Der Eurasier ist eine noch recht junge Rasse, die in den 1950ern von Julius Wipfel nach einer Idee von Konrad Lorenz durch die Kreuzung von Chow-Chow, Wolfsspitz und später Samojede begründet wurde. In einem Portrait der Rasse schrieb Univ.-Prof. Dr. Kurt Kotrschal, Vorsitzender der 1997 gegründeten Internationalen Föderation für Eurasierzucht (IFEZ), einem Zusammenschluss von deutschen, österreichischen, schweizerischen und finnischen Vereinen, über die Eurasierzucht: „Oberstes Prinzip ist es, nur kerngesunde, nicht verwandte Hunde zu verpaaren" (WUFF 6/2005, S. 30 ff.).
Auf diesen Artikel des österreichischen Eurasier-Experten bezog sich die Hamburger Eurasierzüchterin Jutta Grund in ihrem Leserbrief (WUFF 3/2007), in dem sie einen Mangel an Vielfalt in der heutigen Eurasierzucht des ältesten Zuchtvereins dieser Rasse, des „Eurasier-Klub e.V., Sitz Weinheim" (EKW), konstatierte. Dies sei auf die zunehmende Verwandtschaft der heutigen Eurasier untereinander zurückzuführen, ob man das nun Linienzucht oder Engzucht nenne oder Inzucht, so die kritische Züchterin.
Eine geharnischte Reaktion der Vorsitzenden des EKW, Annelies Feder, war die Folge. In einem Leserbeitrag an WUFF wird die Kritik der Hamburger Züchterin zurückgewiesen. Es habe in den letzten Jahren keine wesentlichen Veränderungen in der Farbverteilung gegeben, und durch die gemeinsame Datenbank der international vernetzten Eurasier-Zuchtvereine würde ein Austausch von Deckrüden und Welpen möglich sein, sodass der Inzuchtkoeffizient der Eurasierpopulation sehr niedrig sei. Dass die Klubchefin – und Autorin eines Buches über Eurasier (Eurasier heute, Kynos Verlag 2000) – mit dem Leserbrief ihrer Kollegin nicht glücklich ist, zeigt sich auch in einer gewissen Polemik in Bezug auf schwarze Krallen der Eurasier oder die Verwandtschaft der Tiere (s. Kasten links).
Doch findet der Leserbrief der Hamburger Eurasierzüchterin nicht nur Kritik und Entgegnung, auch mehrere zustimmende Beiträge fanden ihren Weg in die WUFF-Gib Laut-Redaktion. So ist auch ein Vereinskollege von Annelies Feder, Johann Bucher, besorgt, dass die den Eurasier kennzeichnende phäno- und genotypische Varianz verloren gehen könnte. Die „Übermacht weniger Zwinger" würde die Situation verschlimmern, so Bucher. In dieselbe Kerbe schlägt Michael Berger aus Oranienburg, der bei zwei „produktiven und deckaktiven Zwingern" hohe Inzucht ortet und dies mit den zunehmenden Gesundheitsmängeln bei manchen Eurasiern in Verbindung bringt.
Grundsätzlich sei zwar die Rasse heute „überwiegend gesund", bemerkt Eurasierfreund Johann Bucher, empfiehlt aber, dass jeder dritte – besser jeder zweite – Wurf ein vereinsübergreifender Wurf sein sollte. Bei immerhin drei Klubs dieser Rasse allein in Deutschland und der internationalen Vernetzung, wie Annelies Feder berichtet, wären die nötigen Voraussetzungen dafür vorhanden, wenn die Ansicht Buchers von der Mehrheit der Vereinsmitglieder geteilt werden sollte. Offensichtlich wird im Klub tatsächlich heiß und erbittert diskutiert.
Denn unterschiedliche Meinungen und Ansichten wird es in Hundevereinen immer geben, das liegt in der Natur der Sache. Wenn dies aber statt in Streitereien und persönlichen Diffamierungen als offene Diskussion mit Darlegung und Begründung von Standpunkten ausgetragen wird, dann ist das meist Zeichen einer guten Vereinskultur, und die ist dem Klub allemal zu wünschen.
WUFF DISKUSSION
Unberechtigte Kritik?
Annelies Feder, die Vorsitzende des ältesten Eurasierzuchtvereins, des Eurasier-Klubs e.V., Sitz Weinheim, bezieht sich auf den Leserbrief der Hamburger Eurasierzüchterin und bezeichnet die darin getroffenen Aussagen als falsch.
Im Leserbrief heißt es: „Gab es vor Jahren graue, schwarze, auch schwarz-markene, falben-farbene, natürlich rote Eurasier, … so sind die ‘neuen’ Eurasier überwiegend rot-falben, spitzartig mit schlankerem Kopf." … Der Eurasier wird im Eurasier-Klub e.V., Sitz Weinheim (EKW), wie auch in allen anderen VDH/FCI-Vereinen nach wie vor nicht nach Farbe gezüchtet, sondern ausschließlich nach Gesundheitskriterien, Wesensfestigkeit und Langlebigkeit. Die Farbunabhängigkeit ist eine der ganz großen Stärken in der Eurasierzucht. Innerhalb der letzten 10 Jahre hat es keine nennenswerten Verschiebungen in der Farbverteilung gegeben.
Spitzartige Köpfe?
Die schmalen Köpfe der neuen Eurasier seien spitzartig? Nach Körscheinunterlagen weisen über 90% aller vorgestellten Eurasier einen Kopf entsprechend dem Standard auf.
Helle oder schwarze Krallen …
Bei den „neuen Eurasiern" würden gelegentlich helle Krallen und z.T. etwas aufgehellte Nasenspiegel auftreten, heißt es. Das gab es aber schon seit Beginn der Samojedeneinkreuzung. Ich kann dazu nur sagen: Wie schön, dass es in der Eurasierzucht keine anderen Probleme gibt. Wir können uns also mit Hingabe der Zucht von schwarzen Krallen widmen.
Familienverwandtschaft
Als Ursache der fiktiven Veränderungen wird angegeben: „Durch die Zucht mit Großmutter, Mutter, Tochter sind die Tiere zunehmend miteinander verwandt". Nun kenne ich leider keine Tochter, die nicht auch eine Mutter oder Großmutter hätte. Aus dieser biologischen Tatsache eine Inzucht abzuleiten, ist Unsinn. Fakt ist, dass der Inzuchtkoeffizient in unserer EKW-Eurasierpopulation sehr niedrig ist, belegbar durch Tatsachen aus unserer Eurasier-Datenbank.
International vernetzte Eurasierzucht
Wie schon mehrfach auch in WUFF dargestellt, ist die Eurasierzucht international vernetzt durch die „Internationale Föderation für Eurasierzucht – Weltverband für Eurasier" mit gemeinsamem Deckrüden- und Welpenaustausch und als Herzstück mit einer gemeinsamen Eurasier-Datenbank.
Annelies Feder, Vorsitzende d. EKW
D–47627 Kevelaer
WUFF DISKUSSION
Schadet Übermacht weniger Zwinger der Varianz?
WUFF-Leser J. Bucher, Mitglied des Eurasier-Klubs e.V., sieht für die Zucht Anlass zur Sorge.
Die Expertenmeinung, nach der man den Inzuchtkoeffizienten (IK) auf 10 Generationen berechnen sollte, muss man gerade bei den Eurasiern sehr ernst nehmen. Nach meinem Kenntnisstand betrachtet man aber den IK nur bis maximal Generation 6. Damit kommt man natürlich auf hervorragende Werte, unterschlägt aber, dass die wirklich zur Inzucht beitragenden Hunde in entfernteren Generationen zwar kleine Beiträge liefern, aber alleine durch die große Zahl der Beiträge in Summe einen nicht unerheblichen Anteil an Inzucht verursachen. Nach Untersuchungen an unzähligen Stammbäumen unserer Eurasier komme ich zu dem Schluss, dass Verpaarungen mit einem IK größer als 8% auf 10 Generationen auf gar keinen Fall empfohlen werden sollten.
Unsere Eurasier heute sind überwiegend gesund und in ihrer Gesamtheit nicht von den Folgen der frühen Inzucht zur Zeit der Rassegründung beeinträchtigt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Population als Ganzes gesund erhalten wird. Championzucht und die Übermacht weniger Zwinger (inklusiv deren Nachzuchten) sind dieser Absicht nicht nur wenig zuträglich, sondern verschlimmern die Situation. Die lebende Population der Eurasier europaweit ist groß genug, um Linienzucht in weiten Teilen zu vermeiden bzw. sie immer wieder zu durchbrechen. Es ist nicht verständlich, warum nicht mindestens jeder 3. Wurf (besser jeder 2.) in Deutschland nicht wenigstens ein vereinsübergreifender Wurf ist. Dass dem nicht so ist, erscheint umso unverständlicher, als die drei deutschen Vereine immer wieder ihre gute Zusammenarbeit hervorstellen. Zuchtpraktiken, die eine wie auch immer geartete Vereinheitlichung unserer Eurasier anstreben, würden das größte Gut der Rasse, die große phänotypische und genotypische Varianz, einengen und damit die Rasse als Ganzes schädigen und sind deshalb bereits im Ansatz grundsätzlich abzulehnen.
Johann Bucher
E-Mail
WUFF DISKUSSION
„Es gehört offen diskutiert!"
Eine offene Diskussion über die Eurasierzucht fordert die Hamburgerin Jutta Grund. Mit ihrem Leserbrief in WUFF 3/2007 hat die Eurasierzüchterin nun eine solche ausgelöst. Im Folgenden skizziert sie nochmals die aus Ihrer Sicht bestehenden Probleme.
Seit der Gründung der Rasse, seit Frau Baldamus und Herrn Wipfel (den maßgeblichen Rassegründern und Gestaltern), hat es immer wieder Auseinandersetzungen um die Zucht dieser Tiere gegeben, was zu der Aufspaltung der Vereine geführt hat. Heute wie zur Zeit der Gründung gibt es zu diesem Thema verschiedene Ansichten, und auch heute wie vor Jahren führen sie zu erbitterten Auseinandersetzungen.
Inzuchtkoeffizient
Dabei geht es einerseits um den Inzuchtkoeffizienten (IK): Von wie vielen Generationen soll dieser berechnet werden? Gehen wir auf 9 bis 10 Generationen zurück, muss festgestellt werden, dass ein überwiegender Teil der Tiere einen hohen IK aufweist, was bei der schmalen Ausgangsbasis nicht verwunderlich ist. Nur müsste entsprechend gegengesteuert werden. Was ist hier sinnvoll? Neueinkreuzung der Ursprungsrassen? Das würde sich immer nur auf wenige Tiere und ihre Nachkommen auswirken. Oder ist ein konsequenter Austausch mit den Eurasiern anderer Vereine auf breiter Basis erfolgversprechender, oder beides?
Linienzucht
Der nächste kritische Punkt ist die Frage der Linienzucht. Hier müsste gründlich hinterfragt werden, welche Vorteile daraus entstehen, aber auch was die negativen Folgen sein könnten. Bürden gerade wir Eurasierzüchter uns damit nicht verstärkt das Problem der Inzucht auf?
Vielfalt versus Vereinheitlichung
Wollen wir Vielfalt, oder streben wir Vereinheitlichung des äußeren Erscheinungsbildes an? Auch das ist kein spezielles Eurasierproblem, ebenso wenig wie die sog. Championzucht. Dass ich persönlich die Vielfalt unserer Tiere liebe, habe ich schon deutlich gemacht. All’ das sind Dinge, die offen diskutiert und besprochen werden müssten!
Jutta Grund
D–22337 Hamburg
WUFF DISKUSSION
Handlungsbedarf in der Eurasierzucht?
Auch der Halter von zwei Eurasiern stimmt dem kritischen Leserbrief zu und ortet beim deutschen Eurasier-Klub e.V. Handlungsbedarf.
Ich halte zwei Eurasier-Rüden (6 und 1 1⁄2 Jahre alt) aus der Zucht des Eurasier-Klubs e.V. und habe leider die Erkenntnis gewinnen müssen, dass gravierende, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch genetisch determinierte Gesundheitsmängel wie Schilddrüsen-Fehlfunktionen, fehlende Zahnanlagen und Totgeburten bzw. nicht überlebensfähige Welpen zunehmend und in Besorgnis erregendem Umfang vorzukommen scheinen. Ich verbinde in erster Linie zwei ungemein „produktive" und deckaktive Zwinger, bei denen wohl bei einzelnen Würfen ein Inzuchtkoeffizient von größer als zehn (!) durchaus vorkommen kann, mit dieser Entwicklung.
Leider wird jegliche statistische Erfassung dieser Probleme abgelehnt. Sachbezogene Diskussionsansätze, ja selbst einfach nur der Versuch eines Erfahrungsaustausches, wird als „rasse-„ bzw. "vereinsschädigend" stigmatisiert und mit zum Teil überaus befremdlichen Methoden – bis hin zum Vereinsausschluss – sanktioniert. … So fällt es dann relativ leicht, Probleme totzuschweigen, als nicht existent zu qualifizieren oder einfach ins Lächerliche zu ziehen.
Es genügt aber nicht, sich bei dieser relativ jungen Rasse HD-fixiert zu verhalten. Die erfreuliche Tatsache, dass HD zum Glück beim Eurasier (noch) kein ernsthaftes Problem ist, sollte kein Feigenblatt für eine Vogel-Strauß-Politik sein, nach der man sich entspannt und zurücklehnt und warnende Stimmen – die sich in letzter Zeit deutlich mehren – einfach als „unwissend und uninformiert" abqualifiziert. Fände dieser Zuchtverein nicht innerhalb kürzester Zeit zu einem anderen, offenen und sachgerechten Handeln, befürchtete ich, dass diese herrliche Rasse in wenigen Jahren völlig kaputtgezüchtet sein könnte.
Michael Berger
D–16515 Oranienburg