Die Welpenmafia

Von Regina Röttgen

Das Millionen­geschäft der Welpenmafia, Teil 2

Nach Waffen- und Drogenhandel ist das lukrativste ­Geschäft in Europa der Tierhandel. Eine ­bedeutende Rolle spielt hierbei der Handel mit Welpen. Denn ­mittlerweile sind es nicht mehr nur ein paar Händler, die mal schnell einen Schwung Welpen aus ­Osteuropa nach Deutschland oder Österreich schmuggeln. Es geht um organisiertes Verbrechen in großem ­Rahmen, skrupel­los verdiente Gewinne in mehrstelliger Millionen­­höhe, ­begleitet von ebenso immensem Leid.

Als die deutsche Polizei Anfang Mai den Kombi bei einer Verkehrskontrolle nahe Erlangen stoppte, ahnten die Polizisten nicht, was sie im Kofferraum des 59-jährigen Fahrers finden würden. Mit 42 Welpen verschiedenster Rassen war der tschechische Tierarzt unterwegs nach Belgien. Eingepfercht auf engstem Raum hatten die Welpen weder Wasser noch Futter. Papiere oder Impfpässe hatte der Mann für die teilweise erst vier bis fünf Wochen alten Welpen nicht. Die Polizei beschlagnahmte die Hunde und brachte sie in das Tierheim Nürnberg.

Für Birgitt Thiesmann von der Stiftung „Vier Pfoten“ ist der Mann kein ­Neuling. Bereits 2013 war er der deutschen Polizei mit 78 Welpen im Kofferraum ins Netz gegangen. „Die Händler sind über ganz Europa verstreut“, erzählt ­Thiesmann, Expertin für Welpenschmuggel. Nach jahrelangen Recherchen kennt sie die Vorgehensweise. Die Händler kaufen bei Vermehrern, die an bestimmten Treffpunkten die Welpen abliefern und pro Tier meist 20 bis 80 Euro bar auf die Hand bekommen. Für einen Händler sind 100 Welpen pro Woche keine Seltenheit.

Die Hunde stammen aus Massenzuchten in der Tschechischen Republik, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei, wo Muttertiere und Welpen auf engstem Raum in bis auf die Wände mit Urin und Kot verdreckten, dunklen Ställen in unvorstellbaren Verhältnissen gehalten werden. Da Impfungen und veterinärmedizinische Versorgung Geld kosten, sind die Hunde meist weder geimpft, noch entwurmt. Eventuelle Ausweis­papiere sind in der Regel gefälscht. Ein Aussteiger erzählte Thiesmann, er habe in Polen gesehen, dass Welpen, auf ­denen die Vermehrer sitzen bleiben, auch mal in den Schredder kämen.

Zwei Tage vor dem Transport werden die Kleinen mit Antibiotika und Aufputschmitteln regelrecht gedopt, damit sie den Transport überhaupt ­überleben, erzählte ein ehemaliger Insider der ­Tierschützerin. Von der Sammelstelle oder dem Markt aus geht es im Kofferraum oder Transporter los in das Abnehmerland – wie im Falle des tschechischen Tierarztes. Gegen das Gesetz verstoßen solche Transporte vor allem, da der Handel mit Tieren erlaubnispflichtig ist und dem Tierseuchenschutzgesetz unterliegt. Dies sieht vor, dass Hunde frühestens im Alter von 12 Wochen gegen Tollwut geimpft werden. Die Einfuhr ist erst drei Wochen nach der Tollwutimpfung erlaubt. Somit verstößt jeder, der ungeimpfte Welpen bei sich hat, beim Überschreiten der Grenze gegen das Tierseuchengesetz. Hat ein Transporteur zudem die Bescheinigung des TRACES-Systems nicht, das 2004 von der Europäischen Union zur Kontrolle des Tierverkehrs innerhalb der EU sowie aus der und in die EU eingeführt wurde, muss er mit den Tieren zurück in sein Ursprungsland, solange Transportbedingungen und Papiere der Tiere in Ordnung sind sowie die Welpen gesund und zumindest zwei Monate alt aussehen. In der Regel jedoch wird eine solche „Lieferung“, sollte sie in Deutschland entdeckt werden, immer beschlagnahmt.

Es geht schon lange nicht mehr um Tierschutz

„Heute geht es um viel mehr als nur um Tierschutz und Tierquälerei“, sagt ­Thiesmann. „Es geht um Betrug, Verstoß gegen das Tierseuchenschutzgesetz, Steuerbetrug und Bandenkriminalität.“ Denn Transporteure wie der tschechische Tierarzt liefern an Händler in ganz Europa, gerade Deutschland, Belgien und die Niederlande stehen hier an erster Stelle. Laut Deutschem Tierschutzbund gehen zwei Drittel aller illegalen Welpentransporte nach oder über Deutschland. Diese zu schnappen ist schwer, da Grenzkontrollen heute jedoch nur noch stichprobenartig durchgeführt werden. Wird ein Transport erwischt, sind die Strafen gering im Vergleich zum Gewinn, den die Transporteure durch den Verkauf der Welpen an Händler machen. Ein Geschäft mit minimalem Risiko, geringem Aufwand und hohen Gewinnen. Ein ehemaliger Insider betitelt den Gewinn von Transporteuren mit bis zu 3000 Euro pro Woche.

Geht ein Transport doch mal „hoch“, sind zwei die Leidtragenden: Die Welpen und die Tierheime. Im Großen und Ganzen bekommen immer nur drei Tierheime in Deutschland beschlagnahmte Welpen, was alleine daran liegt, dass sie an den einschlägigen Einfuhrrouten liegen. Für die Mitarbeiter der Tierheime sind der Anblick des Leids und das Wissen, nicht alle retten zu können, eine schwere Last, die sie ein Leben lang nicht mehr loswerden. Zudem belaufen sich die Kosten für nur einen Welpen oft auf mehrere Tausend Euro. Erstattet bekommen Tierheime diese Kosten von keinem. Selbst der Staat bleibt meist auf den Bußgeldbescheiden sitzen, denn die Fahrer sind Ausländer und Bußgelder können in den Ländern dort nicht ­weiterverfolgt werden.

In der Regel allerdings gelangen die Welpen bis zu den Händlern. Einige davon sind richtig groß und mafiös verstrickt. „Die halten sich gegenseitig den Rücken frei. Sobald einer Hunde­halteverbot bekommt oder die Welpen auf die Schnelle loswerden muss, werden die Kleinen zu einem anderen gefahren, der die Hunde für diesen dann einfach mitverkauft“, klärt die Tierschützerin von „Vier Pfoten“ über die Arbeitsweise der Händler auf. „So versichern sie sich sozusagen gegen­seitig und stehen nicht ohne Geld da, wenn sie mal auffliegen.“ Dieses Wissen lässt die Worte einer Händlerin im hessischen Seligenstadt bei ihrer Verhaftung in einem anderen Licht erscheinen: Als die Frau erbost „Dann macht es halt jemand anders“ rief, war dies nicht nur so daher gesagt, sondern wortwörtlich gemeint. Verkauft werden die Welpen übers Internet mithilfe von Inseraten – Impfpass und oft sogar Ahnentafel inklusive. „Teilweise werden Vereine gegründet, was an sich ja nicht illegal ist, die dann aber falsche Ahnentafeln ausstellen“, gibt Thiesmann Einsicht. Zudem steckten immer auch Tierärzte mit drin, die Blanko-Impfpässe ausstellen.

Jeder, der so einen Welpen kauft, kurbelt dieses Geschäft an

„Früher konnte man solche Anzeigen wie reife Früchte pflücken“, erzählt Thiesmann. „Damals waren viele verschiedene Rassen in einer Anzeige, schlechtes Deutsch und Dumping-­Preise die eindeutigen Zeichen.“ Seit „Vier ­Pfoten“ und andere Organisationen ­gezielt gegen den Welpenhandel vorgehen und das Thema nicht nur als ­Tierschutzprojekt, sondern als organisiertes Verbrechen gesehen wird, haben die Händler ihr System perfektioniert. „Es wird nur noch eine Rasse mit blumigen Texten und schönen Bildern angeboten“, so die „Vier Pfoten“-Mit­arbeiterin. Zudem seien die Preise gestiegen. ­„Gleiches Bild, gleicher Text, aber anderer Name und andere Telefon­nummer“ sei das neue Konzept der illegalen Händler.

Laut Thiesmann könne man Käufern heute fast keinen Vorwurf mehr machen, denn die Händler seien sehr perfide. „Die arbeiten mit so vielen Tricks, dass die Käufer aufgrund der Vorgehensweise der Händler wirklich das Gefühl vermittelt bekommen, es sei alles in Ordnung und die Welpen seien liebevoll großgezogen worden.“ So wie im Falle des Ehepaares in Kreuztal, Nordrhein-­Westafeln. Im Dezember 2016 wurde der dortige Welpenmafiaring nach monatelanger Arbeit einer Sonderkommission der Polizei und jahrelangen Recherchen durch „Vier Pfoten“ gesprengt. 108 Hunde, darunter 20 Welpen, wurden, teilweise tot, auf dem Gelände des Einfamilienhauses beschlagnahmt. Derzeit warten die ­Betroffenen auf ihren Prozess. Gehandelt hatten die Eheleute mit Hunden vermutlich schon seit den 70er Jahren. Der dortigen Landestier­ärztekammer lagen Beschwerden über die seit zehn Jahren für das Ehepaar tätige Tierärztin vor.

Für Käufer hatte das Ehepaar Züchter­idylle präsentiert, so Thiesmann, die mit vielen Betroffenen gesprochen hat. Die Masche war perfekt durchdacht: Interessenten wurden mit der Begründung, ihr abgelegen liegendes Hanggrundstück in einem Gewerbegebiet sei schwer zu finden, abgeholt. Laut den Betroffenen habe im Haus alles sehr schön ausgesehen, der Welpe hätte Decke und Spielzeug gehabt, es hätte sogar ein Starterpaket zum Preis dazu gegeben, eine gepflegte Hündin sei als Muttertier präsentiert worden. „Doch die Zustände in den Zwingern hinterm Haus am Ende des Grundstückes bekam keiner zu sehen“, erzählt Thiesmann, die beim Zugriff vor Ort war.

Hat man einen solchen Welpen dann erst einmal auf dem Arm, verfliegt jegliches schlechtes Bauchgefühl, wenn überhaupt eines aufkam. Das Bild ändert sich laut Thiesmann genau in dem Moment, wo der Welpe gekauft ist. „Man wird regelrecht raus komplimentiert.“ In der Aufregung des Moments um den niedlichen felligen Familiennachwuchs schaut keiner die Einträge in den Impfpässen genau an. „Am Ende kommt dann immer das große Erwachen. Man erkennt, dass die Kaufverträge nicht richtig ausgefüllt wurden, keine Adresse oder Unterschrift dabei ist“, weiß Thiesmann. Dabei kann die Schrift auf den Dokumenten und im Impfpass einen wichtigen Hinwies auf Blanko-Impfpässe liefern und es ist Grund zur Vorsicht geboten. Oft sind gar Klauseln zu finden, die dem Käufer jeg­liches Recht auf Beanstandung nehmen, sagt Thiesmann. „Wenn sich dann doch mal jemand beschwert, werden sie nicht selten bedroht, falls sie überhaupt noch jemanden erreichen können.“

Auch in Österreich gab es bereits Prozesse gegen Welpenhändler. Dank „Vier Pfoten“ konnte in Wien als auch in Rohrbach Dealerpaaren das Handwerk gelegt werden. In der Schweiz jedoch kann „Vier Pfoten“ nicht so tätig sein wie in Österreich oder Deutschland. „Wenn in der Schweiz ein Transport von Welpen ohne Tollwutimpfung hochgeht, dann kommen die Hunde nicht in Quarantäne, sondern werden eingeschläfert. Da würden die Hunde dann für dieses Verbrechen auch noch den allerletzen Preis zahlen ­müssen“, beklagt Thiesmann. Viele der ­Insider-Informationen, die letztlich zum Aufdecken eines Welpendealers führen, bekommt Thiesmann über anonyme Hinweise von involvierten Zeugen. Auch über die Landing-Page von „Vier Pfoten“ fließt wichtiges Material ein. „Über unsere Seite www.stoppuppytraders.org können sich Betroffene anonym melden, die entweder von Hundehandel selber betroffen sind oder etwas beobachtet haben.“ Thiesmann bekommt so mittlerweile 10 bis 15 Hinweise pro Woche, denen „Vier Pfoten“ immer nachgehen. „Dadurch haben wir nicht nur die Fälle, sondern auch die Namen der Händler. Im Zweifelsfalle geben wir einen Fall an das Veterinärsamt weiter, die dann dort eine Kontrolle machen.“

Belgien war schon immer Hochburg für Vermehrer

Oft sind die Welpen in illegalen Transporten, wie im Falle des tschechischen Tierarztes, nur auf der Durchreise. Ziel ist Holland oder Belgien, beides Länder, die mittlerweile eine zentrale Rolle im illegalen Welpenhandel spielen. Importiert werden die Welpen aus Ungarn, der Tschechischen Republik, aber vor allem aus der Slowakei scheinbar legal, denn belgische Händler besorgen sich vorher oft über Jahre geltende Einfuhrgenehmigungen. Die meisten der Genehmigungen sind auf unbefristete Zeit ausgestellt. Das belegen Dokumente, die Sandra Wucherpfennig vom Verein „­Tierhilfe-Belgien“ vorliegen. Gerade in Belgien wurde früher in Ställen und Kellern „schwarz“ gezüchtet und auf Märkten verkauft, so Wucherpfennig. Zwar ist dies heute verboten, doch ist der Verkauf von Welpen in Geschäften weiterhin legal möglich. Laut der Tierschützerin, die sich um ausrangierte Hündinnen von Vermehrern kümmert, gibt es in Belgien rund 850 angemeldete Züchter, 180 davon als „professionell“ betitelte, große Betriebe. Die meisten jedoch sollte man eher Vermehrerstätte nennen. Manche davon haben die Erlaubnis, bis zu 1250 ausgewachsene Hunde zu halten. „Das Wort „ausgewachsen“ ist hierbei wichtig, da in Belgien Hunde unter sechs Monaten gar nicht gezählt werden, das heißt, ein Betrieb kann eine Erlaubnis für die Haltung von zehn Hunden haben, aber trotzdem 1000 Welpen halten“, erläutert Wucherpfennig das unglaub­liche Gesetz, das erst vor wenigen Jahren erlassen wurde. „Belgien war schon immer Hochburg für Vermehrer“, kritisiert Wucherpfennig die Situation im Land. „Der belgische Staat lebt leider auch vom Hundehandel. An jedem verkauften Hund verdient der Staat Steuergelder.“ Daher würden auch große Betriebe und Online-Tierverkaufsportale wie der bereits oft in der Kritik gestandene, riesige Zoofachladen Animals Express zugelassen, immer wieder verschont und sogar geschützt.

Mit der Öffnung der Grenzen hat sich Belgien zu einem regelrechten Umschlagplatz für Hundewelpen ent­wickelt. Hier bekommen die Tiere, die aus osteuropäischen Ländern stammen, neue Papiere, eventuelle Chips werden entfernt und durch hiesige ausgetauscht. All das ist dort nicht illegal, dient allerdings nur der Täuschung des Käufers. Denn so wird die eigentliche Herkunft der Welpen verschleiert, bevor sie nach Deutschland, Frankreich, England oder in andere wohlhabende europäische Länder weiterverkauft werden. Findet ein Welpe keinen Käufer, wird er Tierschützern angeboten. Nimmt sie kein Tierheim oder Tierschutzverein, legen die Vermehrer selber Hand an, um das Tier zu entsorgen.

Wir haben Beweise, dass manchmal gar Behörden nicht eingriffen

Diesem Schicksal ist der kleine, kranke Chihuahuawelpe Anton, um den sich die „Tierhilfe Belgien“ kümmert, entkommen. In seinem belgischen Impfpass ist allerdings ein tschechischer Transporteur vermerkt, den „Vier Pfoten“ schon vor einigen Jahren beim illegalen Transport auf der Autobahn in Deutschland mit über 57 Welpen und 23 Katzen geschnappt hatte. Dank „Vier Pfotens“ internationaler Tätigkeit und Zusammenarbeit mit anderen Vereinen ist es jetzt auch möglich, Beweismaterial über die Landesgrenzen hinaus den Behörden mitzuteilen. „Sicher wird es einigen Leuten nicht gefallen, was ich tue. Aber ich bin ja keine Einzelkämpferin, sondern Teil von „Vier Pfoten“. Gemeinsam mit meinen Kollegen und Kolleginnen gehen wir international gegen den illegalen Welpenhandel und andere Missstände vor“, sagt Thiesmann, deren Arbeit manchmal gefährlich anmutet. Laut der Tierschützerin funktioniert der Welpenhandel nur, weil neben Händlern leider auch Tierärzte und Behörden involviert sein können. „Das sind nicht nur manche Tierärzte, sondern wir haben Beweise, dass manchmal gar Behörden nicht eingriffen. Natürlich sind das schwarze Schafe und Einzel­fälle, die meisten Ämter arbeiten mit uns ganz toll zusammen. Ansonsten würde unsere Arbeit nicht funktionieren.“

Schnäppchenkäufe beinhalten immer ein großes Risiko

Letztlich ist der einzige Hinweis auf ­illegal geschmuggelte Welpen doch meist der Preis, auch wenn dieser nicht mehr so niedrig liegt wie früher. „Für einen seriösen Züchter sind allerdings die angebotenen 600-800 Euro noch immer zu wenig“, weiß Thiesmann. Ein seriöser Züchter, der alle ein bis zwei Jahre nur einen Wurf habe und sich vom Decken bis zur Abgabe der Welpen intensiv um die Hunde kümmere, würde seine Welpen nicht für so wenig Geld abgeben. „Ein guter Züchter achtet darauf, dass die Elternhunde genetisch komplett in Ordnung sind. Allein der Deckakt kostet daher schon richtig Geld“, erläutert Thiesmann. Nebst Tierarztkosten für Wurmkuren, Impfungen, Chippen und qualitativ hochwertiges Futter für Muttertier und Welpen kommen noch Kosten für andere Dinge hinzu. Die ersten Wochen neben dem Wurf zu schlafen, nachts bei jedem Geräusch aufzustehen und wochenlang den Welpen hinterherzuputzen ist Arbeit, die ebenfalls nicht unterschätzt werden darf. „Das ist Arbeit rund um die Uhr“, so Thiesmann. Wer einen wirklich gesunden Hund möchte, müsse schon über 1000 Euro, manchmal sogar bis zu 2000 Euro ausgeben.

„Am besten, man schaut zuerst einmal in die Tierheime, die geben sehr gut Auskunft über jeden einzelnen Hund,“ meint Thiesmann, die selber einen Vierbeiner hat. Rudi, heute 7, kam mit einem Jahr von der Straße in Belgrad. „Damals war er eine Kanaille hoch drei“, lacht Thiesmann. „Man muss halt viel Liebe und Arbeit investieren, egal wo der Hund herkommt. Das muss man mit Humor nehmen, denn es ist wie mit ­Kindern, da geht man auch durch.“ ­Heute sind die beiden ein gutes Team und der Jagd­terriermischling Rudi ist für Thiesmann der tollste Hund der Welt.

Damit keiner auf die Machenschaften der Welpenmafia reinfällt, geben Vereine wie „Leid der Vermehrerhunde“ oder auch „Vier Pfoten“ gerne Hilfestellung. Fragebögen, die mit ja und nein beantwortet werden, helfen zu erkennen, ob es sich bei dem Verkäufer um einen illegalen Welpendealer handeln könne. Zudem erfährt man, ob ein Hund überhaupt in die Familie passt. Auch welche Rasse den Vorstellungen entspricht, kann man durch eine solche Beratung erfahren. Auf Wunsch begleitet „Leid der Vermehrerhunde“ Interessenten gar zum Verkäufer. Falls es ein Hund aus dem Tierschutz sein soll, dann kümmern sie sich auch darum.

Jeder einzelne gerettete Hund ist es wert

Um dem illegalen Welpenhandel die Grundlage zu entziehen, geht „Vier Pfoten“ konkret gegen Inserate im ­Internet vor. „Im Internet kann man heute Tiere kaufen wie Fernseher. Doch am Ende findet man den Verkäufer nicht wieder. Der Name ist ein Nickname, die Telefonnummer eine PrePaid-Nummer“, gibt Thiesmann Einblick, warum es so schwer ist, seriöse Inserate aus der Unmenge von ­Anzeigenplattformen auszusieben. „Vier Pfoten“ hat ­deswegen das Projekt „Tatort Internet“ und die dazugehörige Internetseite www.petdeception.org ins Leben gerufen. „Auf Online-Plattformen wie eBay-Kleinanzeigen tummeln sich unzählige unseriöse Händler“, warnt Thiesmann. „Mit der Kampagne wollen wir erreichen, dass der Onlinehandel endlich sicher gemacht wird. Wir müssen den illegalen Händlern die finanzielle Grundlage für ihre kriminellen Machenschaften entziehen.“

In Österreich ist diesbezüglich zum 1. Juli 2017 eine Novelle des Tierschutzgesetzes in Kraft getreten. Ursprünglich als großer Schlag gegen illegale Tierhändler gedacht, macht es auch private Inserate zur Tiervermittlung im Internet strafbar. Selbst kleine Tiervereine haben es schwer, denn sie brauchen ab 1. Juli 2018 eine Bewilligung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde für Haltungsbedingungen, die sie eventuell nicht nachweisen werden können. Bis dahin gelten Haltungsbedingungen für Vereine vorläufig als bewilligt. Damit dem illegalen Welpenhandel europaweit das Handwerk gelegt werden kann, plädiert „Vier Pfoten“ seit Jahren für eine europa­weite Chip- und Registrierungspflicht. „Wenn es die gäbe, könnte man bei jedem Welpen sehen, wo er herkommt. Solange es diese nicht gibt, ist es so als hätten wir einen Ausweis, aber unsere Daten wären nirgends gespeichert“, kritisiert Thiesmann.

Trotz allem ist die Tierschützerin zuversichtlich. „Man denkt zwar, dass man gegen Windmühlen kämpft, doch es geht voran. Mittlerweile werden nicht mehr nur Bußgelder, sondern auch Haftstraften verhängt. Daran war vor einigen Jahren nicht zu denken.“ Einen Acht-Stunden-Tag gibt es für ­Thiesmann in der Regel nicht. Doch das stört sie nicht. „Mein Beruf ist zu meiner Berufung geworden. Für „Vier Pfoten“ zu arbeiten und damit auch noch mein Geld zu verdienen, ist wie ein Sechser im Lotto.“

Durchschnittliche Kalkulation des Welpenhändlers „Hungarian Pets“ für nach Hamburg gelieferte Chihuahua-Welpen „guter Qualität“

Position Betrag pro Hund Transport von 20 Hunden Transport von 260 Hunden
Chihuahua 150€ 3.000€ 39.000€
10% Kommission 15€ 300€ 3.900€
Ausweis u. Chip 20€ 200€ 2.600€
Tierarztkosten 1,2€ 24€ 312€
Gesamtpreis in Ungarn 186,20€ 3.724€ 48.412€
Transport von 20 Hunden von Ungarn nach Deutschland (Hamburg) 50€ 1.000€ 2.500€
Durchschnittlicher Verkaufspreis in Deutschland 1.000€ 20.000€ 260.000€
Profit des Händlers in Deutschland 763,80€ 15.276€ 209.088€

Erklärung: Zur Verdeutlichung: Offiziellen Zahlen nach wurden 2015 in Deutschland 872 Chihuahuawelpen geboren, aber 11.837 beim zentralen Haustierregister angemeldet. Das würde einem Profit von 8.375.067 Euro allein für Chihuahuawelpen in Deutschland im Jahre 2015 entsprechen.
Quelle: Vier Pfoten

Hier gehts zum Teil 1 des Artikels

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