Eine Frage des Alters: Der richtige Hund im richtigen Alter

Von Martina Bartl

Ist die Entscheidung für einen Hund gefallen und sind Größe, Rasse sowie vielleicht Geschlecht schon eingegrenzt, dann sollte der zukünftige Halter auch über das richtige Alter des Hundes nachdenken.

Hana und René E. sowie deren Söhne Sebastian (15) und Patrick (13) wollen ihre Familie durch einen Hund erweitern, »weil mit einem Hund die Familie erst so richtig komplett ist«, so Mutter Hana. »Wir sind sehr aktiv und wünschen uns ein weiteres aktives Familienmitglied. Für unsere pubertierenden Buben wäre ein Hund zudem ein guter Lehrmeister was Verantwortung und Respekt betrifft.« Eigentlich hätte es ein Welpe werden sollen: »Wir wollten sicher gehen, denn ein Welpe bringt nicht schon ein ,Päckchen‘ mit und hat noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Wir haben uns aber dann doch noch von Hundetrainerin Kathrin Ederer beraten lassen, und da ist uns schnell klar geworden, dass ein bereits erwachsener Hund viel besser zu uns passen würde. Außerdem wollen wir einem Hund ein schönes Zuhause bieten, der schon irgendwo auf uns wartet und eine neue Chance verdient«, erzählt Mutter Hana.

Familie E. aus dem Burgenland hat zum Glück nicht dem ersten Impuls nachgegeben und sich einen Welpen geholt, sondern – so wie es im Idealfall jeder zukünftige Hundehalter tun sollte – sich von einem Profi beraten lassen und von guten Argumenten für einen bereits erwachsenen Hund überzeugen lassen. Denn schlussendlich spielen nicht nur Rasse, Größe und Geschlecht eine wichtige Rolle bei der Wahl des Hundes, er sollte auch das richtige Alter haben. Auch wenn Welpen wahre Herzensbrecher sind und ihnen kaum jemand widerstehen kann – ein adulter Hund hat viele Vorzüge.

Ein ausgewachsener Hund wickelt Erwachsene wie Kinder nicht mit seinem Welpen-Charme um den Finger, sondern zeigt klar, wer und wie er ist. So kann der neue Halter bzw. die ganze Familie objektiv beurteilen, ob der Hund zu einem bzw. zur Familie passt und ob die Chemie stimmt. Der erwachsene Hund hat außerdem die Reife, klar zu zeigen, ob er sich bei seinem neuen Menschen oder seiner neuen Familie wohlfühlt. Die meisten Welpen sind neugierig, menschenfreundlich und verspielt und lassen sich keine Chance entgehen, sich in das Herz eines Hundefreundes einzuschmeicheln – man sollte jedoch nie vergessen, dass die Entscheidung für einen Hund nicht allein eine Herzensangelegenheit sein darf, sondern auch der Kopf muss mitentscheiden dürfen. Dann werden der/die Halter und der Hund auch auf Dauer glücklich.

Definieren, was man sich wünscht
»Wir sind eine sportlich aktive Familie und wollen unseren Hund gleich in unser Leben integrieren«, definiert Hana E. ihre Vorstellung vom idealen Hund. Schon deshalb wäre ein Welpe für diese Familie ungeeignet, denn: »Ein Welpe braucht viel Schlaf, man muss auf seine körperliche und geistige Entwicklung Rücksicht nehmen und darf ihn keinesfalls überfordern. Besonders Welpen, die noch nicht stubenrein sind und noch nichts kennengelernt haben, sind in den ersten Wochen bzw. Monaten eine echte Herausforderung für den Halter. Genau das wird meistens besonders von Ersthundehaltern völlig unterschätzt. Oft liegen dann die Nerven blank, und die Halter sind überfordert und frustriert,« weiß Hundetrainerin Kathrin Ederer aus Erfahrung. Klar ist auch, dass es unter Umständen lange dauert, bis der Junghund allein bleiben kann. Wer berufstätig ist und/oder unausweichlich regelmäßig für ein paar Stunden mal nicht zu Hause ist, sollte in jedem Fall einen erwachsenen Hund wählen, bei dem sicher ist, dass er gut allein bleiben kann.

Besonders wenn Kinder in der Familie leben, hat der adulte Hund einen großen Vorteil gegenüber dem Welpen: »Wir haben zwei Teenager, und uns ist wichtig, dass der Hund auf jeden Fall mit Kindern bzw. Jugendlichen gut zurechtkommt«, definiert Hana eine weitere Anforderung an den Hund. Das – und die Verträglichkeit mit eventuell im Haus lebenden Katzen oder anderen Kleintieren – kann beim erwachsenen Hund im Vorfeld gut abgeklärt werden. Nach dem Gespräch mit Kathrin Ederer wurde Hana E. auch klar, »dass es für einen Welpen wahrscheinlich suboptimal wäre, in einem Haushalt aufzuwachsen, in dem es schon mal sehr turbulent zugeht.« Damit spricht die Mutter einen weiteren wichtigen Punkt an, denn für einen Welpen kann ein Umfeld, in dem er nie zur Ruhe kommen kann, Stress pur bedeuten und seine charakterliche Entwicklung in eine falsche Richtung lenken.

Sportler oder Couchpotato?
Sie sind sportlich aktiv und wollen, dass Ihr Hund Sie bei Ihren Aktivitäten begleitet? Oder sind Sie eher gemütlich unterwegs und suchen nach einem Partner, der im Alltag an Ihrer Seite ist und keine großen Ansprüche an geistige und/oder körperliche Auslastung stellt? Auch wenn viele Welpen, rassebedingt oder durch ihren Körperbau, schon auf ihr zukünftiges Potenzial als Sportler oder Couchpotato schließen lassen, sicher beurteilt kann das nur beim erwachsenen Hund werden. Ein weiteres Pro adulter Hund, wenn man vermeiden möchte, dass sich das vermeintliche Energiebündel als Stubenhocker entpuppt. Oder umgekehrt aus dem liebgewonnenen ruhigen Welpen ein Duracell-Häschen mit Power ohne Ende wird. In beiden Fällen wird man als Halter auf die Dauer nicht glücklich mit dem neuen Partner und umgekehrt der Hund auch nicht. Oft landen diese Hunde im Tierheim oder finden – wenn sie Glück haben – einen neuen Platz, der besser passt. Die Trennung und Entscheidung, einen Hund, den man schon seit Welpenalter hat, wieder abzugeben, ist nicht leicht – ist aber in jedem Fall besser, als sich und den Hund zu einem Zusammenleben zu zwingen, in dem beide Seiten nicht wirklich glücklich sind und ihre Bedürfnisse nicht voll ausleben können.

Keine Überraschungen bei der Größe
Gegen eine Abgabe ihres Hundes hat sich schlussendlich Nina M. aus Wien entschieden, die vor einem ähnlichen Dilemma stand: »Ich wollte mir mit einem kleinen, süßen Hund einen großen Wunsch erfüllen. Ich hatte Zeit und wusste, worauf ich mich einlasse, wenn ich mir einen Welpen nehme. Wichtig war mir jedoch, dass es ein kleiner Hund sein sollte. Bis ca. 25 cm groß und etwa vier Kilogramm schwer – ob Rassehund oder Mischling war mir egal. Im Internet fand ich eine Anzeige mit Zwergspitz-Mischlingswelpen. Die Beschreibung ließ vermuten, dass diese Hunde ziemlich genau meinem Suchprofil entsprachen. Bei meinem Besuch suchte ich mir auch nicht den größten Welpen aus. Ein Jahr später war Bienchen jedoch 40 cm groß, also um einiges größer, als ich es mir gewünscht hatte. Ich habe Bienchen behalten, weil sie sonst wirklich der ideale Partner für mich ist. Der Wunsch nach einem kleineren Hund ist aber noch immer da – und den werde ich mir auch erfüllen.« Der umgekehrte Fall kann ebenso eintreten: Wenn man beim Welpen davon ausgehen kann, dass er ein richtig großer Brocken wird und er am Ende doch nicht die erhoffte Größe hat. Da hat der adulte Hund einmal mehr die Nase vorne: Er ist ausgewachsen und wie groß er wird, ist somit keine Überraschung mehr.

Ihren Wunsch nach einem kleinen Hund hat sich Nina M. mittlerweile auch erfüllt – diesmal jedoch ohne das Risiko einzugehen, dass der Hund wieder zu groß wird. »Blümchen habe ich mir aus dem Tierheim geholt, und sie war bereits ausgewachsen. Sie ist mit 23 cm genau richtig – und wie Bienchen ein wahrer Schatz. Die zwei Hündinnen kommen auch wirklich gut miteinander aus, das war mir natürlich auch wichtig, und das konnte ich im Vorfeld gut abklären. Die Mädchen haben sich zuerst ein paar Mal auf der Hundewiese getroffen und schon beim ersten Mal total entzückend miteinander gespielt. Sie waren eigentlich von der ersten Begegnung an ein Herz und eine Seele. Also habe ich Blümchen zu mir geholt und es keinen Tag bereut. Und wer weiß, vielleicht dürfen sie ja eines Tages auch einmal meinen nächsten Hund miterziehen – so brav wie die zwei sind, wären sie ein super Vorbild für einen Welpen oder Junghund.«

Professor Hund
Hunde sind aber nicht nur untereinander gute Lehrmeister. Gerade ein erwachsener, bereits gut erzogener und gut sozialisierter Hund kann für Ersthundehalter der ideale Einstieg in ein Leben mit Hund sein. Beim ersten Hund werden vom Halter – unbewusst und ungewollt – oft Fehler gemacht etwa bei der Erziehung, beim Gesundheitsmanagement oder der Sozialisierung. Ein adulter Hund ist wesentlich toleranter als ein Welpe oder Junghund, denn sein Charakter ist in der Regel so gut gefestigt, dass er Erziehungsfehler eher verzeiht als jüngere Artgenossen. Die Betreuer bei der Abgabestelle oder die vorigen Halter eines erwachsenen Hundes können meistens sehr gut Auskunft geben, wie es um den Charakter des Hundes bestellt ist, wissen um eventuelle Schwächen oder Angstsituationen – ebenfalls ein Plus des adulten Hundes, weil man sich so nicht die sprichwörtliche Katze im Sack ins Haus holt.

Auch in gesundheitlicher Hinsicht können einige Anfängerfehler vermieden werden: Erstlingshalter erkennen oft nicht, wenn sich ein Welpe selber überschätzt und weit über das, was ihm gesundheitlich guttut, herumtollt, spielt, hochspringt usw. Und gerade solche Fehler in den ersten Lebensmonaten eines Hundes können später gravierende gesundheitliche Folgen haben. Beim erwachsenen Hund kann man nach einem tierärztlichen Check viele gesundheitliche Probleme ausschließen. Und findet der Tierarzt doch etwas, dann weiß man wenigstens, womit man es zu tun hat und kann sich darauf einstellen oder sich – wenn es gar nicht anders geht und schwerfällt – noch gegen den Hund entscheiden.

Gleich und gleich gesellt sich gerne
Last but not least gibt es noch die Best Ager – unter den Menschen und den Hunden –, die ideal zueinander passen. Viele ältere Menschen wünschen sich einen Hund, trauen sich aber nicht, einen anzuschaffen. Sie befürchten, dass sie den Ansprüchen eines Hundes nicht mehr gerecht werden. Und angesichts der hohen Ansprüche, die Welpen oder auch Junghunde an ihre Halter stellen, ist diese Unsicherheit auch durchaus berechtigt. Ein Hund im letzten Drittel seines Lebens kann aber in vielerlei Hinsicht der ideale Partner für ältere Menschen sein. Ein Hund hält geistig und körperlich fit, kann bis zu einem gewissen Grad der Vereinsamung entgegenwirken und bringt Struktur und Abwechslung in den vielleicht etwas langweilig gewordenen Alltag seines älteren Frauchens oder Herrchens.

Umgekehrt lebt der Hund bei einem Menschen, der Verständnis für all die altersbedingten Wehwehchen des Hundes aufbringt und Zeit hat, diese zu versorgen und zu pflegen. Zudem kann – wenn es notwendig wird – der Alltag soweit entschleunigt werden, dass der Hund noch immer gut mithalten, ein altersgemäßes Rentnerdasein führen und in einem liebevollen Umfeld seinen Lebensabend verbringen kann.
Auch wenn die Liste der hier angeführten Pros für den erwachsenen Hund lang ist, ist natürlich – wenn man sich der Aufgabe bewusst ist und die Rahmenbedingungen passen – gegen die Entscheidung, dass ein Welpe einziehen soll, nichts einzuwenden – vielleicht sogar als Zweithund zum bereits vorhandenen erwachsenen Hund.

Was Hänschen nicht lernt …

… lernt Hans nimmermehr – dieser bekannte Spruch ist vermutlich der Grund, warum viele Menschen glauben, dass ein älterer Hund nichts mehr lernen kann und/oder eventuelle Verhaltensprobleme nicht korrigiert werden können. »Leider hält sich die Mär, dass man einen älteren/erwachsenen Hund nicht mehr ändern kann, hartnäckig. Doch das ist ein Irrglaube. Ein Hund braucht Sicherheit und ein Rudel/eine Familie, das/die ihm eine Struktur gibt. Natürlich gibt es immer wieder Hunde, die schlechte Erfahrungen gemacht haben. Doch das wissen die Betreuer der Abgabestellen, und meist wurden die Verhaltensprobleme bereits korrigiert. Die Betreuer arbeiten oft mit Hundetrainern zusammen, die in der Regel gut beurteilen können, in wie weit sich das Problemverhalten des Hundes korrigieren lässt. Wichtig bei der Adoption eines Hundes wäre, dass sich die Hundehalter vorher informieren, Trainer zu Rate ziehen oder Kurse besuchen, um die Welt, in der ein Hund lebt, zu verstehen. Was Menschen nur allzu oft vergessen: Hunde leben im Hier und Jetzt und passen sich dadurch in der Regel gut und schnell einer neuen Situation an,« möchte Kathrin Ederer, Hundetrainerin aus Mattersburg (www.dogscouch.at), diesen Irrglauben aus der Welt schaffen.

Und mit einem zweiten Irrglauben möchte Kathrin Ederer auch noch aufräumen: »Es kommt immer wieder vor, dass Menschen denken, sie bauen nur zu einem Welpen eine innige Bindung auf, da sie ihn von Anfang an kennen. Doch die Bindung zwischen Mensch und Hund hat nichts mit dem Alter des Hundes zu tun. Um eine vertrauensvolle, enge Bindung zum Hund aufzubauen muss der Halter, wie bereits oben erwähnt, dem Hund Sicherheit geben, auf dessen Bedürfnisse eingehen, ihm ein Partner sein, der ihn entsprechend seinen Anforderungen körperlich und geistig auslastet, ihm Zuwendung schenkt sowie Grenzen und Regeln aufstellt. Die Bindung zu einem Hund entsteht nicht einfach so, daran muss man arbeiten – egal ob beim Welpen oder erwachsenen Hund.«

Pdf zu diesem Artikel: welpe_senior

 

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