängende oder Rosenohren. Unter den Terriern haben nur die niederläufigen Kleinterrier diese strengen Stehohren, sie sind aber alle rau- oder langhaarig. Auch wenn bekannt ist, dass sich Kurzhaar dominant vererbt, würden gelegentlich langhaarige Welpen fallen. Aufgrund ausführ­licher Recherchen, die ich nun im Laufe vieler Jahre durchgeführt habe, denke ich, kann man davon ausgehen, dass es sich auch bei dieser Rasse um sehr, sehr enge Inzucht- und Inzestver­paarungen handeln dürfte, um optische Merkmale zu verfestigen.

Entgegen der verbreiteten Meinung bin ich persönlich kein großer Verfechter dieser „Querkreuzungstheorien“ unterschiedlicher Rassen. Bewiesen ist hier rein gar nichts. Vor dem 19. Jahrhundert gab es nicht wirklich eine Einheitlichkeit in der Rassehundezucht. Jede Rasse hatte ihre ganz eigenen, individuellen Merkmale. Ähnlichkeiten, falls überhaupt vorhanden, entstanden eher zufällig durch die Selektion auf Arbeitsleistung. Als die Rassehundezucht immer mehr in Richtung phänotypischer Einheitlichkeit innerhalb einer Rasse tendierte, konnte man sich das Einkreuzen optisch völlig anderer Hunde nicht mehr leisten. Es wäre ein viel zu großer Umweg zum Ziel gewesen. Ziel einer „Reinzucht“ ist es, so schnell wie möglich lauter „gleiche“ Hunde zu züchten. Ohne gnadenlose Inzest- und Inzuchtverpaarungen hätte das in so kurzer Zeit nicht funktioniert. Über die damit verursachten genetischen Probleme wusste man damals auch noch nicht Bescheid.

Heute und morgen
Der kleine Franzose hatte etwas mehr Glück als die englische Bulldogge. Er durfte einen recht beweglichen Körper behalten und ist bei Weitem nicht so schnell außer Atem wie sein englischer Verwandter. Doch ging die auf rein äußerliche Rassemerkmale gezielte Auswahl der Zuchthunde nicht spurlos am Boule vorbei. Weit verbreitet sind Gaumen-Rachen-Spalten, Wasserkopf und eingewachsene Ruten.

Doch kann man, wie so oft, nicht den Züchtern alleine die Schuld daran geben. Zu einem wesentlich größeren Teil tragen Welpenkäufer dazu bei, Rassen in einem optischen Ausmaß zu züchten, das kein normales Leben mehr zulässt. Das gilt nicht nur für die Französische Bulldogge. Wenn Hunde mit immer größeren Köpfen und Augen (Kindchenschema), Hunde mit immer kürzeren, fast nicht mehr vorhandenen Ruten gewünscht werden, werden Züchter diesen Trend auch „bedienen“. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Gerade von Liebhabern solcher Rassen sollte man aber doch denken, dass sie an der Gesundheit ihrer Hunde interessiert sind. Das Leben mit einem lustigen, vitalen Hund, der Freizeit-, Sport- und manchmal Sozialpartner sein soll, ist viel abenteuerlicher als das Leben mit einem phänotypisch perfekten Statussymbol.

„Der stämmige kleine Mann hat, weiß Gott, Besseres verdient“, schließen Gebhardt/Haucke ihre Beschreibung der Französischen ­Bulldogge. Genau so ist es.

WUFF – Information
Literaturquellen
• W. J. Stubbs – The History of the French Bulldog, 1903
• Richard Strebel – Die deutschen Hunde, 1904
• E. Trenkle – Die Französische Bulldogge, 1937
• Heiko Gebhardt und Gert Haucke – Die Sache mit dem Hund, 1990
• H. Räber, Enzyklopädie der Rassehunde, 1993

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