Eine Frau, ein kleiner Hund, ein Auto und viele Tausende Kilometer vor sich. Das sind die Zutaten für eine erlebnisreiche Reise. In WUFF 5/2014 berichteten wir über die Wienerin Gabriele Binder und ihren Weg nach Norden. In diesem Artikel geht es um den zweiten Teil der Reise, der die reiselustige Frau in das Land der Sami bringt.
Gemeinsam mit meinen felligen Mitbewohnern, Zwergpinscher Nini, dem alten Spaniel Buddy und der Katze Heidi, wohne ich im Wienerwald. Meine Passion ist es, in andere Länder zu reisen, neue Landschaftsbilder zu sehen und andere Kulturkreise kennenzulernen. Diese Reisen genieße ich besonders, wenn einer meiner 4-Beiner mich dabei begleitet. So war es auch im Juli 2013, als ich mit Nini zu meinen zwei Reisezielen, dem Nordkap und Lappland – dem Land der Sami, unterwegs war.
Nini und ich begannen die Fahrt am 2. Juli 2013. Über Deutschland, Dänemark und entlang der Westküste Norwegens erreichten wir nach 5.534 Kilometern und 87 Stunden Fahrzeit am 15. Juli das Nordkap (siehe WUFF-Artikel in Heft 5/14). Die Witterung ließ es nicht zu, die Mitternachssonne am nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes zu sehen. Nach einem Tag vergeblichen Wartens auf passendes Wetter verließen wir das Nordkap und begannen den zweiten Teil der Reise: das Land der Sami kennenzulernen.
15. – 18. Juli: 766 gefahrene Kilometer, 14 Stunden Fahrzeit
Wir sind am nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes. Die Landschaft sieht aus, als wäre man irgendwo im Hochgebirge, dabei ist hier alles fast auf Meeresniveau. Eine kahle Landschaft, keine Bäume, keine Blumen. In der nahen Stadt Nordvagen wohnen nur wenige Menschen. Ich frage mich, wovon die leben und ob die von dort nie weg wollen. Bevor wir dem Nordkap den Rücken kehren spiele ich noch mit Nini. Bei der Übung „Rollmops“ präsentiert Nini ihr Bäuchlein, das zu meinem Schrecken voll roter kreisförmiger Flecken ist. Der nächste Tierarzt ist im 300 km entfernten Lakselv. Nini scheint der Ausschlag nicht zu stören, denn auf dem Weg zum Tierarzt, bei einem Spaziergang zu den Trollen in Trollheimsund, findet Nini den Kadaver eines verendeten Schafes und wälzt sich genüsslich darin.
300 km zum Tierarzt
Wir erreichen Lakselv und die ansässige Tierärztin, eine Deutsche, ist tatsächlich der einzige Veterinär im Umkreis von ca. 300 km für Kleintiere. Ninis Ausschlag wird als Reaktion auf Mückenstiche, der von alleine abklingen wird, diagnostiziert. Der Tierarztbesuch erleichtert mich um 300 NOK (norwegische Kronen – ca. 40 Euro), aber ich bin beruhigt, dass Nini nicht ernsthaft krank ist. Wir setzen die Fahrt fort und erreichen den Samiort Karasjok, in dem die Sami ein eigenes Parlament haben. Im örtlichen Sami Kulturpark, ein Museumspark, lerne ich eine blonde, bildhübsche junge Sami kennen. Gerne erzählt sie mir über ihre eigenen Erfahrungen, in der heutigen Zeit sich zu ihrem Ursprung zu bekennen. Sie ist traurig, dass es den Ureinwohnern des Landes verboten ist, IHR Lied, eine Art Nationalgesang der Sami, öffentlich zu singen oder im Radio zu spielen. Auch das öffentliche Ausüben ihrer Religion, der Glaube an Geister und Götter, ist verboten. Die Sprache der Sami wird jedoch bereits wieder an öffentlichen Schulen unterrichtet. Die junge Frau erzählt weiter, dass sie angepöbelt wird, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre Tracht trägt. Trotzdem ist sie stolz auf ihre Herkunft und ist zuversichtlich, dass die Sami wieder als eigenständige ethnische Gruppe geachtet werden.
Ein Rundgang im Museum informiert über das Leben der Sami von der Vergangenheit bis zur Gegenwart und zeigt unter anderem die verschiedenen Samitrachten, die mich an die Kleidung der Ungarn und Bulgaren erinnern. Da der Ort Karasjok sich für die Herstellung der Jagdmesser der Sami rühmt, erstehe ich ein Original Sami-Messer als Souvenir. Später erfahre ich, dass der Stahl aus Deutschland importiert ist, die Form des Messers in Schweden vorgegeben wurde und das Holz für den Griff aus Norwegen (oft auch aus Russland) stammt. In Karasjok wurde dann der Griff hergestellt und das Messer zusammengesetzt. Ich fahre einen Umweg zu einer Häuseransammlung mit dem Namen Maze, die im Reiseführer ebenfalls als einer der wichtigsten Orte der Sami beschrieben wird. Leider erweist sich dieses „Samizentrum“ als kleine Ansiedlung mit geschlossenen Läden.
Etwas enttäuscht von dem unnötigen Umweg setze ich die Fahrt auf der L92 Richtung Kautokeino, einem weiteren Hauptort im Land der Sami, fort. Um 22 Uhr hat es nur noch 8 Grad, was allerdings die skandinavischen Moskitos nicht stört. Aber die Strähne der Unannehmlichkeiten reißt ab. Ich habe das außerordentliche Glück, die Mitternachtssonne auf einem fast wolkenlosen Himmel bewundern zu können. Es ist beeindruckend, die Sonne in der Himmelsrichtung Norden zu sehen und noch beeindruckender die Stimmung, wenn die Sonne wieder „aufgeht“.
Wohnen im Auto
Wie auf der gesamten Reise nächtigen wir wieder im Auto, gemeinsam im Daunenschlafsack eingekuschelt. Die Ladefläche meines Kombis misst 2 Meter – mehr als genug Platz für Nini und mich. Auch wenn Hunde in Hotels und kleine Pensionen, manchmal auch ohne Mehrkosten, mitgenommen werden dürfen, so spart das Schlafen im Auto nicht nur die Kosten der Nächtigung (pro Nacht mit Frühstück im Schnitt 70,- Euro), sondern auch die Suche nach einem passenden Quartier.
Den darauf folgenden Tag verbringe ich mit dem Besuch der berühmten Jul´s Silberschmiede, in die Nini auch hinein darf. Die Silberschmiede gehört einer vor 35 Jahren immigrierten deutschen Künstlerin. Ich berichte ihr über meine Reiseerfahrungen. Ich erzähle, dass sich die junge Sami in Karasjok mit mir unterhalten und mir so viel über deren Sitten und Gebräuche erzählt hat. Die Deutsche ist darüber sehr überrascht, denn ihrer Erfahrung nach sind Sami gegenüber „Fremden“ zurückhaltend. Ich freue mich nachträglich, dass ich das Glück hatte, so aufgeschlossenen jungen Einheimischen begegnet zu sein. Mir bleiben die Sami als freundliche und hilfsbereite Menschen in Erinnerung. Auch bei der Suche nach einem Führer für einen Ausflug zum Kautekeno-Fluss sind sie mir behilflich. Der Angelausflug mit einem Sami-Guide ist erfolgreich (in kürzester Zeit fange ich 2 kleine Fische) und es macht trotz der Millionen Moskitos, die mich während des Angelns ordentlich stechen, Spaß. Am Ende des Tages verlassen wir diesen kleinen Ort und damit auch Norwegen. Die Straße, die wir weiter in Richtung Finnland fahren, führt durch endlos erscheinende Wälder. Es scheint, als gibt es in diesem Teil Skandinaviens außer Bäumen – nur Bäume. Menschenleer, kein Haus, keine Tankstelle – gar nichts. Der Begriff „dünn besiedelt“ wurde offenbar bei der Betrachtung dieses Teils Norwegens und Finnlands geschaffen.
Den Beamten an der norwegisch-finnischen Grenze interessiert es in keiner Weise, dass ich einen Hund dabei habe, und er fragt auch nicht nach Ninis Impfpass. Die Formalitäten des Taxrefunds sind rasch erledigt. Ich finde es erstaunlich, dass die Stelle für Steuerrefundierung sich erst 15 km nach der Grenze befindet. Noch größer ist mein Erstaunen, dass ein Souvenirladen gleichzeitig als Stelle für Steuerrückzahlung dient. Tatsächlich erhalte ich an der Kasse des Ladens die in Norwegen bezahlte Umsatzsteuer der Souvenirs bar in Euro rückerstattet.
19. – 21. Juli, 1.277 gefahrene Kilometer, 17 Stunden Fahrzeit
Auf der L 955, durch malerische Natur, Natur und nochmals Natur, ist die einzige Abwechslung ein Rentier, das auf der Fahrbahn vor meinem Auto hergaloppiert, bevor es in den Wald läuft. Nach 150 km Schotterstraße erreichen wir die Stadt Inari mit der Siida. Die Siida ist das neu erbaute Museum mit unglaublich vielen Hightech-Displays und Informationen über Skandinaviens Kultur, die Sami, über tierische und pflanzliche Lebensformen nördlich des Polarkreises.
Dieser aufschlussreiche Besuch im Zentrum der Sami-Kultur rundet für mich die Darstellung über das Leben der Bewohner Lapplands von früher und heute ab.
Während meines Museumsbesuches bleibt Nini im Auto. Als Ausgleich für die Wartezeit unternehmen wir einen ausgedehnten Spaziergang entlang des malerischen Flusses, der in den Inari-Lake, den heiligen See der Sami mündet. Der Pfad führt an einer Schule vorbei, wobei die Bezeichnung „Inari Schule“ mit Metallbuchstaben in vier verschiedenen Sprachen, offenbar in Finnisch und in 3 der 9 verschiedenen Sami-Dialekte, an dem Gebäude angebracht ist. Diese mehrsprachige Bezeichnung ist mir auch bei Ortstafeln aufgefallen. Nach dem Spaziergang genießen wir eine Motorbootfahrt auf dem Inari-See, die uns zum heiligen Felsen der Sami in der Mitte des Sees führt. Bei einem kleinen Rundgang auf diesem Felsen hat man einen schönen Ausblick auf die gesamte Seelandschaft.
Besuch einer Husky-Farm
Wir fahren weiter in südlicher Richtung. Ich entdecke ein Straßenschild, das zu einer Husky-Farm führt. Neugierig besuche ich diese Farm. Ich bin entsetzt. Ca. 50 Hunde sind neben einander an ca. 2 m langen Ketten angebunden, wobei eine Holzhütte, die auf einer Palette steht, als Behausung dient. Außer der Zeit, in der sie vor den Schlitten gespannt sind, verbringen sie den Rest ihres Lebens ausschließlich in diesem Zustand. Für mich nicht nachvollziehbar, dass hier der Tierschutz nicht eingreift.
Bei dieser Art der Hundehaltung erscheint mir sogar noch die Methode der Sami, ihren Hunden ein großes Holzscheit, bzw. früher einen großen Rentierknochen, am Halsband zu befestigen und sie dadurch am Davonlaufen zu hindern, noch human.
Wir fahren weiter in Richtung Rovaniemi und nächtigen an einem idyllischen Stausee, Es wird langsam merklich wärmer, und obwohl es regnet, hat es am Morgen bereits 14 Grad. Auf der Weiterfahrt zeigt das Außenthermometer 19,5 Grad und ich schalte erstmals in diesem Sommerurlaub die Klimaanlage ein.
Besuch beim Weihnachtsmann
Unser nächstes Ziel, Santa Claus Village, der „Wohnort“ des Santa Claus, versetzt uns allerdings wieder in den Winter: unfassbar, aber wahr. Es ist wie in Disneyland: eine künstlich geschaffene kleine Stadt für den Weihnachtsmann mit Weihnachtsdekoration, Christbaumschmuck und Weihnachtsliedern. Und all das Mitte Juli! Den Besuch bei Santa und dessen Elfen finde ich lustig (und teuer), Nini hingegen ist durch den langen Bart und die großen Schuhe des Weihnachtsmannes etwas verunsichert.
22. – 24. Juli, 2.034 gefahrene Kilometer, 23,6 Stunden Fahrzeit
Es geht weiter Richtung Stockholm und die Landschaft neben der Straße erinnert an die Heimat: eng, viele Baustellen, viele Nadelbäume, Birken, kleine Wohnhäuser am Straßenrand und Regen. In Örnsekölsvik nehme ich einen Anhalter, einen jungen Schweden mit. Er will nach Malmö und kommt soeben aus der Stadt Jokkmokk. Er erzählt, dass dort eine australische Firma eine Industrieanlage zur Ölgewinnung errichtet. Dieses Großprojekt stellt einen verheerenden Eingriff in das umliegende Ökosystem dar. Um dieses wertvolle Stück Natur zu schützen und den Bau der Industrieanlage zu verhindern, haben Sami die Baustelle besetzt und er (der Autostopper) hat an dieser Baustellenbesetzung teilgenommen. Die Fahrzeit der 547 km nach Stockholm vergeht schnell. An der Grenze lässt die IKEA-Leuchtreklame keinen Zweifel, dass wir Finnland verlassen und Schweden erreicht haben.
In Stockholm regnet es. Ich lasse das Auto in einem Parkhaus stehen und starte mit Nini eine Sightseeingtour mit dem Hop On-Hop Off-Bus. Wie in ganz Skandinavien ist die Mitnahme von Hunden in Lokale und Geschäfte, in denen Lebensmittel verkauft werden, also auch in Restaurants, verboten. Daher verstecke ich Nini beim Besuch der bekannten Markthalle, in der vorwiegend schwedische kulinarische Spezialitäten verkauft werden, in ihrer Tasche, denn Hunde müssen auch hier draußen bleiben. Was für ein schöner Vorteil, dass Nini so ein Zwerg ist. Nach einem gemütlichen Spaziergang durch Stockholm und um 50,- Euro Parkgebühr ärmer fahren wir auf der Europastraße Nr. 4 über die Brücke in der Nähe Malmös nach Kopenhagen. Mir fällt auf, dass man wieder den Mond sehen kann, es eine Dämmerung und es wieder Dunkelheit gibt. Es ist vorbei mit taghellen Nächten.
In Kopenhagen machen wir eine Fahrt mit einem Touristenboot. Bei der Bootsrundfahrt in den Kanälen sieht man die kleine Meerjungfrau und viele sehenswerte Gebäude der Stadt. Mit 33 Grad ist es für uns der erste heiße Sommertag. Wir bummeln durch die Altstadt und lassen unsere wunderbare Reise durch Skandinavien bei einem kühlen Bier in einem Straßencafé an einem der Kanäle ausklingen.