Einen Hund mit einer Schlinge hoch zu ziehen und ihn durch die Luft wirbeln, wie dies in einem Video des amerikanischen „Hundeflüsterers" Cesar Millan mit dem Husky Shadow zu sehen ist, ist für den Kognitionsbiologen und WUFF-Autor Prof. Dr. Marc Bekoff ein klarer Fall von Tierquälerei.
Aufgrund meiner Arbeit erhalte ich immer neueste Informationen über die Kognition (Erkenntnisfähigkeit) und Gefühle von Tieren ebenso wie über Fälle von Tierquälerei. So habe ich auch ein Video zugeschickt bekommen, das den „Hundeflüsterer" Cesar Millan zeigt, wie er einen schlecht erzogenen Husky namens Shadow mit einer Schlinge hochhängt. Eine solche Behandlung eines fühlenden Lebewesens widerte mich an und bald erfuhr ich, dass auch viele andere Menschen durch diese sogenannte „Trainings"-Session schockiert waren.
Wenn ich mit Hundeausbildern spreche und dieses Video erwähne, sind die meisten Trainer ebenfalls der Meinung, dass es eine unnötige Grausamkeit und ein Missbrauch ist, eine Schlinge um den Hals eines Hundes zu legen, ihn daran hochzuziehen und in der Luft baumeln zu lassen. Die meisten Menschen würden sehr zornig werden, wenn dies ihren Hunden zugefügt würde. Auch ich würde das!
Dennoch sagten mir kürzlich einige Leute, dass ein solches Hochziehen sehr wohl gut geeignet sei, Hunde zu disziplinieren. Ich fragte daraufhin, ob sie dies auch bei ihrem Kind oder einem anderen menschlichen Lebewesen tun würden, und natürlich verneinten sie dies heftig. Nun, warum lassen sie dies dann bei ihrem Hund zu? Es ist auch sinnvoll zu fragen, ob sie es bei sich selbst zulassen würden, bevor sie es bei ihrem Hund zulassen. Und wenn nicht, warum nicht?
Attacken werden provoziert?
Ein Hundefachmann schrieb mir über das Hochhängen von Shadow folgendes: „Zuerst sieht das für mich so aus, als ob Millan diese Attacken provoziert und verlängert, indem er den Hund so lange hochhängt und dadurch Druck auf die Halsschlagadern (Carotis) ausübt. Zweitens, auch durch das Zuschnüren scheint definitiv Druck auf die Halsschlagadern ausgeübt zu werden (mit daraus resultierendem Sauerstoffmangel des Gehirns, Anm.d.Red.). Wenn diese Beobachtungen korrekt sind, ist es kein Wunder, dass der Hund „unterworfen" wird. Wenn Sie die Nerven haben, sich das Video anzuschauen, erkennen Sie, dass Shadow nicht „bloß" vom Boden hochgehoben wurde."
Langfristige Traumafolgen
Das Ausmaß dieses Traumas wird langfristige Folgen haben, so wie auch andere Quälereien, denen ein Lebewesen ausgesetzt ist, sei dies absichtlich (wie in diesem Fall) oder unabsichtlich. Wir wissen, dass für Hunde und andere Lebewesen Depression oder posttraumatische Störungen eine Spät- und Langzeitfolge solcher Traumata darstellen, und daher sollten Trainingsmethoden, die solche Traumata verursachen, nicht unterstützt, sondern vielmehr strikt abgelehnt werden!
Endlich Grenzen ziehen!
Ich schreibe über Shadow deswegen, weil es einfach nötig ist, Grenzen zu ziehen in dem, was erlaubt ist, um Verhaltensänderungen bei einem Hund zu erreichen. Hunde und andere Tiere an einer Schlinge hochzuziehen überschreitet bei Weitem das, was ich akzeptiere, und wäre ich Zeuge eines solchen Vorfalls, würde ich sofort die Polizei rufen. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Menschen ähnlich handeln würden.
Wenn jemand meint, dass ein Hund eine solche Behandlung verdiene, ist es nützlich darzustellen, wie gewaltlose Techniken angewendet werden können anstatt bedrohende und verletzende Methoden. Viele Menschen, die mit Haustieren oder Wildtieren arbeiten, wenden heute Trainingstechniken an, die auf positiver Bestärkung beruhen. Und das sollte auch jeder tun, der mit des Menschen bestem Freund arbeitet. Training muss die Fähigkeit eines Individuums berücksichtigen, Leid und Schmerzen zu empfinden.
Wie der Buchautor und Journalist Mark Derr betont, „Wenn man Aggressionen, Phobien und Ängste von Anfang an richtig behandelt, kann dies buchstäblich Zeit und Geld sparen. Herrn Millans „Schnelllösung" macht sich zwar gut im Fernsehen und könnte sogar in einigen Fällen nachhaltige Resultate erzielen. Doch seine Methoden widersprechen völlig den modernen Erkenntnissen professioneller Tierexperten und Verhaltensforscher über das normale und anormale Verhalten von Hunden."
Schnelle Lösungen, die auf ernster Bedrohung und verschiedenen Formen psychologischer und körperlicher Gewalt beruhen, müssen aus Trainingskonzepten verschwinden und unsere ablehnende Meinung über diese Methoden muss laut ausgesprochen werden! Die traurige Geschichte von Shadow zwingt uns darüber nachzudenken, wer wir sind, wer andere Lebewesen sind und wie wir sie behandeln sollen.
Hunde wollen mit Würde und Respekt behandelt werden, und wenn sie uns herausfordern und unsere Geduld strapazieren, dürfen wir trotzdem nie vergessen, dass sie empfindungsfähige Lebewesen sind, die völlig von unserem Goodwill abhängig sind. Es ist ein schmutziges Doppelspiel, bei ihnen absichtlich Gewalt anzuwenden und sie einem Leben in Angst auszusetzen. Es ist ein Betrug an ihrem Vertrauen in uns, und es stellt eigentlich auch für uns eine Erniedrigung dar.
Die Herzen unserer Mit-Lebewesen sind, genauso wie unsere eigenen, fragil, daher müssen wir auch einfühlsam damit umgehen. Danken wir unseren Hunden für das, was sie sind, und für ihre ungefilterte Liebe. Gestalten wir ihren Unterricht mit Zuneigung, Empathie, Respekt und Liebe. Wir werden das sicher niemals bereuen, sondern vielmehr wird Freude unser Leben bereichern, wenn wir den Weg freimachen für eine tiefe und gegenseitige Beziehung, die auf Vertrauen beruht.
Elliot Katz, Tierarzt und Begründer der Tierschutzorganisation „In Defense of Animals", hat einmal vorgeschlagen, dass wir in der Hundeausbildung den Begriff Training durch Unterricht ersetzen sollen. Training wird oft synonym gebraucht für „brechen", doch sollte Training nicht bedeuten, ihre fragilen Herzen zu zerstören.
VIDEO-TIPP
Shadow turns blue …
Hier der Link zum Video, das den „Hundeflüsterer" Cesar Millan zeigt, wie er einen schlecht erzogenen Husky namens Shadow mit einer Schlinge hochhängt.
http://www.youtube.com/watch?v=Qh9YOyM2TAk