Ein Pilger auf vier Pfoten

Von Claudio Honsal

Es war eine sehr außergewöhnliche Pilgerreise, die da ein Fotograf, sein Hund und ein Autor unternommen haben.
Das Buch „Pecorino und die Kunst des Pilgerns. Ein Hund geht den Franziskusweg“ ist das Ergebnis.

Pilgern ist in. Wohl jeder hat schon einmal darüber nachgedacht. Diese schönen Gedanken jedoch in die Tat umgesetzt haben allerdings nur die Wenigsten. Viel zu mühsam, zu zeitaufwändig, viel zu abstrakt ist allein die Vorstellung, ­Hunderte Kilometer Fußmarsch auf sich zu nehmen. Trotzdem erfreut sich das Pilgern immer größerer Beliebtheit. Das weiß man spätestens, seit Hape Kerkeling die amüsante Schilderung seines ganz persönlichen Jakobsweges – „Ich bin dann mal weg …“ – in die Bestsellerlisten katapultiert hat. Über drei Millionen Exemplare konnte der deutsche Komiker verkaufen; beinahe ebenso viele Menschen trampeln nun alljährlich im Gänsemarsch über die Pyrenäen in Richtung Santiago de Compostela.

Der „Franziskusweg“
Wir haben uns für einen anderen Pilger-Pfad entschieden. Wir, das sind ein Fotograf, ein Autor – also ich – und der Hund Pecorino. Unsere Herausforderung war der „Franziskusweg“: noch weitgehend unbekannt, fast unberührt und unerforscht zieht er sich durch den Apennin. Doch wesentlich näher und naheliegender, ist doch Franz von Assisi der Schutzheilige Italiens und der Tiere. Pecorino ist nicht nur ein sehr bekannter Fotohund und noch dazu gebürtiger Italiener, er hat auf dieser etwas anderen Pilgerreise auch gleich das Wort übernommen. Pecorino, der Pilgerhund in Wort und Bild. Das Pilgern, die Landschaften, die Menschen, Rückblicke auf das Leben und Wirken des Heiligen und Einblicke in die eigene Hunde-Vergangenheit hieß demnach das Motto, unter dem wir losgegangen sind.

Mit längerem „Gassi-Gehen“ hat diese Geschichte, die am Adria-Strand in Rimini beginnt, rein gar nichts zu tun. Insgesamt 300 Kilometer ­bergauf, bergab über den halben Apennin vom Ausgangspunkt im beschaulichen Dovadola bis zum Endziel im von ­Touristen überrannten Assisi sind – bei Gott und allen Heiligen – nicht zu unterschätzen; weder auf zwei Beinen, aber auch nicht auf vier Pfoten.

Motivation
Pilgern ist in. Doch, welche ­Motivation treibt Mensch und Tier zu solch extre­mer Herausforderung? Der Glaube, die Suche nach Gott, die Suche nach sich selbst? Mag sein, doch ­dieses Trio ­hatte noch einen weiteren Beweggrund: Pecorino ist kein ganz gewöhnlicher Hund. Er ist ­Fotomodell. ­Pecorino kennt man von Wien bis Berlin, von Rom bis New York. In neun Fotobüchern, jährlichen Hochglanz­kalendern und internationalen Magazin­stories konnte man die schönsten Seiten Europas bereits abgelichtet sehen – im Mittelpunkt stets der Hund.

Also, warum nicht auf Wanderschaft gehen in einer wunderbaren Natur, die sich über die Regionen Emilia ­Romagna, Toskana und Umbrien erstreckt, und dies auch noch unter dem Patronat des Franz von Assisi, des Schutzheiligen der Tiere? Letzteres übrigens hochoffiziell, denn Pecorino ist der erste Vierbeiner in der traditionsreichen Geschichte des „Cammino“, der sowohl den Pilgerpass, wie auch die „Assisiana“, die begehrte Pilgerurkunde, mit Stempel und Siegel ausgestellt bekommen hat.

„Ach, Sie brauchen drei Pilgeraus­weise? – fragte Pater Don Alfeo in der verschlafenen Klosterkirche in Dovadola, dem Ausgangspunkt der Tour, etwas ungläubig. Ein Pilgerausweis ist zwar so ziemlich das unwichtigste Ausrüstungsstück für einen 300-Kilometer-Fußmarsch, aber es ist schon befriedigend, wenn man am Ende durch die „Assisiana“ in den erlauchten Kreis der beurkundeten Pilger hochoffiziell aufgenommen wird. „Ja, drei ­Pilgerpässe“. Ein Fotograf, ein Autor und ein Hund. Nach vielen ­skeptischen Blicken und einiger Überzeugungskraft, bekommt auch ­Pecorino ­seinen Pass. Mit Siegel, Stempel, Foto und linkem Vorderpfoten­abdruck als ­Signatur. Eine Premiere in der Geschichte des „Cammino di Assisi“, wie der Padre glaubhaft versichert. Er mache eine Ausnahme, da es sich um einen prominenten Hund handle, der durch Artikel wie diesen seinen ­Cammino noch etwas populärer machen kann.

Cammino di Assisi. Dovadola – Assisi. 300 Kilometer. Das steht auf einem verwitterten Holzschild. 300 Kilometer in zwölf Tagesetappen, das waren – zumindest für die Zweibeiner – täglich den 18 Kilo schweren Rucksack über Hügel, durch Wälder und unwegsames Dickicht zu schleppen. Das waren wunde Pfoten, die Suche nach Wasser, Hundefutter und einem Bett zum Schlafen im norditalienischen Nirwana. Das waren aber auch: wundervolle Natur, sehr freundliche Menschen, lukullische Köstlichkeiten der regionalen Küchen und viel Zeit zum Sinnieren und Nachdenken. Das waren kurze gemogelte Strecken á la ­Kerkeling, ein liebestoller, durchgebrannter Pecorino, ein Fotograf mit massiven Schulterschmerzen, ein Autor, der sich das Rauchen abgewöhnen wollte usw. Das waren auch die atemberaubenden Kulturdenkmäler von Portico über La Verna und ­Michelangelo Caprese bis hin nach Gubbio und schließlich Assisi, Höhepunkt und Endstation dieser Pilgertour. Eine Lebenserfahrung, die man nur weiterempfehlen kann. Eine Herausforderung, die wir nicht missen möchten.

Als Krönung und Belohnung für das in nicht ganz 300 Kilometern und 11 Tagen erwanderte Pilgerabenteuer durften wir unsere persönliche „Assisiana“ in Empfang nehmen. Wir Drei – ja auch Pecorino – ­gehörten nun, nachdem wir in der Basilika San Francesco zu Assisi die Urkunde überreicht bekamen, zum erlauchten Kreis der hochoffiziell beurkundeten „­Pellegrini“ des „Cammino di Assisi“.

Wir sind stolz darauf, aber was haben wir letztendlich gefunden auf diesem Franziskusweg, dieser eigenartigen Wanderung eines Fotografen, seines Hundes und eines Autors? Vielleicht nicht Gott, nicht uns selbst, aber ganz bestimmt neue Wege, neue Ziele und Gedanken, die uns im Suchen und im Leben voranbringen. Der Weg ist das Ziel. Und, Pecorino hat letztendlich den Beweis geliefert, dass er auch im hohen Alter nichts von seiner ­Begabung und Bestimmung verloren hat. Seine Passion ist und bleibt: das Posen.

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