Eifersucht – Ein tierisches Gefühl?

Von Karin Joachim MA

Unsere Hunde freuen sich, wenn wir mit ihnen spielen, sie sind aufgeregt, wenn es auf einen ­Spaziergang nach draußen geht. Freude oder Aufregung gehören zu den sog. Basis- oder ­primären Emotionen. Empfinden Hunde jedoch auch kompliziertere Gefühle wie etwa Eifersucht, oder ist ­dieses Gefühl allein uns Menschen vorbehalten?

Viele Hundehalter beschreiben in den verschiedensten Zusammenhängen „Eifersucht" beim Hund. Wer hat ihn nicht schon erlebt, den „eifersüchtig" umherspringenden Terrier, wenn Frauchen und Herrchen sich zur Begrüßung umarmen? Wer hat nicht schon zwei befreundete Hunde beobachtet, die sich angesichts einer extra Streicheleinheit für einen der beiden in die Haare bekommen haben? Ein hoher Prozentsatz von über 80% der Hundehalter hat das Phänomen Eifersucht schon beobachtet, wie eine englische Studie von 2008 belegt. Fast zu gleichen Teilen ist dieses Gefühl des eigenen Hundes auf Menschen (50%) und Artgenossen (45%) gerichtet. Allerdings ist nicht alles, was wir Hundehalter beobachten und interpretieren, auch das, wonach es aussieht. Zunächst gilt es zu klären, was Gefühle bzw. Emotionen überhaupt sind.

Gefühle im Tierreich
Bereits 1872 veröffentlichte kein Geringerer als Charles Darwin „The expression of the emotions in man and animals". Vor ihm und auch nach ihm taten sich die Menschen jedoch schwer, Tieren, selbst Säugetieren, Emotionen zuzubilligen. ­Sekundäre Emotionen wie Eifersucht, Neid, Schuldgefühl oder Stolz wurden und werden z.T. noch heute als genuin menschlich angesehen. Anders als die Basisemotionen wie z.B. Wut, Trauer, Freude oder Furcht werden die sekundären Emotionen bewusster wahr­genommen.

Gefühle sind deshalb so schwer zu ergründen, da sie v.a. subjektiv empfunden werden. Wir Menschen können diese Gefühle verbal beschreiben, bei Hunden müssen wir auf anderem Weg Rückschlüsse auf ihre innere Befindlichkeit ziehen. Neben der Verhaltensbeobachtung sind Hinweisgeber verschiedene körperliche Parameter wie z.B. Blutdruckänderungen oder die An- oder Abwesenheit bestimmter Hormone sowie bildgebende Verfahren, die die Hirnaktivitäten sichtbar machen. Im Vergleich mit menschlichen Gefühlen lassen sich bereits zahlreiche Parallelen ablesen. Immer wieder wird allerdings der Zusammenhang von sekundären Emotionen und Sprache thematisiert.

Bisher konnten sekundäre Emotionen lediglich bei unseren direkten Vorfahren, den Primaten, nachgewiesen werden. Seitdem der Haushund nun auch in den Focus wissenschaftlicher Forschung gerückt ist, mehren sich die Hinweise darauf, dass Hunde zumindest einige der sekundären Emotionen empfinden.

Sitz der Emotionen
Die Kernthese der evolutionären Emotionsforschung ist, dass Emotionen genauso der Evolution unterliegen wie Verhaltensweisen und deshalb nicht plötzlich ausschließlich beim Menschen auftreten können. Alle Säugetiere, also auch wir Menschen, besitzen ein ganz ähnlich aufgebautes Gehirn und Nervensystem. Man spricht von anatomischer und funktioneller Homologie. Eine zentrale Schaltstelle im Gehirn liegt im Temporallappen des Großhirns und nennt sich Amygdala (Mandelkern) und ist Teil des Limbischen Systems. Hier werden Situationen emotional bewertet, externe Reize verarbeitet sowie vegetative Reaktionen eingeleitet. Die Amygdala hat besonders Einfluss auf die Entstehung von Angst und Aggression. Sie ist auch an dem Erlernen der Verknüpfung von Reiz und Reaktion, wie bei der Kondi­tionierung, beteiligt. Emotionen werden dann bewusst wahrgenommen, wenn bestimme Strukturen im Gehirn, z.B. die Großhirnrinde, mitwirken.

Sinn von Emotionen
Emotionen sind ein wichtiger Faktor im Leben. Aufgrund der neuronalen Vernetzung läuft die Verarbeitung der Informationen äußerst schnell ab. Emotionen entstehen oft als Reaktion auf äußere Reize. Beispielweise folgt auf eine Bedrohung Flucht oder Angriff, entsprechende Emotionen sind Angst oder Wut. Emotionen sind biologisch sinnvoll, garantieren dem Individuum den adäquaten Umgang mit der Umwelt. Bereits gemachte Erfahrungen können mit einbezogen werden. Das heißt, dass Emotionen veränderbar sind, sich also durchaus auch abschwächen oder steigern können. Ursprüngliche Angst verwandelt sich bei entsprechenden positiven Erfahrungen in Neugier. Ein tiefer Schreck kann den Grundstein für eine generalisierte Angst bilden. Frust schlägt möglicherweise in Aggression um oder Freude in maßlose, unbändige Aufregung. Emotionen haben also einen deutlichen Handlungsbezug und fungieren als Frühwarnsysteme. Und sie sind im sozialen Miteinander äußerst wichtig. Wenden wir uns nun im Speziellen der Eifersucht zu.

Was ist Eifersucht?
Eifersucht ist ein Gefühl, das im Zusammenhang mit einer ­wichtigen Bezugsperson entsteht. Dringt jemand Drittes in diese soziale Be­ziehung ein und wird mit mehr Zuneigung oder Zuwendung bedacht, kommt es zu einem Gefühl, das man Eifersucht nennt. Da Hunde in ­sozialen Gemeinschaften leben, ist es nicht abwegig, ihnen ­prinzipiell dieses Gefühl zuzugestehen. Sie sind ­zwingend auf Sozialkontakt sowie ein gut funktionierendes Beziehungs­geflecht angewiesen. Wir Menschen stellen für unsere Hunde ­wichtige Bezugspersonen dar und sind ­mindestens so bedeutsam wie ihre Artgenossen. Hinter der Eifersucht verbergen sich tiefe Verlust­ängste und möglicherweise auch ein ge­ringeres Selbstwertgefühl. Bei unseren Hunden aber auch bei anderen Säugetieren besteht beim Eindringen eines Dritten – einer Person oder eines anderen Hundes – durchaus die Gefahr, wichtige Ressourcen (Sicherheit, emotionale Zuwendung, Futter) zu verlieren.

Verhalten eifersüchtiger Hunde
Ein Hund kleidet seine Empfindungen nicht in Worte. Aus seinem Ver­halten lassen sich jedoch Rückschlüsse auf seine Gefühlslage ziehen. Ein Hund, dem die Situation ­suggeriert, er werde ausgegrenzt, möchte alles dafür tun, diesen Zustand zu ändern. Überlautes, stetiges Bellen ­signalisiert seiner Umwelt „Achte auf mich" oder auch „Das finde ich jetzt blöd", er möchte also Aufmerksamkeit er­halten oder seinen Protest zum Ausdruck bringen. Herum­ge­hopse oder ­nerviges Umrunden seines Menschen kennen wir ebenfalls. Eine weitere Handlungsalternative ist der Angriff, um die störende Person oder den fremden Hund zum ­Ver­schwinden zu bringen. Kommen Ihnen ­diese ­Verhaltensweisen bekannt vor? ­Meistens erreicht der Hund auch sein Ziel mit einer dieser Strategien, oder etwa nicht? Hat dieses Ver­-halten nun etwas mit Eifersucht zu tun?

Gespür für Ungerechtigkeiten
Zu bedenken ist, dass Hunde grundsätzlich in der Lage sind, eine un­gleiche Behandlung wahrzunehmen. Hunde haben sogar feine Antennen für Ungerechtigkeiten. So verweigerten Hunde nach einiger Zeit das Pfötchengeben oder taten es nur widerwillig, wenn regelmäßig ein anderer Hund für die gleiche Aufgabe mit einem Leckerchen belohnt wurde, er selbst aber leer ausging. Friederike Range fand bei dieser Studie heraus, dass es Hunden weniger wichtig zu sein scheint, ob es sich um eine sehr leckere oder nur um eine durchschnittliche Futterbelohnung handelte, sogar, wenn dem anderen Hund ein schmackhafteres Leckerchen gereicht wurde. Der nicht belohnte Hund zeigte darüber hinaus eindeutige Stresssymptome wie beispielsweise Maullecken und Kratzen. Wurde der nicht belohnte Hund aber einzeln, ohne dass ein anderer Hund anwesend war, zum Pfötchengeben aufgefordert, klappte die Ausführung sogar ohne Futterbelohnung. Die Aufmerksamkeit des Besitzers scheint demnach enorm wichtig zu sein.

Komplexes Gefühlsleben
Vieles spricht dafür, dass unsere ­Hunde nicht nur zu Basisemotionen fähig sind. Jedoch bleiben etliche Fragen offen, gerade weil unsere Hunde nicht wortreich wie wir über ihr Innerstes reden können: Empfinden sie wirklich exakt dasselbe wie wir in vergleichbaren Situationen, obwohl ihr Verhalten dies suggeriert? Sind sie sich dann darüber bewusst, dass sie eifersüchtig sind? Ihr gefühltes Unbehagen ist anders als bei uns Menschen vor allem auf den Augenblick bezogen. Unsere menschliche Eifersucht kann sich – wie viele wissen – gar nur in unserer Vorstellung abspielen.

Dass Hunde jedoch Verlustängste haben und eine ungleiche Behandlung sehr wohl wahrnehmen, konnten Studien bestätigen. Wir sollten deshalb grundsätzlich im Alltag mehr auf die Gefühlslage unserer Hunde achten sowie ihr Verhalten nicht ausschließlich rein rational oder behavioristisch erklären wollen. Oftmals greift jedoch die vorschnelle Diagnose Eifersucht einfach zu kurz, vor allem, wenn wir diese im heute geläufigen Sinn ­(Liebesbeziehung) verwenden.

Wieder ist es an uns, einerseits mit unserem Vierbeiner eine ­gewisse Frustrationstoleranz einzuüben, anderseits gerade auch, kniffelige Situationen zu managen. Ein Hund, der sich offensichtlich nicht wohl fühlt oder sogar in seiner Existenz bedroht sieht, wenn sein Frauchen sich nicht mehr genügend um ihn kümmern kann, weil z.B. das Neugeborene die volle Aufmerksamkeit verlangt, muss in seiner Emotionalität ernst ge­nommen werden.

Literatur
Verwendete Literatur (nach Erscheinungsdatum)

  • Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Hundepsychologie. ­Sozialverhalten und Wesen. Emotionen und ­Individualität. Franck-Kosmos ­Verlag, Stuttgart 4. Auflage 2004.
  • Jaak Panksepp, „ Affective ­consciousness: Core emotional feelings in animals and humans", Consciousness and Cognition 14 (2005), 30-80.
  • Dr. Udo Gansloßer, Verhaltens­biologie für Hundehalter. Verhaltensweisen aus dem Tierreich verstehen und auf den Hund beziehen., Franck-Kosmos ­Verlags-GmbH & Co. KG, ­Stuttgart 2007.
  • Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen, Ausdrucksverhalten beim Hund. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2008.
  • Paul H. Morris, Christine Doe, and Emma Godsell, „Secondary emotions in non-primate species? Behavioural reports and subjective claims by animal owners", ­Cognition and Emotion, 2008, 22 (1), 3-20.
  • James O’Heare, Die Neuro­psychologie des Hundes, animal learn Verlag, Bernau 2009.
  • Friederike Range, Lisa Horn, Zsófia Viranyi, and Ludwig Huber, „The absence of reward induces inequity aversion in dogs", PNAS January 6, 2009, vol. 106 no. 1 340-345.
  • Günther Bloch, Elli H. Radinger, Wölfisch für Hundehalter. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2010.
  • Dr. Ádám Miklósi, Hunde. Evolution, Kognition und Verhalten. Franck-Kosmos Verlag, Stuttgart 2011.

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